Der himmelblaue Schmengeling
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Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
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Tante Käthe | Februar 2010
Schabernack
von Marika Bergmann

Der Schweinekopf in Auslage des Metzgers grinste mich an. Tante Käthe zeigte auf die Sülze und ihr Mund schob sich rund nach vorn.
»Albert, die Schweinesülze ist doch mit frischem Hirn?! Und von den Schälrippen hätte ich gern auch ein gutes Kilo, aber nicht so mager wie beim letzten Mal.«
»Ich seh’ mal hinten nach – da find ich schon das passende, Käthe.«
Ich schnitt der Sau gerade meine neu gelernte Grimasse. Tante Käthe sah mich an, ich tat so als ob ich es nicht merkte.
»Was sollen wir denn für dich mitnehmen?«
Ich zog die Schultern hoch.
»Der Klausi muss was auf die Rippen kriegen, Albert. Wie wär’s mit einem schönen Stück Schabernack!«
Schabernack? Hatte ich richtig gehört? Was war das? Unauffällig sah ich zu meiner Tante hoch. Sie winkte den Metzger heran und tuschelte mit ihm. Albert lachte lauthals und sprach über die Theke zu mir.
»Junge, es ist nicht einfach, so einen Schabernack zu bezwingen, das glaub mir mal!«
Dabei wedelte er mit einer fingerdicken Scheibe Wurst vor meiner Nase herum. Ich verschränkte die Arme. Tante Käthe nahm die Wurstscheibe und schob sie sich selbst in den Mund.
»Ausgezeichnet wie immer, Albert«, sagte sie noch kauend.
Tante Käthe gab mir einen Tragegriff ihrer Tasche in die Hand und zog mich an dem anderen hinaus, während sie Albert noch einmal versicherte, dass er das beste Fleisch und die beste Wurst im Umkreis habe.
Wie ein Schabernack wohl aussah? Ob Beine und Kopf noch dran waren?
»Wir nehmen wieder die Abkürzung, Klausi!«
Wenn Tante Käthe mich Klausi nannte, kam ich mir richtig klein vor. Manchmal purzelte das Paket in der Tasche auf meine Seite, schob sich in die Ecke und wurde schwer.
Ich trat gegen das Gartentor. Tante Käthe zwängte sich vor mir hindurch und schubste mit Hüfte die Haustür auf. Meine Tante sagte immer, dass es bei ihr nichts zu holen gäbe. Ihr Haus war nie verschlossen.

Während sie drinnen auspackte, drückte ich mich im Garten zwischen hohem Gras und Tante‘s Schrottarmee herum. Es waren jetzt fünf Figuren, die sie selbst gebaut hatte. Manchmal half ich ihr im Schuppen beim Löten und Zusammenschweißen ihrer blechernen Fundstücke.
Ich wollte nichts essen. Und Schabernack schon garnicht! Ich setzte mich auf eine alte Palette und langweilte mich. Tante Käthe brachte mir ein Glas Saft. Ich wollte auch keinen Saft und goss ihn vor ihren Augen langsam in die Wiese. Sie stand da und schwieg. Ich brauchte meine Tante nicht. Sie hatte sich mit Albert verbündet und sich lustig über mich gemacht. Das würde ich ihr heimzahlen. Die mit ihrem Schabernack! So einen Schabernack gibt es ja gar nicht! Ich hasste alle Erwachsenen. Ich hasste meine Eltern, weil sie mich für die Ferien einfach hierher gebracht hatten. Nicht einmal gefragt wurde ich und überhaupt ...
»Hey!«
Tante Käthe fuhr mit ihrer Faust auf meinen Bauch zu und bremste kurz vorher ab.
Es war unser kleines Spiel. Ich wäre dann mit einem Stöhnen wie ein getroffener Boxer zusammengesackt. Heute nicht. Ich blieb aufrecht sitzen. Ich war wütend.
»Gut Klaus – dann nicht!«
Sie ging. Ich hörte sie aus dem Haus heraus mit dem Töpfen klappern. Metall schlug in kurzen Abständen aufeinander. Hiebe, in immer schneller werdender Abfolge! Ich suchte mir einen Stock. Mein Schwert! Dann griff ich an.
»Wusch, Kling!«
Es schepperte im Takt: Kling! Wusch! Klong, Kling! Wusch! Es klang wie ein Gegenschlag aus der Küche.
»Wusch! Wusch, Klong! Zack – getroffen! Los, ergebt euch ... ihr seid umzingelt!«
Mein Schwert glitt an der rostigen Kante der Blechtonne entlang, vorbei am Arm des Gestells einer Schreibtischlampe. Es war mal meine gewesen und jetzt der Arm des Feindes. Meine Truppe lauerte in Deckung hinter den Büschen. Ich gab ihnen Zeichen, sich langsam der feindlichen Stellung zu nähern und wollte gerade ...
»Klaus! Komm bitte rein. Das Essen ist fertig!«
Mitten im Endkampf wurde ich zum Essen gerufen! Mit verschränkten Armen saß ich wenig später am Tisch. Merkwürdig – die Teller waren mit großen Suppenschüsseln abgedeckt. Was hatte Tante Käthe nur darunter versteckt? Sie lief suchend in der Küche umher und mein fragender Blick schien an ihr abzuprallen. Es roch gar nicht nach Essen.
»Ich hole eben was aus dem Keller. Warte bitte, bis ich zurück bin! Nicht nachsehen – versprich mir ‘s! Es gibt heute etwas ganz Besonderes. Man bekommt das nur ein einziges Mal und es hält bis ans Lebensende.«
Ich gab Tante Käthe mein Wort – natürlich mit gekreuzten Fingern auf dem Rücken. Was hatte sie da gesagt von: ,ein Leben lang halten‘? Was verbarg sich unter den Suppenschüsseln? Tante Käthe war außer Sicht. Meine Hand berührte den Porzelanrand. Vorsichtig hob ich ihn an. Da hörte ich Schritte. Die Tante kam zurück! Als ich meine Fingerspitze unter dem Schüsselrand wegzog, fiel die Suppenschüssel zurück auf den Teller.
»Klaus! Hab ich es mir doch gedacht!«
Ich tat gelangweilt, nahm die Arme nach oben, räkelte mich und gähnte. Tante Käthe setzte sich.
»Na, komm, dann schau jetzt!«
Ich hob die Schüssel mit beiden Händen an und duckte mich, um drunter zu sehen. Nichts! Nur ein blanker Teller! Tante Käthe drehte ihre Schüsselhaube um. Auch ihr Essteller war leer. Sie begann aus der Schüssel zu schlürfen, sah mich an und zwinkerte mir mit einem Kopfnicken zu. Ich streckte mich über den Tisch. Da war nichts in ihrer Suppenschüssel! Das sah meiner Tante ähnlich. Sie hatte sich wieder ein Spiel ausgedacht. Sie schmatzte und tat so, als ob sie genüsslich etwas hinunterschlucken würde.
»Keinen Hunger, Klauschi? – Komm, nun isch! Die Schuppe wird kalt!«
Tante Käthe sprach mit vollem Mund! Nun musste ich lachen und pustete, was das Zeug hielt, in meine Suppenschüssel. Ich schlürfte so laut wie noch nie in meinem Leben. Zuhause hätte ich es nie gewagt, mich so zu benehmen. Tante Käthe zog den Brattopf heran und schob den Deckel ein wenig zur Seite. Sie begann mit einer großen Fleischgabel im offenen Spalt herumzustochern. Die Gabel schien das Ziel immer zu verfehlen. Ich machte einen langen Hals.
»Der ist nicht klein zu kriegen!«
Sie stach erneut zu. Der Topf wackelte hin und her. Mit weit geöffnetem Mund saß ich da. Was war nur darin? Als ich hineinlinsen wollte, rutschte der Deckel mit einem Satz zurück und verschloss den Topf.
»Los ... Klaus! Hilf mir mal! Gib mir das große Messer aus der Küchenschublade! Den Schabernack kriegen wir schon klein!«
Ich wusste nicht mehr, was ich glauben sollte. Es war ein Schabernack im Topf gefangen? Der Schabernack, den ich den ganzen Weg nach Hause in Tante Käthes Tasche getragen hatte und dem Albert wohl nur kurz eins mit dem Holzhammer übergebraten hatte? Als ich mit einem großen Küchenmesser und weichen Knien neben Tante Käthe stand, hob sie den Deckel an. Da sprang mir der Schabernack mitten ins Gesicht.

Ich bin ihn bis heute nicht mehr losgeworden – den Schabernack von Tante Käthe. Er hängt mir im Nacken oder rutscht mir vergnüglich jauchzend den Buckel runter. Meistens jedoch ... sitzt er kichernd auf meiner Schulter und setzt mir Flausen in den Kopf.

Letzte Aktualisierung: 23.02.2010 - 15.53 Uhr
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