Burgturm im Nebel
Burgturm im Nebel
"Was mögen sich im Laufe der Jahrhunderte hier schon für Geschichten abgespielt haben?" Nun, wir beantworten Ihnen diese Frage. In diesem Buch.
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Düstere Zeiten | November 2010
Weg
von Ann Nissuth

„Sag mal, bist du breit oder was?“
„‘Tschuldigung“, murmele ich.
Ich verkrieche mich noch tiefer in meinen alten Mantel. Hab den Typ mit seiner Leiter glatt übersehen. Wieso hängt der ausgerechnet hier Weihnachtsdeko auf?
Nur weg. Weihnachtsdeko ist das Letzte, was ich jetzt ertragen kann.
„Hallo, Leni, wie geht es Ihnen?“
„Schlechten Menschen geht es immer gut“, kommt es von irgendwoher aus mir.
Ich lasse die Nachbarin einfach stehen. Wieso läuft die mir gerade jetzt über den Weg? Ich seh die sonst das ganze Jahr über nicht.
Weg. Nur weg.
„Na, auf dem Weg zur Arbeit?“
„Hab mir frei genommen.“
Wieso lasst ihr mich nicht in Ruhe?! Fehlt nur noch, dass ich meinem Chef begegne. Der Typ hat keine Ahnung. Woher auch? Der nimmt mich nur wahr, wenn ich mal einen Fehler mache oder fehle.
Endlich der Wald. Endlich allein.
Ich stapfe durch tiefes Laub. Ein Rudel Wildschweine hetzt über den Weg. Ich habe keine Angst vor ihnen. Gar nichts habe ich mehr. Meine Beine bewegen sich von ganz alleine. Weit weg.
Wenn er auch an Weihnachten mit seiner Frau unglücklich sein will, weil’s für sein Ansehen besser ist, was kümmert’s mich.
Kein Schmerz mehr. Alles stumpf. Weit weg.
Ein Reh. Vielleicht überlebt es Weihnachten auch nicht.
Weg. Weit weg.
Ich habe keine Ahnung, wo ich mittlerweile bin. Stelle auf einmal fest, ich friere nicht mehr. Es ist still. Nur Laubrascheln. Weiter nichts.
Müde. Ich bin entsetzlich müde. Kann nicht weiter. Blätter, deckt mich zu! Ich lass mich einfach fallen.
Weg. Weit weg … Es klingt, als ob jemand Gitarre spielt.
Verrückt. Mitten im November liege ich im Wald auf dem Boden und höre jemanden Gitarre spielen.
Komm ich denn nie zur Ruhe?
Es scheint tatsächlich, jemand ist gar nicht weit weg von mir – und musiziert, mitten im Wald.
Mühsam rappelt mich die Neugier hoch, treibt meine Füße vorwärts.
Eine verwitterte Bank. Ein schmächtiger junger Mann. Eine Gitarre.
Ich starre in ein traurigblasses Gesicht. Erschrocken scheint er nicht, eher verlegen.
„Ich wollte nur allein sein“, versucht mein Gegenüber zu erklären. „Da draußen kann ich nicht mehr spielen.“
„Ich konnte nicht mehr atmen“, sage ich.
Er schaut mich jetzt fest an. „Hier ist es so schön ruhig.“
Sein Magen grummelt laut.
Mein Lächeln trifft auf seins.
„Wenn du mir den Weg aus diesem Wald raus zeigst, dann lad ich dich zum Frühstück ein.“
„Gebongt“, sagt er und ich freu mich auf frische Brötchen - mit Butter und selbstgemachter Marmelade.

Letzte Aktualisierung: 27.11.2010 - 22.07 Uhr
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