Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
Als ich gelangweilt auf einem Schiff saß, überlegte ich mir was ich machen sollte. Mein Partner Ron war leider Seekrank und deshalb nicht gesprächig. Ich habe keine Ahnung warum ausgerechnet Ron und ich die Ehre erhielten, hier im Schiff mitzureisen. Es hieß, wir würden Urlaub machen. Von wegen Urlaub. Das hier war bestimmt keiner! Ron konnte einem die gute Laune schnell verderben. Er jammerte schon am Land, weil er zum Schiff fliegen musste. Na gut, ich jammerte auch, aber nur weil ich meinen Freund Leon nicht mitnehmen durfte. Es war ein schmerzhafter Abschied. Unsere Liebe war noch so frisch und dann mussten wir uns trennen! Ron kannte ich schon länger und ich konnte ihn nicht ausstehen. Jetzt sollen wir ein Pärchen sein? Wem ist das bloß eingefallen. Ach, wie die anderen alle lachten, als sie sahen, wie Ron und ich zusammen los flogen. Sie riefen gemeine Sachen hinterher. Ich hätte an ihrer Stelle wahrscheinlich auch nicht anders gehandelt. Vielleicht waren sie auch neidisch, weil wir Urlaub machen durften und sie nicht.
„Ron und Sybille, Ron und Sybille – für immer und ewig“, waren ihre Worte. Lauter als dieses Rufen konnte ich jedoch Leons Schluchzen wahrnehmen. Er tat mir leid, aber ich hatte keine andere Wahl. Ich musste ihn verlassen. Zu gern wäre ich bei ihm geblieben und hätte an meiner Stelle Fiona oder Daisy geschickt, aber tauschen ging nicht. Auserwählt war eben auserwählt.
„Mir ist so schlecht!“, jammerte Ron zum wiederholten Male. Die anderen Passagiere konnten es auch schon nicht mehr hören. Ich saß dicht neben Ron und versuchte ihm abzustützen, weil er sonst umfiel. Ihm war so schwindlig. Ron drückte mit seinem ganzen Körper gegen mich. Es dauerte es nicht lange, bis ich selber umfiel! So ein Jammerlappen. Warum ausgerechnet er und ich? Es war alles so trostlos. Keiner hatte gute Laune, da wir schon seit Wochen unterwegs waren und außer Wasser nicht sahen. Am schlimmsten waren die Unwetter, die über uns herzogen. Selbst da hatte Ron aufgehört zu jammern, da er nur noch ums überleben kämpfte. Wie durch ein Wunder waren alle Passagiere noch am Leben. Das letzte Unwetter war schon ein paar Wochen her und wir sahen immer noch Wasser, Wasser und Wasser. Ich wollte endlich wieder am Land stehen. Nicht ständig hin und herschaukeln. Mir kam manchmal auch vor, ich würde gleich Seekrank werden. Ich wollte etwas unternehmen, endlich das Schiff verlassen. Das ging aber nur, wenn Ron es nicht bemerkte, also wartete ich, bis er einschlief. Ich reckte und streckte mich und bemerkte, wie eingerostet ich war. Ich kam mir ein paar Jährchen älter vor, als ich wirklich war. Ron machte die Augen auf, schloss sie aber zu meinem Glück gleich wieder. Erst als ich mir ganz sicher war, dass er schlief, schlich ich mich davon. Ich breitete meine Flügel auch und versuchte zu fliegen. So anstrengend war das noch nie. Na ja, ich war ja schon seit ewiger Zeit nicht mehr geflogen. Meine Flügel schienen eingerostet zu sein. Trotzdem wollte ich fliegen. Ich machte mich bereit, hüpfte einen Schritt vor und landete auf dem Boden. Das war wohl noch ein blauer Fleck mehr auf meinem Hintern. Die nette Elefantenlady hob mich mit ihren langen Rüssel wieder hoch. Von dem Tag an versuchte ich nun immer zu fliegen, wenn Ron schlief. Schon zwei Tage darauf konnte ich eine Runde um das Schiff kreisen. Ein paar Wochen später flog ich schon viel weiter. So weit, dass ich das Schiff gar nicht mehr sehen konnte. Was ich sah, war Wasser, Wasser und Wasser. Es war so deprimierend und ich frage mich ständig, was daran Urlaub sein sollte. Ich flog wieder zum Schiff zurück, gerade noch rechzeitig, bevor Ron aufwachte, setzte ich mich neben ihm. Kaum war er munter, fing er wieder an zu jammern. Nein, das wollte ich mir nicht antun. Ich hatte den Schnabel voll von seinem Geheule, also nahm ich Anlauf und folg einfach weg. Diesmal blickte ich nicht mehr zurück. Ich glaube, ich flog zwei Tage durch, als ich einen Baum entdeckte, wo ich mich ausruhen konnte. Hinter dem Baum war Land! Ja, es gab wirklich noch Land! Aber es war langweilig, weil ich so einsam und allein hier war. Ich war das einzige Lebewesen. Selbst Rons Gejammer fehlte mir. Warum habe ich ihn denn einfach verlassen? Würde er es mir verzeihen? Als Wiedergutmachung wollte ich ihm einen kleinen Zweig dieses Baumes bringen und so flog ich zum Schiff zurück. Alle jubelten, als sie mich sahen. Hatte ich ihnen so gefehlt? Bevor ich Ron den Zweig übergeben konnte, nahm ihn mir Noah, der Zweibeiner, dem das Schiff gehörte, weg und strahlte mich an. Ich verstand nicht, was er sprach, aber er war überglücklich. Am Land angekommen, war Ron wie ausgewechselt. Er jammerte nicht mehr und ich verliebte mich tatsächlich ihn ihm. Erst von da an fühlte ich mich, als wäre ich im Urlaub.
Letzte Aktualisierung: 22.08.2010 - 19.38 Uhr Dieser Text enthält 4837 Zeichen.