Mainhattan Moments
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Susanne Ruitenberg und Julia Breitenöder haben Geschichten geschrieben, die alle etwas mit Frankfurt zu tun haben.
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Chef | Juli 2010
Fluch und Bestimmung
von Bernd Kleber

Wieso hat sie gesagt im Pausenraum?
Soll das die AtmosphÀre entkrampfen?
Diese Personaltante mit ihren neuen empathischen sozialgefĂŒhlsbetonten AnsĂ€tzen.
Ist doch logisch, was da kommt.
Alle wissen, es gibt Entlassungen.
Warum muss ich da nun hin?
Kann doch sagen, ich gehe nicht.
Wer geht dann?
Wie war das heute Morgen? Meine Frau meinte noch, ich solle auch mal mit Sozialkompetenz handeln. Nun soll ich da als Erster ins GesprÀch.
Was mache ich hier eigentlich?
Und dieser Kunkel ausgerechnet. Der hat so eine strenge Art. Der löst bei mir Sohnverhalten aus. Mann, Scheiße, ich will nicht.

Alles in mir schreit nach Flucht.

So einen Job bekomme ich nie wieder.
Ist das jetzt Klammern? Kann ich nicht loslassen?
Aber wir alle wissen doch, wie der Arbeitsmarkt aussieht.
Und mit fĂŒnfzig Jahren hat man doch keine Chancen mehr.
Wer stellt einen fĂŒnfzigjĂ€hrigen noch ein?
Abgeschoben in Hartz.Vier kann man da ja sagen!
Scheiße!

Alles in mir auf Flucht!

Meine Hand hÀlt in der Tasche die Geldbörse fest.
Krampft sich um Leere.
Jeder Schritt tut mir körperlich weh.
Ich werde immer langsamer. Will die Zeit hinauszögern. Nein, Àndern tut das nichts.
Und mich kotzt es an, dass mir TrÀnen in den Augen stehen.
Scheiß Globalisierung!
Was sage ich, wenn es soweit ist?
Danke? Ach na ja? Was soll ich machen?
Sage ich gar nichts?
Was sagt man denn nach sechzehn Jahren Betriebszugehörigkeit?
Der Kunkel hat doch auch Kinder. Sind die schon aus dem Gröbsten raus? Hat der nicht noch so einen NachzĂŒgler?
Meiner ist gerade Sieben geworden! Der ist doch stolz auf mich.
Kann ich dann noch in den Spiegel sehen? Kann ich meinem Kleinen noch in die Augen sehen?
Sozialkompetenz, dass ich nicht lache!
Noch drei Schritte, dann bin ich bei diesem orange getĂŒnchten Pausenraum.
Ich wanke, mir ist schwindelig.

Alles auf Flucht!

Betrete den kalten Raum, sehe mich um, niemand hier.
Auf dem Flur war mir auch niemand begegnet.
Jeder zieht sich in Unscheinbarkeit zurĂŒck. Nur nicht auffallen!
Alle atemlos. Oder halten Luft an.
Scheiß Firmensanierung.

Alles Flucht!

Ich setze mich auf einen orangefarbenen Plastikstuhl und warte.
Die Uhr an der Wand tickt aufdringlich.
Gleich muss er ja kommen.
Um Zwei, haben sie gesagt.
Dann geht es los.
Entlassungswelle ...
... wird es heißen in der Tagesschau. Familien werden im Becken Jobcenter angeschwemmt, werden um ihr Leben schwimmen.
Und spÀter werden sie in Talkshows als dem Staat auf der Tasche liegend bezeichnet.

Alles Fluch!

Die TĂŒr geht langsam auf.
Der Kunkel steckt seinen Kopf herein. Grinst. Reicht mir die Hand. Sieht mir fest in die Augen.
Augenhöhe.
Ich knirsche mit den ZĂ€hnen.
Eine TrÀne rinnt mir, einen Spiegel hinterlassend auf der Haut.
Ich hole Luft.

Fluch!

„Herr Kunkel, Sie ahnen ja sicher, um was es hier geht. Ich muss Ihnen heute leider mitteilen, dass Sie nach Sozialpunkten, die wir sehr genau geprĂŒft haben, naja, Sie werden sich wohl nach etwas Neuem umsehen mĂŒssen. So Mitarbeiter, so gute, wie Sie, finden immer etwas, werden gesucht ... “, höre ich mich lĂŒgen.

Letzte Aktualisierung: 25.07.2010 - 21.31 Uhr
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