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Ein Held | April 2010
Kaffeepause
von Daniel Schumann

Heiß und dampfend wurde Annas Kaffee serviert. So mochte sie ihn am liebsten, so konnte sie sich Zeit lassen, für ihren ersten Schluck und dabei die Gedanken schweifen lassen.
Ihre Mittagspause war nicht lang, doch Anna verbrachte ihre Zeit gerne in dem gemütlichen Eckcafé in der Nähe ihres Büros. Durch die großen Fenster beobachtete sie das Treiben auf der Straße, während sie darauf wartete, dass ihr Kaffee eine angenehme Trinktemperatur erreichte. Einmal nicht der Mittelpunkt sein, sondern alles an sich vorbeifließen zu lassen, das genoss sie in diesen kurzen Momenten. Sie wusste, dass sie sich dadurch aus dem sozialen Gefüge in ihrem Büro ausgrenzte, aber sie legte darauf keinen großen Wert.
Als sie ihre Hand vorsichtig an die Tasse führte und entschieden hatte, noch einen kleinen Augenblick zu warten, bis sie den ersten Schluck nehmen würde, schaute sie wieder auf die Straße. Ein kleines Mädchen kam aus einem Geschäft gegenüber und hüpfte fröhlich auf den Zebrastreifen direkt vor ihr zu. Anna ließ sich durch die ungezwungene Fröhlichkeit des Mädchens anstecken und musste lachen. Durch eine rasche Bewegung abgelenkt richtete sie ihren Blick weiter entlang der Straße nach links. Sie sah ein Auto mit überhöhter Geschwindigkeit an einem in zweiter Reihe parkenden Transporter vorbeifahren. Der Fahrer drehte sich um und hob die Faust in Richtung des parkenden Transporters, um seiner Wut freien Lauf zu lassen, raste jedoch weiter in gleich bleibender Geschwindigkeit auf den Zebrastreifen zu. Das Mädchen war sich der herannahenden Gefahr nicht bewusst und hüpfte fröhlich weiter. Anna stockte der Atem, sie sprang auf, stieß heftig an den Tisch und dabei schwappte der heiße Kaffee in großen Wellen auf ihre Hose. Sie erschrak durch den brennenden Schmerz auf ihren Beinen, konnte die Tasse aber noch festhalten, bevor sie vom Tisch fiel. Als sie wieder zur Straße sah, war das Mädchen verschwunden. Das Auto raste weiter und Anna hatte das Gefühl ihr Herz wäre stehen geblieben.

Doch dann sah sie das Mädchen wieder. Ein Mann führte sie vorsichtig zurück auf die Straßenseite, von der sie gekommen war. Er blieb mit ihr vor dem Geschäft stehen, aus dem sie gekommen und sprach freundlich mit ihr. Das Mädchen nickte einmal und kurz darauf ging der Mann fort. Er setzte sich jedoch nur wenige Meter entfernt an der Straßenecke auf eine Decke neben einen Hund. Sie erkannte ihn erst jetzt. Es war der Mann, der fast jeden Tag mit seinem Hund an dieser Ecke saß und bettelte.
Sie richtete ihren Blick auf das junge Mädchen, welches nicht recht zu verstehen schien, was passiert war. Ihre Mutter kam nur wenige Augenblicke später aufgebracht aus dem Geschäft und tastete das Mädchen mit groben Griffen von unten nach oben ab. Der Mann an der Straßenecke, den dies alles nicht mehr zu interessieren schien, erhielt von ihr zum Abschied wütende Blicke.
Anna versuchte ihre Hose von den Kaffeeflecken zu befreien, doch gelang ihr dies nicht recht. In Gedanken tupfte sie immer wieder auf die gleiche Stelle und dachte weiter darüber nach wie eine solche Situation so unbemerkt vorbeiziehen konnte. Ihre Sitznachbarn im Cafe würden sich nur an die spleenige Frau erinnern, die sich mit ihrem heißen Kaffee verbrüht hatte. Die Mutter wird ihrem Mann und jedem, der es hören will, von den verdorbenen Arbeits- und Obdachlosen erzählen, die für den moralischen Verfall der Gesellschaft verantwortlich sind. Und der Autofahrer wird sich sagen, dass es alles halb so schlimm war, eigentlich doch nichts passiert sei.

Anna zahlte ihren Kaffee an der Theke, nahm sich noch einen frischen Kaffee im Becher und belegtes Brötchen mit und überquerte dann die Straße. Sie stellte sich nur wenige Meter entfernt von der Straßenecke auf und beobachtete den Obdachlosen. Er streichelte geistesabwesend seinen Hund und schien dabei in Gedanken weit weg zu sein. Seine Kleidung war nicht dreckig und zerlumpt. Bei einer zufälligen Begegnung an einem anderen Ort hätte sie wohl nicht geahnt, dass ein Obdachloser vor ihr steht.
Sie ging schließlich weiter und setzte sich neben den Mann und seinen Hund. Der Mann drehte sich langsam zu ihr und schaute sie interessiert an. Der Hund streckte neugierig die Nase hervor und Anna ließ ihn an ihrer Hand schnuppern.
„Danke“, sagte sie, als sie den Hund streichelte.
„Was?“, brummte der Mann, schaute sie dabei aber weiter interessiert an.
„Danke, dass sie dem Mädchen geholfen haben.“ Anna schaute ihn an, doch er blickte bereits wieder auf die Straße. „Sie haben ihr wahrscheinlich das Leben gerettet.“
Anna blieb weiter sitzen und kraulte den Hund hinter den Ohren. Der Mann blickte fast traurig.
Sie schaute sich um und versuchte sich vorzustellen, wie es wohl sein mochte den ganzen Tag an der Straße zu sitzen und von dem guten Willen Anderer abhängig zu sein. Sie sah ihren Platz im Café, der mittlerweile wieder besetzt war und merkte, dass sie einen anderen Blick für die Dinge von hier unten bekam. Die Vorbeischreitenden, die Cafégäste und die Autofahrer nahmen kaum Notiz von ihr, sahen sie eher verwundert, teils angewidert an.
Sie wandte sich erneut dem Mann zu. Dieser blickte noch immer in eine Welt, die anscheinend nur er sehen konnte.
„Kinder sind..“ sagte er dann plötzlich, ohne seinen Blick von der Straße abzuwenden. Sie wartete, dass er den Satz vollendete, spürte, dass er noch etwas sagen wollte.
„Spencer mag sie“ sagte er dann nur, holte einen getrockneten Hundesnack aus seiner Tasche hervor und reichte ihn ihr.
Anna nahm den Snack und hielt ihn Spencer hin, der ihn kurz beschnupperte und dann vorsichtig aus ihrer Hand fraß.
„Ich habe auch etwas für sie“, sagte Anna, als Spencer den Snack gefressen hatte und reichte dem Mann den Kaffeebecher und das belegte Brötchen.
Der Mann schaute sie verwundert an und nickte dann. Er stellte den Kaffeebecher neben sich und aß langsam von dem Gebäckstück. Gelegentlich nahm er vorsichtig einen Schluck Kaffee.
„Danke“, sagte er schließlich und lächelte das erste Mal, seit sie bei ihm saß.
„Gerne“, erwiderte Anna, stand auf und streichelte dem Hund zärtlich über die Schnauze. „Und morgen lade ich sie in das Café gegenüber ein, da sitzt man besser und hat die Straße auch im Blick.“ Sie nickte dem Mann fröhlich zu und machte sich wieder auf den Weg in ihr Büro.

Letzte Aktualisierung: 26.04.2010 - 23.11 Uhr
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