Das alte Buch Mamsell
Das alte Buch Mamsell
Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
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Urlaub | August 2010
Guten Morgen
von Nicole Müller

Ich liege in meinem Bett. Tut das gut; einfach schlafen!
Wann kann ich das mal?
JETZT!
Alles um mich herum ist vergessen und das Land der Träume eröffnet sich mir –
Ich faulenze auf einer bequemen Liege am Strand. Die warme, salzhaltige Luft macht mich sehr durstig, daher nehme ich mein Getränk vom freundlichen Service entgegen.. Hinter mir befindet sich das Fünf- Sterne- Hotel; meine beste Wahl. Von hier aus habe ich einen wundervollen Meeresblick, die Sonne lacht, der Himmel erstrahlt mit ihr im wolkenlosen Blau …
Einfach herrlich!
Aus der Ferne vernehme ich quälendes Kindergeschrei. Ich bin mir sicher, dass es meine nicht sein können –
So sehr ich meine Kinder auch liebe, aber wenn ich Urlaub mache, dann richtig!
Daher ignoriere ich es und beobachte weiter meine Umgebung:
Ich höre die ruhigen Wellen rauschen, ein sanfter Windzug streichelt meine wohlgebräunte Haut, sehe über mir die Möwen gleiten –

Leider wird das Kindergeschrei lauter. Meine dreijährige Tochter zieht mir ruckartig die Bettdecke weg.
Wie lange habe ich geschlafen? Ganze zwei Stunden! Das konnte nur ein Glückstag werden: Seit dem vor Ewigkeiten begonnen Zahnwuchs meiner Jüngsten, war mir so viel Schlaf an einem Stück nicht möglich.
In die Realität zurück gezwungen, registriere ich das Gebrüll ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester.
Pflichtbewusst schiebe ich gedanklich meinen wohl verdienten Urlaub beiseite und erhebe meine tonnenschweren Glieder, um den Alltag zu bekämpfen.
Erfreut, mich fit zu fühlen (immerhin wiege ich heute anscheinend zwei Pfund weniger; im Schlaf würde man abnehmen, las ich mal), eile ich im Zeitlupentempo ins Kinderzimmer, während ich meine Große in den Tag begrüße:
„Hallo mein Schatz! Na, hast du gut geschlafen?“
Sie nickt, den Schnuller noch im Mund und plappert wild drauf los:
„Ja, Mami! Hmpf, shabf schöh gtrmpft umpf da wampf dmpf …“
Der Rest geht im Gebrüll ihrer kleinen Schwester unter.
„Na, meine Knutschkugel! Hast du auch schön geträumt?“
Ich beuge mich zu ihr runter und bekomme durch ihre nach mir suchendenden, wirbelnden Arme eine Backpfeife verpasst!
Mit Bleiarmen bemühe ich mich, zielgerecht den kleinen brüllenden Tintenfisch aus dem Käfig namens Bett zu befreien, was mir nach rekordverdächtigen sechs Minuten auch gelingt.
Stolz auf mich, heute schon richtig etwas geleistet zu haben, trabe ich mit den mir angeeigneten hellseherischen Fähigkeiten in die Küche. Denn innerhalb weniger Sekunden verwandeln sich meine ausgeschlafenen Mädchen zu Raubtieren, welche gefüttert werden wollen.
Ich zaubere ein abwechslungsreiches Buffet, da ich leider nicht vorhersehen kann, worauf sie Appetit haben. Sie sind mit einem individuellen Wunsch nach Nahrung ausgestattet, der aber zweisekündlich wechselt.
Als Vorbild sitze ich mit am Tisch und beiße irgendwo rein, das Getränk in meinem Traum war jedoch sehr sättigend. Somit habe ich genug Zeit, meinen Raubtieren zuzuschauen, wie sie die Mahlzeiten auseinander nehmen und das Esszimmer damit von oben bis unten dekorieren.
Als sich nichts mehr zum Verzieren findet, stecke ich beide mit der Zahnbürste im Mund unter die Dusche und habe, zu meiner großen Freude, drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Kinder sind frei von Essensresten, die Schlafanzüge sind per Handwäsche gewaschen und die Zähne sind geputzt. Erschreckenderweise sagt mir die Uhr, dass ich nicht mehr viel Zeit habe, um rechtzeitig meine Große in ihren Kindergarten zu bringen.
Beide Mädchen verändern sich durch den Druck der Zeit blitzartig zu wild jaulenden Hyänen. Schnell zupfe ich Kleidung aus dem Schrank, wild kombiniert, aber sicher die neueste Mode - irgendwie muss man ja Trends setzen!
Den Hörer zwischen Kopf und Schulter eingeklemmt rufe ich Oma an und möchte wissen, ob sie Zeit hat. Ihr „Ja“ genügt mir. Mehr hätte ich bei dem Gejaule auch nicht verstehen können.
Parallel zum Telefonat habe ich die nicht zu bändigen Hyänen angezogen; zu meinem eigenen Erstaunen scheint die Kleidung irgendwie die richtigen Körperteile getroffen zu haben.
Beide Brüller an den Händen fliege ich los und schaffe es eine Minute zu spät zum Kindergarten, wo mich die Erzieherin tadelnd ansieht und ich freudig aller Welt mitteile:
“Wir sind daha!“
Ein langer Aufenthalt ist hier nicht möglich, ich würde den pädagogischen Alltag stören. Somit schiebe ich der Erzieherin meine große Tochter in die Arme.
Mit schlechtem Gewissen und noch einem Kind im Gepäck geht es weiter. Jetzt noch schnell zur Oma!
Als Oma mir die Tür öffnet, werde ich liebevoll begrüßt:
„Ach Gott, Kind! Du hast ja deinen Schlafanzug noch an!“
„Guten Morgen, Mama. Danke für dein Verständnis“, freue ich mich. „Nach meinem Urlaub hol ich die Kleine wieder ab!“
Und so sitze ich nun im Reisebüro und plane meinen Last-Minute-Flug –
Träume sind doch da, um sie zu leben, oder?


© Nicole Müller

Letzte Aktualisierung: 24.08.2010 - 00.18 Uhr
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