Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
Es ist 8.00 h, mein Wecker klingelt. Noch mit zugeklebten Augen schlage ich die Bettdecke zurück und stelle mühsam einen Fuß nach dem anderen auf den Boden. Auf dem Weg in die Küche öffne ich langsam meine Augen und sehe, es wird ein schöner Tag, die Sonne scheint schon durchs Fenster.
Die Kaffeemaschine läuft und ich beginne mich frisch zu machen. Nachdem die Tageslichttauglichkeit auch mich umschmeichelt, setze ich mich mit der Zeitung und eine Tasse frischen Kaffees an den Küchentisch.
Das Läuten des Telefons reißt mich aus dem aktuellen Leitartikel der Zeitung. Ich gehe in den Flur und nehme den Hörer ab. Am anderen Ende sagt eine freundliche ruhige Stimme, dass sie vom Seniorenstift ist und ihr Name Schwester Helga sei.
Sie teilt mir mit, dass mein Vater, als letzter in der Verwandtschaft, im Alter von 85 Jahren verstorben ist und bekundet im direktem Anschluss ihr Beileid.
Geschockt durch diese plötzliche Nachricht, lasse ich den Hörer auf die Gabel fallen und ringe erst einmal nach Luft. Als ich wieder zu mir gefunden habe, gehe ich langsam zurück in die Küche.
Ich erinnere mich an den Tod meiner Mutter vor 5 Jahren, wie es Vater mitgenommen hatte und er abbaute. Er litt an gebrochenem Herzen und saß fast nur noch am Fenster, wo er vermutlich seiner geliebten Frau nachtrauerte. Er sprach seitdem kein Wort mehr.
Einige Tage später, fahre ich mit gemischten Gefühlen ins Seniorenstift, um die Sachen meines Vaters zusammenzupacken und letzte Entscheidungen zu treffen bezüglich seiner Bestattung.
Nachdem ich liebevoll seine Habseligkeiten in Zeitungspapier eingewickelt und verstaut habe, lasse ich mich auf seinem Bett nieder. Ein letztes Mal sehe ich mich in seinem Zimmer um. Gedankenversunken schwelge ich in alten Erinnerungen, wobei mir die Tränen laufen und auf die Keramikeule tropfen, welche ich ihm einst zum Geburtstag geschenkt hatte.
Nun war ich allein. Niemand mehr, an den ich mich mit meinen Sorgen und Gedanken wenden könnte. Auch kein Partner an meiner Seite, der mir durch diese traurige Zeit helfen würde. Ich fühle mich unendlich einsam und verlassen.
Am Mittwoch, den 15.07. um 10.00 h findet die Beerdigung statt. Außer dem Pfarrer und mir, ist niemand anwesend. Und so lausche ich seinen Worten, bis ich plötzlich durch das Knarren der Kirchentüren aufschrecke.
Eine zierliche alte Frau tritt in die kühle Kapelle und setzt sich in die hintere Bankreihe. Sie trägt ein schwarzes Kleid und einen dazu passenden Hut.
Nach der Beerdigung kommt sie zu mir und bekundet ihr Beileid. Sie stellt sich als Käthe vor.
Im weiteren Verlauf des Gespräches, stellt sich heraus, dass sie die Halbschwester meines Vaters ist, welche in den letzten Tagen des Krieges verloren gegangen war. Jahrelang hatte man sie über das Rote Kreuz suchen lassen. Eine abenteuerliche Geschichte erfuhr ich, von Vertreibung, Krieg und Bombennächten. Durch den Aushang am Friedhof trifft Tante Käthe die Tochter ihres Bruders wieder. All die Jahre war sie trauernd überzeugt gewesen, dass der Bruder auf der Flucht mit den Eltern gestorben war. Diesen Verlust, kurz nach einem Granatunfall, bei dem sie ihre Eltern verloren hatte, konnte sie nie überwinden und hatte sich immer einsam gefühlt.
Verblüfft und unendlich traurig mustere ich sie.
Das ist also Käthe, meine Tante Käthe ... wir gehen in ein nahegelegenes Cafè und unterhalten uns stundenlang ... eine neue Familie.
Letzte Aktualisierung: 24.02.2010 - 21.40 Uhr Dieser Text enthält 3423 Zeichen.