Honigfalter
Honigfalter
Liebesgeschichten ohne Kitsch? Geht das?
Ja - und wie. Lesen Sie unsere Geschichten-
Sammlung "Honigfalter", das meistverkaufte Buch im Schreiblust-Verlag.
mehr ... ] [ Verlagsprogramm ]
 SIE SIND HIER:   HOME » MITMACH-PROJEKT » SCHREIBAUFGABE » Susanne Ruitenberg IMPRESSUM
NEWSLETTER
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Jetzt anmelden! ]

UNSERE TOP-SEITEN
1.) Literatur-News-Ticker
2.) Leselust
3.) Forum
4.) Mitmach-Projekt
5.) Schreib-Lust-News 6.) Ausschreibungen 7.) Wettbewerbs-Tipps
Agnumamad | März 2010
Er kommt!
von Susanne Ruitenberg

Gerade, als er sich eingeseift hatte, versiegte der Wasserstrahl. Captain O‘Leary fluchte und hämmerte auf den primitiven Duschkopf. Nichts.
„Meier!“, brüllte er. Wo trieb sich dieser nichtsnutzige Fähnrich herum, anstatt parat zu stehen?
Zaghaftes Klopfen an der Barackentür. „Captain?“
„Sieh nach, warum ich kein Wasser habe. Aber presto.“
„Aye aye, Sir.“
Nach gefühlten drei Stunden tröpfelte es. Eiskalt. O‘Leary hielt den Kopf darunter, sobald das Rinnsal eine vage Ähnlichkeit mit einem Wasserstrahl hatte, um wenigstens die Seife aus den Augen zu bekommen. Wärmer wurde es nicht. Er sah zu, dass er aus dem winzigen Verschlag kam und streifte sich die Uniform über, ehe er zu einem Eiszapfen gefrieren konnte.
Meier klopfte und trat gleichzeitig ein. „Hat es funktioniert?“
„Wenn man davon absieht, dass sich offenbar jemand einbildet, ich wäre ein gekochtes Ei, das abgeschreckt werden muss.“
Meiers Gesichtsausdruck zeigte die Intelligenz eines Karpfens am Angelhaken.
„Äh, ... die Zuleitung ist aus dem Tank gerutscht.“
„Und wo sind die verdammten Wilden, die darauf aufpassen sollen? Besteht dieser Planet denn nur aus Idioten?“ O’Leary unterdrückte mühsam den Impuls, einen Stuhl aus dem Fenster zu werfen. Drei Jahre hielten sie nun dieses Basiscamp auf Xe‘Olos, versuchten den Humanoiden, die sie vorgefunden hatten, ein Minimum an Zivilisation beizubringen, bis die Siedler eintrafen. Aber diesen Primitivlingen, die mit ihren farblosen Haaren und schneeweißer Haut aussahen wie dürre Teenager, die man tagelang in Chlorbleiche eingelegt hat, war einfach keine Disziplin und Arbeitsmoral einzubläuen. Ebenso gut könnte man von einer Schimpansenherde verlangen, ein Raumschiff zu reparieren. Ein Jahr noch, rief er sich ins Gedächtnis. Ein Jahr, bis die großen Frachter mit dem Material und den vielen willigen Händen eintreffen würden, und sie die Holzbaracken durch richtige Häuser ersetzen könnten.
Er sah Meier an. „Wo sie sind, habe ich gefragt.“
„Weg.“
„Wie, weg?“
„Es war vor einer halben Stunde. Da kam einer aus dem Dorf hinter dem Hügel. Zumindest glaube ich, dass er von da kam. Er hatte blaue Federn am Hals, und die trägt man da.“ Er kratzte sich am Kopf.
O‘Learys Finger sehnten sich danach, Meier zu packen und durchzuschütteln. Frühere Experimente dieser Art hatten ihn jedoch gelehrt, dass dieser geistig minderbemittelte Fähnrich den Faden verlieren und gar keinen Bericht mehr zustande bringen würde. Er nickte stattdessen. „Und dann?“
„Dann sind sie alle in Geschrei ausgebrochen. ‚Agnumamad dong, Agnumamad dong‘, haben sie gerufen.“
„‚Dong‘ heißt ‚kommen‘ oder ‚kommt‘. Aber was ist ein Agnumamad?“, murmelte O‘Leary.
Sergeant Higashi stürmte zur Tür herein. „Captain, wir haben eine Situation. Die Xeoloser sind verschwunden. Sie haben einfach alles stehen und liegen gelassen und sind abmarschiert. Ich habe ein paar Männer abkommandiert, wenigstens die entlaufenen Ziegen wieder einzufangen.“
O‘Leary hieb mit der Faust auf den Tisch. „Stellen Sie einen Suchtrupp zusammen und machen sie vier Fahrzeuge bereit. Aber teilen Sie Wachen ein. Nicht, dass es eine Finte ist und die Bleichgesichter hier alles ausräumen in der Zwischenzeit. Wir müssen der Sache nachgehen.“
Higashi salutierte. „Aye, Sir.“

„Agnumamad, Agnumamad“, hörten sie schon von Weitem, als sie das Dorf ansteuerten. O‘Leary gab ein Handzeichen. Sie parkten die Wagen und stiegen aus. Keiner beachtete sie, als sie sich der Versammlung näherten. Alle hatten nur Augen für einen Mann, der auf einem Felsbrocken stand und zu ihnen sprach. Dabei sah er gar nicht wie ein Anführer aus. Er trug einen schmutzigen Kittel und besaß nicht einmal die geflochtenen Grasschuhe, mit denen die Wilden sonst herumliefen. Sein Haar war lang. Lang und zottelig. O‘Leary schaltete den Übersetzungscomputer an und steckte die Stöpsel in die Ohren. Er erstarrte. ‚Alles aufgeben und nachfolgen’, hörte er, und ‚Fasten und Beten’. Von Armut war die Rede und von der Taufe. Genau so ein Gefasel wie auf der Blauen, als vor zehn Jahren die Großen Kriege ausgebrochen waren. Weil jede Gruppe darauf beharrt hatte, den einzig wahren Glauben zu besitzen und die Wahrheit gepachtet zu haben. Die letzten Überlebenden der Menschheit hatten ihre Existenz nur der Tatsache zu verdanken, dass sie auf Luna lebten. Nie mehr eine Religion, egal welche, hatten sie geschworen, als sie, geschützt von den Glaskuppeln, den monatelang andauernden Gefechten zusehen mussten, ohne eingreifen zu können. Weil Luna sie ohne Erde nicht ernähren konnte, war ihnen nichts anderes übrig geblieben, als in den Weiten des Weltalls eine neue Heimat zu suchen. Was nur deshalb gelang, weil sie Zugriff auf die Raumflotte hatten. Und diese ganzen Mühen sollten umsonst gewesen sein, alles würde sich hier wiederholen?
„Hören Sie, was ich höre?“, fragte Officer Dupont, der neben ihm stand. Sein Gesicht zeigte das gleiche Entsetzen, das O’Leary fühlte.
„Ja.“
„Was tun wir dagegen?“
„Das einzig Richtige“, antwortete O‘Leary. Er zog seine Waffe, stellte sie auf „töten“, zielte, und schoss dem Zotteligen eine Ladung Strom in den Körper. Dessen Augen weiteten sich. Er fasste sich an die Brust, begann zu wanken, sah mit durchdringendem Blick direkt in O‘Learys Gesicht. „Es ist vollbracht“, hörte dieser aus seinen Ohrstöpseln, bevor der Aufwiegler vom Felsen kippte.

Letzte Aktualisierung: 22.03.2010 - 16.09 Uhr
Dieser Text enthält 5504 Zeichen.

Druckversion

 LINKTIPPS: Naturwaren Diese Website wird unterstützt von:

www.mswaltrop.de
Copyright © 2006 - 2024 by Schreiblust-Verlag - Alle Rechte vorbehalten.