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Ein Held | April 2010
Spinnen sind doch nützlich
von Anne Zeisig

Hajo stellte den Kinderwagen mit dem Baby in den Schatten eines Fliederbaumes und spannte ein Mückennetz über das geschlossene Verdeck. Er setzte sich auf die Bank und sah hinüber zum Sandkasten. Dort spielte sein Fünfjähriger mit Förmchen, Eimer und Schaufel. Trotz des guten Wetters war der Spielplatz nicht gut besucht. Aber sein Freund Dennis war mit seiner Tochter Annika hier. Die Kleine kurvte mit dem Bobby-Car im Sand umher.
„Brumm-brumm-brumm.”
Hajos Sohn Lukas hielt seine Hand mit einem Sandhäufchen hoch und rief: „Papa! Kuchen!"
„Ja”, antwortete der Vater, „lecker Sandkuchen!"
„Papa! Guck ma! Formel-Eins-Rennen. Brumm-brumm!"
„Jau! Gib Gas, mein Mädchen!”
Hajo griff in die Kinderwagentasche, zog ein Päckchen Zigaretten und ein Feuerzeug hervor.
Er hielt seinem Freund die Packung hin. „Auch eine?”
Dennis schüttelte den Kopf: „Vor den Kindern?”
Hajo legte die Raucherutensilien zurück in die Tasche. „Dann muss die Sucht warten, bis die Racker im Bett sind.”
Dennis stöhnte: „Vorbild sein ist anstrengend. Wenn es nach Verena ginge, müsste ich mit der Qualmerei aufhören.”
„Hm.” Hajo nahm einen Schluck aus der Wasserflasche. "Rauchen ist ja auch ungesund.”
Dennis hustete: "Ich muss zum Rauchen raus auf die Terrasse. Angenehm ist das nicht, wenn du dir im Winter einen abfrierst.”
Sein Freund blinzelte in die Sonne. „Gut, dass es wärmer geworden ist.”
„Jau. Nach dem langen Winter.” Dennis schob sich die Ärmel seines Pullovers hoch.
„ Papa, brumm-brumm-brumm!"
„ Papa! Annika hat meinen Sandkuchen überfahren!" Lukas weinte. "Die ist so blöd-blöd-blöd.”
Hajo stapfte durch den Sand, um seinen Sohn zu trösten.
„Sie fährt noch nicht so lange damit. Back doch einen neuen Kuchen.”
„Brumm-brumm-brumm.”
Plötzlich schrie Dennis gellend auf, flüchtete zur Rutsche und zeigte zum Kinderwagen: „Ein Mückenschwarm! Blutrünstige Viecher!" Er zog sich die Ärmel hinunter bis über die Finger.
Hajo eilte zum Kinderwagen und schaute nach. Aber Mücken konnte er nicht entdecken. Es roch nach ...
„Setz dich wieder. Die Kleene hat sich eingesoßt. Das hat die Viecher vertrieben.”
Hajo verzog den Mund und wickelte den Säugling.
Dennis inspizierte vorsichtig die Umgebung und setzte sich: „Was ist nur aus mir geworden.”
„Mach doch kein Drama draus.” Hajo zog seinem Kind den Strampelanzug an. „Viele Leute haben eine Insektenphobie.”
"Ich habe eine Allergie und keine Phobie. Das ist ein Unterschied.”
Hajo legte das Baby in den Wagen und nahm einen Schluck aus der Wasserflasche. „Aha. Ist doch egal.” Er befestigte das Mückennetz.
"Nein! Das ist nicht egal. Bei einer Phobie bin ich ein Weichei und eine Allergie ist krankhaft.”
Hajo nickte: „Ich kenne das von Laura. Die schreit das Haus zusammen, wenn sie auch nur an Insekten denkt.”
„Dann hat sie eine Phobie.” Dennis untersuchte seine Arme sorgfältig nach Einstichstellen.
Hajo grinste und beobachtete Bienen, die sich emsig in den Blütenkelchen des Flieders tummelten.
Dennis nestelte an Hajos Kinderwagentasche und fischte die Raucherutensilien heraus. Er warf seinen Kopf in den Nacken: „Ich muss ja nicht immer Vorbild sein.” Er zündete sich eine Zigarette an und sog tief und lang den Rauch ein. „Früher waren Männer noch Helden.”
Hajo schlug seinem Freund kollegial auf die Schulter: „Sei froh, dass du deine Familie nicht heldenhaft vor wilden Tieren beschützen musst.” Er sah wieder hinauf zu den Bienen.

. . .

„Warum schrei-schreist du?”, fragte Lukas die kleine Rennfahrerin.
„Da”, kreischte Annika. „Biene auf dem Lenker!"
Der Fünfjährige pirschte sich vorsichtig heran. „Sei still”, zischte er, „ich erlege das Unge-Ungeheuer.” Er nahm langsam seinen Spaten und zielte. „Pschhh! Mein Laserschwert killt das Unge-Ungetüm." Dann nahm er eine Schaufel Sand und wirbelte ihn in alle Richtungen. Die Biene war längst fort geflogen. Trotzdem warf sich der Kleine todesmutig über das Plastikauto und schlug mehrmals mit seinen Fäusten auf das Lenkrad. Schließlich erhob er sich und reckte stolz seine Kinderbrust heraus: „Die habe ich eli-eli-meliert.” Hajos Sohn strahlte und strich über seinen Spaten.
Annika wischte sich die Tränen von den Wangen und schlich langsam zu ihrem Fahrzeug. Tatsächlich! Die Biene war weg. Sie umarmte ihren Freund: „Wie der Held aus der Sesamstraße.”
„Pah! Se-Se-Sesamstraße. Ich bin ein Lego Bionicle.” Er befreite sich flink aus der Umarmung. „Helden schmu-schmusen nicht," sagt er und lief zur Rutsche.

. . .

„Hajo? Hörst du mir überhaupt zu?” Dennis ließ die Kippe auf den Boden fallen und zertrat sie.
„Hm.”
„Ich habe gesagt, dass unsereiner ab und zu Adrenalinstöße benötigt. Das ist so im männlichen Stammhirn einprogrammiert.”
Hajo lachte: „Du meinst die Ur-Gene in der Hypophyse.”
Dennis kratzte sich hinter dem Ohr: ”Nenn es, wie du willst.”
„Hirnanhangdrüse.”
„Mensch!",stöhnte er, "wenn ich an die alten Western- und Indianerfilme denke. Vorm Lagerfeuer gemütlich eine rauchen. Baden im kalten Fluss und Bohnen aus dem Blechnapf. Die Frauen liegen dir zu Füßen, weil du Indianer mit deiner Flinte vertrieben hast.”
Hajo nahm abermals einen Schluck aus seiner Wasserflasche: „Und Whiskey anstelle dieses ekeligen Wassers.” Er schüttelte sich. „Ist inzwischen warm geworden.”
„Du sagst es! Wir sind Warmtrinker. Warmduscher und Warmesser. Verena hat mir sogar eine extra warme Flauschdecke fürs Bett gekauft!”
„Ist doch super. Die Decke kannst du dir beim Rauchen auf der Terrasse über deine Bronchien hängen.”
Dennis winkte ab: „Quatsch. Aber hast du nicht auch ab und zu das Gefühl, wie aufregend es wäre, ein Held zu sein? Oh manno! Für Verena wäre ich der Größte, wenn ich ... "
"Wenn du was?"
Dennis zuckte mit den Schultern: "Weiß ich auch nicht."
Hajo lachte: "Kannst ja jeden Abend die Löwen und Elefanten aus eurem Garten vertreiben! Oder reagierst du auf Großwild auch allergisch?"
"Oh ja! Mach dich nur lustig über mich."
"Wenn ich es recht überlege", Hajo legte eine kleine Pause ein, "dann bin ich für Laura fast jeden Abend sowas wie ein Held." Er schnippte mit den Fingern. "So ein kleiner Held jedenfalls", und zwinkerte mit den Augen, "vorzugsweise, wenn sie ins Bett geht."
"Da machst du dir selbst was vor. Im Schlafzimmer sind wir auch keine Helden mehr!"
Hajo blickte auf seine Armbanduhr: „Ich muss gleich los. Wenn Laura von der Arbeit kommt, will sie was Warmes essen.”
Annika kam angelaufen und setzte sich auf Dennis´ Schoß: „Papa! Im Sandkasten war ein Legosteine-Held, der hat mit `nem Laserschwert ein Ungeheuer gekillt. Und dann war es unsichtbar! Und das Schwert war riesengroß!"
„Die Phantasie hat sie von mir geerbt”, flüsterte Dennis Hajo ins Ohr.
„Mein Held ist nicht geerbt.” Die Kleine zeigte zur Rutsche. „Der Lukas ist der mutige Held!”
„Das hat er von mir”, säuselte Hajo seinem Freund zu, „das sind die Gene.”

. . .

Hajo stieg summend aus der Dusche und begann sich abzutrocknen, als er Lauras Schreien hörte: "Hajo! Komm sofort! Sie ist groß und schwarz! Ekelig!"
Das war sein Kommando!
Er warf sich blitzschnell den Schlafanzug über, nahm die Fliegenklatsche und öffnete die Badezimmertür. Mit schweren Schritten und die Hände in die Hüften gestemmt, schritt er ins Schlafzimmer. Breitbeinig stand Hajo in der Tür und sondierte die Lage.
Laura saß aufrecht im Bett und hielt sich ein Kopfkissen schützend vor den Oberkörper. Ihr Gesicht war rot angelaufen und auf ihrer Stirn stand der eiskalte Schweiß.
„Was stehst du da rum? Tu was!", kreischte sie und zeigte auf die Wand neben dem Bett.
„Immer mit der Ruhe, Schätzchen”, sagte er mit sonorer Stimme, „dein Held und Beschützer hat alles im Griff. Bewege dich nicht! Wir wollen die wilden Biester doch nicht aufschrecken, oder?”
„Aber Hajo! Welche wilden Biester!" Laura hatte ihre Augen weit aufgerissen.
„Ich werde sie killen! Zerstückeln! Zerreißen!” Er machte eine ausladende Armbewegung mit der Fliegenklatsche. "Diese schwarzen langbeinigen Ungeheuer werden elendig krepieren!"
Seine Frau kroch an die Bettkante und zeigte wieder zur Wand: „Ich sehe aber nur eine.”
Hajo machte einen Schritt nach vorne, kniff die Augen zusammen, zielte, holte aus und -
„Nein! Nicht töten!", schrie Laura. Sie sprang auf und entriss ihm die vermeintliche Waffe. „Fass sie vorsichtig an einem Bein und werfe sie aus dem Fenster.”
Sie legte sich wieder hin und zog ihre Decke bis unter das Kinn: „Dass du immer den Macho raushängen lassen musst! Spinnen sind doch nützlich.”

© Anne Zeisig

Letzte Aktualisierung: 19.04.2010 - 12.21 Uhr
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