Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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Freude | Dezember 2010
Herzfee
von Bernd Kleber

Mit den Zehen voran, schieben sie mich in den kalten Saal.
Die Schwester schaut mir wieder ins Gesicht, bohrend, durch mich durch, meine Abgründe suchend.
„Geht es?“
„Ja“, sage ich leicht genervt.
Ihr Blick macht mir Angst. Ihr Blick zeigt mir, dass es ernst ist. Sie sieht mich an, als wolle sie vermeiden, sich mehr Arbeit aufzuhalsen. Nicht in ihrer Schicht noch eine Leiche fertig machen. Nicht, da sie verabredet ist.
Ihre Handgriffe sind motorisch und hart, passgenau und zielsicher. Ständig bekomme ich etwas in den Verteiler gedrückt, den man mit Flügelkanüle in der Schlüsselbeinbeuge festgeklebt hat. Keine Zeit für Erklärungen. Ich dulde.
Ich habe Angst.
Im Saal hebt man mich auf einen anderen Tisch. Baut vor meinem Sichtfeld eine Blende auf.
In der Ecke sitzt eine kleine alte Frau, lächelt mich an und hat Dornröschens Spindel in der Hand.
Monitore schalten sich ein, in einer Reihe wie beim Wasserballett... nacheinander. Sie blinken jetzt im Takt Takt Takt ...
Der Arzt kommt mit Mundschutz, ich überlege, ob sie meine Narkose vergessen haben.
„Wir gehen jetzt über die Beinvene rein, Herr Weinnich, mit dem Katheter bis zu den verschlossenen Stellen, muss alles schnell funktionieren jetzt, sie merken nichts, nur Feedbacks brauch ich, falls Ihnen nicht gut ist. Bleiben Sie schön bei uns, wird schon. Zwei Gefäße sind komplett dicht.“
Die Schwester reibt die rasierten Stellen mit einem Jodmullballen ab. Alles kalt und feucht.
Der Arzt sieht mich nicht mehr an, spricht konzentriert mit der Schwester, steht quer zu meiner Liegefläche und beobachtet die Bildschirme. Nächstes Level, klicken, stoßen, manchmal schimpft er, einmal: „Scheiße!“.
Unter mir ist alles nass, ich schwimme in kochendem Öl.
„Das ist normal.“, sagt die Schwester mit dem tiefgehenden Blick.
Der Chef schiebt etwas in mich, will kein Ende nehmen, klingt metallisch. Sieht aus, wie die Kloverstopfungsspirale des Klempners.
Mir wird heißer.
Die Alte in der Ecke kichert, die Spindel fällt in unendlicheTiefen.
Ich spüre in mir bohrt es. Das glaubt man mir nicht. In mir sticht es. Nur wo?
Das Ganze dauert. Wie lange? Ich will die Spirale aus meinem Körper raus. Ich will nicht, dass der weiter in mir herumstochert.
Eine Ewigkeit liege ich auf der Schippe des Totengräbers. Die alte Frau steht jetzt neben dem Arzt und grinst mich mit faulenden Zahnstummeln an, die Spitze der Spindel drückt sie in meine Brust.
Ich schließe die Augen und falle, eine unendliche Tiefe, etwas klirrt. Die Spindel?
Piepen!
Gleichförmiges Piepen. In meinem Handrücken sticht es. Ich öffne die Augen. Licht!
Da stehen Almuth, Kristine, Sven und Mutter. Mutter weint. Freudentränen! Und sie reibt meinen Arm lächelnd. Überlebt!

Letzte Aktualisierung: 26.12.2010 - 14.59 Uhr
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