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Tante Käthe | Februar 2010
Mission: Chartbreaker
von Ingo Pietsch

Hamburg 1981
Villa von Musikproduzent Frank Farian
19.01 Uhr

Der Spion prüfte noch einmal den Sitz seines Sakkos und der blonden Perücke. Sie verdeckte die Ohren und damit das Empfangsteil des Sprechfunks. In der Armbanduhr befand sich das Mikro.
Er hob das Chrono an den Mund: „Tante Käthe an Tante Frieda! Ich gehe jetzt in den Ballsaal!“
„Ok“, kam die Antwort, „melde dich, wenn du auf dem Rückweg bist! Ende.“
Tante Käthe stieß die Küchentür auf, die zur großen Galerie führte. Er mischte sich unter die Gäste der Spendengala; Prominente aus Film, Fernsehen und Politik mit Sektgläsern in der Hand.
Oben, wo die beiden Freitreppen zusammenliefen, stand Frank Farian und hielt eine Rede. Sobald er damit geendet hatte und sich wieder um die Anwesenden kümmerte, wollte der Agent sich nach oben in das Büro schleichen und die Unterlagen stehlen.
Doch zunächst musste Tante Käthe für ein Ablenkungsmanöver sorgen. Wie leicht es gewesen war, hier herein zu kommen. Er musste grinsen. Ein Wendesakko, das auf einer Seite wie die Uniform des Parkwächters aussah, Farians Porsche aus der Werkstatt „geborgt“ und schwupps, durch den Lieferanteneingang geschlüpft und das Sakko gewendet.
Tante Frieda wartete draußen in einem getarnten Lieferwagen.
Schallender Applaus riss Tante Käthe aus seinen Gedanken. Frank Farian winkte noch einmal seinen Gästen zu und ging dann die Treppe herunter, um sich unter das Volk zu mischen.
Jetzt! Durch ein unauffälliges und gezieltes Beinstellen verwandelte Tante Käthe einen der Kellner in ein fliegendes Geschoss. Allerdings reichte der Schwung nicht aus und er blieb vor dem Büfett liegen. Sein Tablett riss allerdings die untere Ebene der großen Sektglaspyramide auseinander, sodass eine regelrechte Flut aus Schampus und Scherben auf die Versammelten regnete.
Noch bevor Panik ausbrach, nicht wegen der Gesundheit, sondern eher der teueren Abendgarderobe, war der Spion unbemerkt im ersten Stock verschwunden.
Natürlich war die Tür von Farians Büro verschlossen. Gekonnt öffnete Tante Käthe das Schloss mit Hilfe eines Dietrichs.
Im spartanisch eingerichteten Raum befanden sich ein Regal, ein Schreibtisch nebst Stuhl und ein Fernsehgerät. Die schweren Vorhänge waren zugezogen.
Tante Käthe schaltete die kleine Schreibtischlampe an und durchwühlte die Schubladen. In der zweiten wurde er fündig. Eine Mappe mit der Aufschrift: Projekt „Milli Vanilli“. Er blätterte darin und sah Noten, Texte und weitere Notizen.
Er rollte die Mappe zusammen und steckte sie in eine Innentasche.
Auftraggeber Big Ralf, auch Musikproduzent, würde sehr zufrieden mit ihnen sein.
„Käthe an Frieda, ich bin jetzt auf dem Rückweg“
„Verstanden, gib mir ein Zeichen, wenn du draußen bist.“
„Bis gleich“. Der Agent schaltete die Lampe wieder aus und zog sein Sakko zurecht. Gerade in diesem Moment bewegte sich die Türklinke. Wahrscheinlich hatte er einen Bewegungsmelder ausgelöst.
Es gab hier keinen Ort, um sich zu verstecken. Er kletterte aus dem Fenster und bis zum Rand des Balkons.
Tante Käthe rollte sich gerade zum Rand der Markise, die darunter angebracht war, als ein Betäubungspfeil ihn nur um Haaresbreite verfehlte.
Er landete zwischen zwei Küchengehilfen, die damit beschäftigt waren, Wasserkisten aus einem Transporter auf einen Hausmeisterwagen umzuladen.
Von allen Seiten kamen Sicherheitskräfte angelaufen. Einige hatten Hunde dabei.
Der Kreis um Tante Käthe schloss sich. Zum Parkplatz würde er es niemals schaffen. Er schubste die Angestellten zu Seite und warf die Kisten von dem Wagen. Während er sich am Griff des Wagens festhielt, stieß er sich mit einem Bein ab. Als er genügend Schwung hatte, kniete er sich hin und ließ sich die abschüssige Auffahrt zum Haupttor herunterrollen.
Die Wachmänner, die direkt auf ihn zukamen, schossen auf ihn, aber die Pfeile prallten an dem Metallgestänge ab. Sie mussten zur Seite springen, um nicht mitgerissen zu werden.
Hinter ihm kläffte eine Meute Hunde, die immer näher kam. Einer packte sein Hosenbein.
Tante Käthe drehte sich um und trat dem Tier in die Schnauze. Der Hund jaulte und überschlug sich mehrmals, als er auf dem Asphalt landete. Die anderen, dicht hinter ihm, liefen genau in das Fellbündel hinein und verwandelten sich in ein großes Knäuel.
Der Wagen war nicht mehr zu stoppen – und auch nicht mehr zu lenken.
Er raste auf die Schranke des Pförtnerhäuschens zu. Dahinter gab es nur noch das gusseiserne, zweiflügelige Tor, das sich langsam schloss.
Immer wieder flogen Tante Käthe Betäubungspfeile um die Ohren. Aber keiner traf.
Der Pförtner stellte sich breiteinig vor die rot-weiße Holzstange und verschoss seinen Pfeil. Er lud sofort nach, war aber nicht schnell genug und wirbelte zur Seite, als der Spion mit seinem Gefährt die Schranke zerriss.
Tante Käthe musste seine Perücke festhalten, als ihm auch noch Holzsplitter ins Gesicht flogen. Die Haltestange war leicht verbogen und die Schranke hatte ihm kaum Fahrt genommen. Zum Glück, denn das Tor hatte sich fast geschlossen.
Plötzlich verspürte er einen stechenden Schmerz in seiner linken Pohälfte.
Als er sich umdrehte, sah er den Pförtner, wie er den angewinkelten Arm mit der zur Faust geballten Hand nach unten riss und „Yes“ schrie.
Der Agent zog sich den Pfeil aus dem Gesäß und warf ihn weg. Er sah alles durch einen Tunnelblick.
Die Torflügel klemmten den Hausmeisterwagen in der Mitte ein. Funken flogen davon, als das Metall an den Aufbauten vorbeischrammte.
Der Wagen flog regelrecht auf die Straße vor dem Anwesen. Die Vorderachse brach, das Gefährt begann zu schlingern und sich um sich selbst zu drehen.
Tante Käthe wurde schlecht, ihn verließ die Kraft. Als der Wagen am Bordstein auf der anderen Seite ruckartig zum Stehen kam, fiel der Spion bewegungslos ins Gras. Er merkte nicht mehr, dass die Wachmänner versuchten, das Tor zu öffnen. Aber die Automatik war durch die Kollision so beschädigt worden, dass das Tor nicht mehr zu öffnen war.
Ein Lieferwagen hielt neben Tante Käthe und er wurde ins Innere gezogen. Dann raste er davon.

Als der Spion im Transporter aufwachte, saß sein Kollege neben ihm und las die geheime Akte.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit diesen Songs Geld machen kann. So ein Schwachsinn.“ Er las vor: „You`re my heart, you`re my soul; You can win if you want, Brother Louie, Cheri cheri Lady und Geronimo`s Cadillac. Wer will sowas schon hören?“
„Hey Thomas, lass uns die Lieder einfach behalten und selber Musik machen.“
„Dieter, ich schätze, dass Big Ralf was dagegen haben könnte. Außerdem kann ich nicht singen und du hast kein Taktgefühl!“

Letzte Aktualisierung: 15.02.2010 - 18.19 Uhr
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