'paar Schoten - Geschichten aus'm Pott
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Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespürt.
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Verwandlung | Oktober 2010
Puff
von Eva Fischer

Der Stein ist,
das Tier ist und fühlt,
der Mensch ist, fühlt und denkt,

denkt er.

Lautlos gleitet das Tier in der Abenddämmerung über den Stein. Eine Schleimspur verhindert jeden Schmerz in seinem Körper, mag der Boden auch noch so uneben und hart sein.
Der Mensch ist dankbar für den Schleim, der seinen Körper bereit macht für den Geschlechtsakt, aber für das Tier ist es jetzt nicht an der Zeit, an Sex zu denken.
Kennt das Tier Zeit und Raum?
Zeit ist dunkel und hell, warm und kalt, feucht und trocken.
Raum ist das, was es hinter sich gelassen hat. Es gibt dafür keine Maßeinheit, keinen Meter, keinen Kilometer. Es existiert kein Ziel, kein Plan, keine Organisation. Scheinbar.
Der Trieb lenkt das Tier, auf der Suche nach Futter, auf der Suche nach einem Partner.
Doch der Feind lauert überall.

Der Mensch tritt auf seine Terrasse und entdeckt ein dickes, längliches, kackbraunes Tier, das sorgfältig Millimeter für Millimeter mit hocherhobenem Haupt sein Eigentum überquert.
Halt!!!
Das ist feindliches Territorium. Hier wird kein Eindringling geduldet, nicht dieser!
Ist der Mensch ein Schlachter, dann holt er eine Schere und schneidet das Tier in der Mitte durch.
Ist er ein Gemütsmensch, dann nimmt er ein Gefäß und füllt es mit Bier. Das Tier wird den sicheren Tod finden, vereint mit seinen zahlreichen Leidensgenossen. Aber der Mensch muss danach die Kadaver entsorgen.
Will der Mensch sich nicht die Finger schmutzig machen, dann greift er zu einem Paket mit türkisgrünen Körnern.

Etwas prasselt von oben herab. Das Tier zieht den Kopf ein, kennt keinen Namen für das Unbekannte.
Nach einer Weile scheint die Gefahr gebannt. Neugierig sucht das Tier zu erkunden, was sich da auf dem Stein befindet. Ein besonderer Reiz geht von dem aus, was es umgibt. Gierig lässt es Bröckchen für Bröckchen in seinem Maul verschwinden, wähnt sich im Paradies.
Ein fataler Irrtum.
Schleichend und doch unabwendbar wird jede lebensspendende Flüssigkeit aus seinem kleinen Körper gepresst.
Wenn das Tier sich einen Götterhimmel vorstellen könnte, so schickte es einen letzten stummen Schrei an Anuket, die Göttin des Wassers, bevor es in Agonie erstarrt.

Am nächsten Morgen tritt der Mensch erneut auf seine Terrasse. Das Tier ist tot, ganz ohne Zweifel, aber sein Kadaver scheint über Nacht eher an Größe gewonnen zu haben.
Der Mensch ist verärgert, grollt der Chemie, teuer und nutzlos. Einfaches Salz hätte es auch getan. Nun muss der Mensch das tote Tier doch entfernen, aber das kann warten. Zuerst muss der Mensch seiner Arbeit nachgehen. Seufzend schließt er die Terrassentür.

Die Verwandlung braucht Zeit. Aus Bewegung wird Starre. Das Leben sickert tropfenweise heraus. Alles Körperliche und Materielle löst sich auf, verpufft ins Nichts. Nur kleinste Hautpartikel zeugen von dem, was einmal war.
Die Nacktschnecke hat aufgehört zu sein.

Am Abend kehrt der Mensch zurück in sein Heim, öffnet die Terrassentür.
Der einsetzende Regen beseitigt die Spuren, wo einst Leben war.
Der Mensch denkt an die Endlichkeit allen Seins, auch an seine eigene.

In dieser Nacht schläft er schlecht.
Der Regen prasselt gegen die Scheiben, der Herbstwind rüttelt an den Fensterläden.
Der Mensch fühlt seine eigene Ohnmacht.

Letzte Aktualisierung: 13.10.2010 - 21.16 Uhr
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