Das alte Buch Mamsell
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Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
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Tante Käthe | Februar 2010
Der Besuch
von Angela Schlenker

„Heute Abend ist Tante Käthe da, Tante Käthe ist heute Abend da, heute Abend ist sie da!“

Zugegeben, dies ist ein blöder Song und eigentlich heißt es auch „Vetter Michel“, doch Tante Käthe schadet der Melodie keineswegs.
Es geht also darum, zu ermitteln, wer heute Abend in der Tür stehen wird.
Zuvörderst muss gar die Frage geklärt werden, ob es sich dann um Männlein oder Weiblein handelt. Erstaunlicherweise könnte nämlich auch ein gestandenes Mannsbild in Trainingsanzug und Fußballstiefeln seinen Besuch antreten wollen. Das ist sehr wichtig zu wissen, davon hängt es ab, ob man Bier oder süßen Likör auftischt, herzhafte Schnittchen oder etwa Kekse und Kuchen reicht.
Tante Käthe könnte aber auch eine Puppe mitbringen, eventuell sogar eine Fußballerpuppe, damit erschiene sie gleich zweimal. In dem Fall ergäbe sich neben der Bewirtungsfrage noch ein Zeitproblem. Da jedoch der Name mit seinem Träger nicht ausstirbt, lassen wir diese zusätzliche Verwicklung einmal außer Acht. Schließlich ist selbst der Herr von Ribbeck auf Ribbeck heutzutage wieder im Havelland in Sachen Birnen unterwegs.
Möglich wäre es ferner, eine Künstlerin träte ein. Sie brächte keine Puppe mit, sondern Radierungen oder Zeichnungen und zöge es vor, über Kunst und soziale Fragen zu diskutieren. Bei solch ernsten Themen wäre es unter Umständen besser, Tee oder Kaffee zu servieren, weil nach Alkoholgenuss im Verlaufe des Abends die Stimmung sonst zu ausgelassen würde.
Die Künstlerin könnte sich natürlich genauso gut als Schauspielerin entpuppen. Vielleicht möchte sie ihre Stiftung zur Unterstützung bedürftiger Künstler bekannt machen, oder doch lieber über Brecht reden, oder über Shakespeare? Schauspielerinnen aber wollen in jedem Fall auf ihre schlanke Linie achten, da wäre ein Glas Wein angebracht und kein Kuchen.
Reiste der Besuch jedoch aus Heilbronn an, brächte er unter Umständen Liebeskummer mit sich und beachtliche Mengen süßen Likörs wären erforderlich, es sei denn, die Sache wäre schon zu ihrem guten Ende gekommen, dann hieße es, mit Sekt anzustoßen.
Darüber hinaus ist es nötig, die Frage aufzuwerfen, ob eventuell eine Katharina sich im Anmarsch befindet, da Käthe nur die Kurzform dieses Namens ist. Katharina heißt „die Reine“, indes wollen wir doch hoffen, dass unser Besuch sauber ist. Mit Katharina und seinen internationalen Formen freilich ufern die Möglichkeiten geradezu aus.
Vielleicht stehen drei Gespenster vor der Tür, zwei mit und eins ohne Kopf. (Oh, Heinrich Nummer acht, mir graut vor dir!). Wahrscheinlich aber verweigert die erste, rechtmäßige Katharina ihren nicht anerkannten Nachfolgerinnen die Begleitung. Es blieben somit weiterhin zwei Geister übrig, einer noch immer ohne Kopf. Vom Grauen abgesehen, ergäbe sich damit eine Bewirtungsfrage ganz anderer Dimension, was soll man mit einem Gast ohne Kopf anfangen?
Katharina die Große wird nicht erscheinen, hieß sie ursprünglich doch Sophie. Ebenso wenig wird uns eine heilige Katharina beehren, da niemand weiß, ob es sie je gab.
Käme dagegen Katharina von Medici, müssten umgekehrt während des gemeinsamen Schmauses zumindest die Protestanten unter uns Vorsicht walten lassen, sagt man ihr doch die Neigung zu Giftmorden nach. Glücklicherweise haben wir wenigstens noch nicht August und heiraten wollen wir doch auch nicht, oder?
Möglicherweise wird es jedoch mit Katharina Knie etwas weniger dramatisch, allerdings benötigten wir in diesem Fall noch Heu für die Pferde und das Eselchen.
Die letztere Möglichkeit, die an den Zirkus gemahnt, könnte die Überlegungen überdies auch auf den Eiskunstlauf lenken, denn es wäre genauso denkbar eine Eisprinzessin begehrte Einlass. Was hält uns dann davon ab, ihr Katharinchen zu servieren?
Die Katharinchen können wir natürlich in jedem Fall schon backen und die Wohnung mit Flammenden Käthchen schmücken.
Nun ist es soweit, heute Abend ist da.
Aber nein, es wird überhaupt kein Besuch erscheinen. Völlig unmöglich! Wir sind vollkommen allein hier an Südgeorgiens Küste. Obgleich Sommer, heulen draußen die Roaring Forties durch die verlassene Ortschaft und von See treiben die Schneeflocken nahezu waagerecht gegen das kleine Fenster. Das Versorgungsschiff ist längst abgedampft und hat neben allerhand Lebensmitteln genau ein einziges Flammendes Käthchen gebracht. Eben dieses gab den Anlass für unser Spielchen, die Zeit totzuschlagen, bis sich die Außenwelt wieder betretbar zeigen würde.
Auf einmal klopft es. Wir fahren aus unserer Beschaulichkeit hoch. Wer kann das sein? Tante Käthe, etwa?! Oder doch nur der Sturm? Man wird es nur erfahren, öffnete man die Tür.
Und wer steht draußen? – Ein Königspinguin!
An Fisch zum Gastmahl hat nun wirklich niemand gedacht.



Die Käthe-Verkörperungen in der Reihenfolge ihres möglichen Auftretens:
Rudi Völler
Käthe Kruse
Käthe Kollwitz
Käthe Dorsch, Käthe Reichel, Käthe Gold
Käthchen von Heilbronn (Kleist)
Katharina von Aragon, Catherine Howard, Catherine Parr
Katharina die Große
Heilige Katharina
Katharina von Medici
Katharina Knie (Zuckmayer)
Katharina Witt
Gebäck
Kalanchoe

Letzte Aktualisierung: 02.02.2010 - 15.59 Uhr
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