Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespĂĽrt.
Er zieht sie zu sich hinauf, sie küssen sich und reiten gemeinsam in den Sonnenuntergang. Perfekte Szene. Hunderte Male gefilmt, geschrieben, gelesen, erlitten ... und doch immer wieder schön! Schnulzig sagen die einen, die anderen seufzen tief auf und schniefen die Tränen der Rührung in ein Taschentuch, das – perfekter Weise – ihr liebevoller Partner bereit hält.
Ich gehöre zu denen, die blind vor Tränen, hilfesuchend nach einem Taschentuch greifen. Das jedoch muss ich selbst suchen oder bereit halten. Nicht, dass ich allein wäre. Nein, ich lebe mit Markus in einer wunderbaren Partnerschaft, die etwas ganz Besonderes ist. Nur das mit den Taschentüchern regele ich selbst, und das Happyend mit dem Sonnenuntergang habe ich noch nicht erlebt. Aber ich habe auch keine Eile mit dem Happyend – dem glücklichen Ende. Glück sollte nicht enden. Es sollte sich weiter entwickeln und immer besser – immer tiefer empfunden werden. Kein Ende. Endloses Beisammensein, unendliche Liebe. Das strebe ich an. Zur Zeit bin ich von diesem Ziel weiter entfernt, als ich noch vor kurzen zu hoffen wagte. Wir hatten eine so perfekt glückliche Zeit miteinander. Nach dem Infarkt nahm sich Markus mehr Zeit. Er probierte sich aus um mehr Liebe zu sich selbst zu leben. Nicht das Büro und die Termine standen an erster Stelle. Wir waren ein gutes Team bis SIE kam und alles anders wurde.
Es wurde fĂĽr Markus und mich ein wundervoller Abend. Markus kochte, sang und wir tanzten beschwingt. Ich umfing ihn mit meiner ganzen Liebe und sagte ihm, dass es diese Momente sind, die dem Leben auf der Erde einen Sinn geben. So glĂĽcklich wie an diesem Abend habe ich ihn lange nicht mehr gesehen.
Am nächsten Morgen fuhr er gutgelaunt ins Büro. Da unser Tag gestern so ungeplant anders verlaufen war, nahm ich mir heute Zeit zu einem kleinen Bummel durch die Stadt. Die Sonne schien doch der Regen hatte große Pfützen hinterlassen. Eine Gruppe mit Kindergartenkindern stapften fröhlich jauchzend mit ihren Regenstiefeln hindurch. Eicheln und Kastanien lagen verschwenderisch überall und wurden nun von den Kindern aufgesammelt. Die Blätter der Bäume waren gefärbt und zeigten den Wechsel der Jahreszeiten an. Lederbraun, Burgunderrot und mein Blick blieb bei einem goldenen Ahornblatt hängen. Auf dem Blatt waren noch Wasserperlen. Sie schillerten in den Farben des Regenbogens und spiegelten den Himmel wieder. Eine kleine Verbindungsbrücke zwischen Himmel und Erde.
Eine Hand berĂĽhrte meine Schulter.
„Hallo! Das ist ja schön, dass wir uns hier wiedersehen! Ich bin der Michi.“
Ich drehte mich um und erkannte die fröhlichen Augen, die ich gestern zum ersten Mal gesehen hatte. Der Komplize von IHR. Na, das konnte interessant werden.
„Ich liebe diesen Park. Es ist sozusagen „mein Park“ ... darf ich ihn dir vorstellen?“
In diesem Moment wollte ich nichts lieber als das. So gingen Michi und ich durch den Park. Er zeigte mir den See, Eichhörnchen, und ich machte ihn auf die beeindruckenden Wolken am Himmel aufmerksam. Auf einer versteckten Bank setzten wir uns. Michi begann von IHR zu erzählen, denn er kannte Iris schon sehr lange. Nachdem ihre Mutter vor einigen Wochen starb, war sie oft traurig und fühlte sich allein. Ihre Traurigkeit ging Michi zu Herzen, darum ermunterte er sie gestern sich hübsch anzuziehen um der Einsamkeit der Räume zu entkommen. Er wünschte sich so sehr, dass sie liebe Menschen kennen lernen würde, die sie zum lachen bringen, mit denen sie etwas unternehmen würde, und wo sie vielleicht ihr Herz öffnen könnte. Und dann kam unsere Begegnung im Regen. Michi lachte mich an.
„Hättest mich auch mitnehmen können – statt im Regen stehen zu lassen!“
Ich wurde verlegen. Um ihm zu zeigen, das ich das wieder gut machen wollte, erzählte ich, dass Markus einige Urlaubstage auf einer Nordseeinsel plant.
„Vielleicht könnten wir die alle gemeinsam ...“, ich stotterte ein wenig.
„Du hast die besten Ideen! Herbsttage am Meer – das klingt total romantisch!“ Michi´s Begeisterung und seine lächelnden Augen lockten mich aus der Reserve.
„Dann machen wir erste Vorbereitungen. Du sagst es Iris und ich Markus.“
In überschwänglicher Begeisterung umarmten wir uns zum Abschied wie alte Freunde.
Heute sind wir Vier gemeinsam auf der Insel. Ich habe SIE inzwischen lieb gewonnen, und ihr Name ist mir vertraut geworden. Iris, Botin des Regenbogens. Unsere Urlaubstage gehen zu Ende. Iris und Markus sitzen in der Pension am Kamin und reden. Michi und ich genieĂźen die frische Luft des Abends.
„Was meinst du – hat sich doch alles zum Besten entwickelt!“ Michi lacht mich an.
„Die Zwei sind glücklich. Und wir sind es auch.“
„Wir lieben die Beiden so sehr, dass wir alles getan haben, damit sie sich finden konnten. Das zeigt, dass unser Plan gelungen ist.“
Er massiert leicht meinen RĂĽcken und ich fĂĽhle den unwiderstehlichen Wunsch zu fliegen.
„Wollen wir?“ fragt er mich.
„Ja.“ Ich strahle ihn an.
Jetzt ist er da, der richtige Moment zum Happyend. Und so heben Michi und ich ab und fliegen in den Sonnenuntergang. Morgen sind wir dann wieder da fĂĽr unsere Erdenmenschen, deren Leben und deren Liebe uns so am Herzen liegen. Morgen wird nach dem Happyend ein neuer Anfang folgen.
Ich rufe Michi zu: „Ich suche dringend ...“
„Ich weiss – Hier, ein Taschentuch für dich!“
Er reicht mir sein Taschentuch. Das ich jetzt auch dringend brauche.
Letzte Aktualisierung: 02.09.2010 - 09.06 Uhr Dieser Text enthält 9831 Zeichen.