Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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Freude | Dezember 2010
Ein Vorstellungsgespräch
von Gary Kilian

Damals kannte ich mich mit Freuen nicht besonders gut aus. Das ist auch heute nicht viel anders. Ich war aus der Provinzstadt Ebenda mit meinem BMW-Cabriolet, das mein großzügiger Vater mit seinen regelmäßigen Überweisungen finanzierte, auf dem Weg nach Hamburg um mich dort für eine Stelle als Anwalt vorzustellen. Es war eine größere, namhafte Sozietät, die spektakuläre und aufsehen erregende Prozesse in ganz Deutschland und darüber hinaus geführt und gewonnen hatte. Ich rechnete mir aus, durch einen Beitritt in dieses Unternehmen, einen guten Start in ein erfolgreiches Arbeitsleben zu haben, und von den Staranwälten viel lernen zu können. Für die Nacht hatte ich ein Hotelzimmer gebucht und einen Koffer dabei, in dem ich Freizeitkleidung gepackt hatte, um mich am Abend im Großstadtangebot zu vergnügen: Jeans, einen leichten Pulli, legeres Sakko und bequeme, natürlich italienische, Schuhe. Für die Fahrt trug ich einen modernen aber gnadenlos seriösen, grauen Anzug und natürlich englische Schuhe. Ich nahm an, dies sei eine angemessenen Kleidung für den Termin, der in meinem Leben einen neuen Abschnitt kennzeichnen sollte.
Da ich offen fahren wollte, hatte ich mir einen wärmenden Schal und eine Schiebermütze angezogen, auch wenn ich wusste, dass dadurch die Frisur ruiniert würde. Ich hätte auch eine Brille aufsetzen sollen, denn schon nach 30 Kilometern tränten mir die Augen vom Fahrtwind. Auf ein Windschott hatte ich verzichtet, weil es mir zu unsportlich erschien.
Sicher hatte ich eine Freundin. Sie war auch nicht die erste, mit der ich ausging und sie war schön, jung und elastisch, weil sie Sport trieb; Leichtathletik ist eine gute Sportartart, um den Körper gleichmäßig zu belasten und zu formen. Mädchen kennenzulernen hatte ich keine großen Schwierigkeiten gehabt. Im Club gab es genügend, die ich zum Tennismatch auffordern konnte. Ich selbst spielte Tennis
Ich trainierte viel, hatte von meinen Eltern gute Manieren, ausreichend Selbstbewusstsein und monetäre Ressourcen mitbekommen. Aber mit Frauen kannte ich mich nicht aus und tue es noch heute nicht. Oft geriet ich in Schwierigkeiten und Streit mit ihnen. Es geschah nur, nachdem wir uns besser kannten, nach einigen Tagen oder Wochen, einmal aber auch bereits nach Stunden, dann aber jedes Mal. Anfangs ergab sich eine harmonische Atmosphäre, in der es mir leicht fiel, mit dem Mädchen zu sprechen, ihm Komplimente zu machen, dann erschien es ungezwungen und erzählte offen und, je nach seiner eigenen Natur, fröhlich von sich und seinen Vorlieben. Auch kam es zum Geschlechtsverkehr. Doch danach verdüsterte sich die Stimmung und es traten diese Missverständnisse auf und die Streits. Jedes Mal war es so. Auch bei meiner damaligen Freundin kam es vor, doch sie war sanfter, weniger scharf in ihren Reaktionen als andere. Vielleicht wäre sie anderenfalls zu der Zeit schon nicht mehr bei mir gewesen. Allein, wie dieser Umschwung der Emotionen erfolgte, blieb mir verschlossen. Zeitlicher Abstand half, hatte ich festgestellt. Wenn wir uns eine Zeit nicht gesehen und nur über das Telefon unsere Liebe gestanden hatten, und ich liebte sie, davon war ich überzeugt, beruhigte sich ihr Zorn und die Harmonie wurde wieder spürbar. Auch sie sah es so, sah, dass eine gelegentliche, zeitliche Trennung unsere Beziehung fördern konnte und hatte daher nichts einzuwenden gegen meinen Plan, nach dem Termin in Hamburg eine Nacht dort zu verbringen, auch wenn ich ebenso gut hätte zurückfahren können.
Mein bester Freund sagte mir manchmal, wenn wir darüber sprachen, dass ich ein Glückspilz sei, dass ich glücklich sein sollte, weil es mir leichter fiele, als ihm, Frauen auf mich aufmerksam zu machen und zu gewinnen. Was mache es schon, dass sie bald von sich aus gingen, ich sei jung, fände schnell eine andere und das Leben sei noch lang.
Mit diesem Gefühl, nicht dem des Glückspilzes, sondern desjenigen, der eine Auszeit brauchte damit das Gemüt der Freundin sich soweit abkühlen konnte, dass wir eine weiter Periode gemeinsam verbringen konnten und dem gleichzeitig vor mir liegenden, wichtigen Termin, erreichte ich die Stadt. Mein BMW, den ich schnell gefahren war, brummte, gleichmäßig und warm, als ich den Tunnel erreichte. Der Stadtverkehr konnte mir und meiner Stimmung nichts weiter anhaben und die Suche nach einem Parkplatz umging ich, indem ich direkt ein Parkhaus ansteuerte.
Der Termin in der Kanzlei verlief unerwartet gut. Man vermittelte mir das Gefühl, die Aufnahme in den Kreis der Erfolgreichen sei so gut wie vereinbart. Nur die Personalchefin, eine schlanke Frau in einem italienischen, körperreichen Kostüm, sicher von Wieber und sicher war sie fünf Jahre älter als ich, stellte Fragen nicht nur zu meiner Ausbildung. Sie wollte wissen, ob ich gebunden sei, eventuell verlobt. Ich glaubte, sie ergründete meine Verfügbarkeit. Ich erwähnte, dass ich in der Stadt bleiben wollte, mich aber nicht sonderlich gut auskannte.
»Sie wollen sicher nicht in ihrem Hotel bleiben und ein freudloses Essen einnehmen?«, sagte sie, wobei sie mich mit einen Lächeln ansah, dass ebenso freundlich wie professionell wirkte.
»Ich werde mir den Hafen und die Innenstadt ansehen und dann irgendwo etwas essen«, sagte ich.
»Irgendwo!«, fiel der Geschäftsführer ein, »dass kann ich nicht zulassen«, wandte sich an die Personalchefin und sagte »Sie können sicher mit einigen Empfehlungen aushelfen, nicht wahr, Viv.«
Damit verabschiedete ich mich von dem Mann, der vielleicht mein Chef und, wenn es gut liefe, mein Mentor werden könnte. Viv brachte mich zum Ausgang wobei sie mir einen Ort für ein gepflegtes Abendessen vorschlug und nicht ganz nebenbei fallen ließ, dass es zurzeit ihr Lieblingsrestaurant sei. Die etwas voreilig hervorgebrachte Einladung, mich zu begleiten, nahm sie zu meiner großen Überraschung an. Dabei war ich davon ausgegangen, es sei nicht professionell mit einem Bewerber für eine Einsteigerposition auszugehen.
Sie hieß Vivien, wie sich herausstellte und sie kannte nicht nur die angesagtesten Plätze, sondern auch alle Varianten der Verführung, meine, über die sie lachte und ihre, die auf mich wie Funken auf Zunder wirken. Nach dem Essen, als wir vor dem Restaurant standen und auf ein Taxi warteten, sahen wir uns an und mussten, unterstützt durch den köstlichen Wein den wir hatten, darüber lachen, wie wir miteinander umgingen. Ich gab ihr den ersten vorsichtigen Kuss auf den linken, lachenden Mundwinkel der sich daraufhin entspannte und zum Entstehen eines runden Kussmundes beitrug. Sie sah mich an, bewegte ihr Gesicht nicht von mir weg und hielt meinen Blick. Sie war so groß, wie ich. Ich näherte mich ihrem Mund und wir küssten uns nun lange. Der milde Wind, der an diesem Abende in den Straßen war, ließ uns nicht auf das Taxi warten. Wir gingen, uns in den Armen haltend, in Richtung großstädtisches Vergnügen.
Natürlich belastete mich mein Gewissen, aber auch fürchtete ich von Vivien eine gleiche Reaktion, wie von allen Frauen. Nur mit dem Unterschied, dass sie über meinen Berufseinstieg entschied. Wenn wir uns stritten, würde die Aufnahme in den Club der Gewinner gescheitert sein, und das wäre ein hoher Preis für eine Nacht in der Stadt. Aber es war nicht zu vermeiden; sie war Dynamit und ich tat mein Bestes, sie nicht zu enttäuschen. Wir verstanden uns fast wortlos, dabei redeten wir ununterbrochen. Nie, sagte sie, hätte sie geglaubt, dass wir uns so gut verstehen würden, da wir uns doch gerade erst begegnet waren.
Wir gingen durch die Straßen, wir gingen in Bars, wir tanzten.
Das Dynamit explodierte bereits am Morgen in meinem Hotelzimmer, noch bevor wir frühstücken konnten. Sie sprang irgendwann früh am Morgen aus dem Bett, in dem wir uns, wie ich glaubte, ebenso gut und wortlos verstanden hatten, wie an dem gemeinsam verbrachten Abend. Sie rief mir zu, ich sein ein Schwein und sie würde auf der Stelle gehen. Dabei war sie so erbarmungslos schön, wie sie nackt durch das Zimmer ins Bad ging. Ich war verständlicher Weise verwirrt und benommen, da ich diese Reaktion nicht vorhergesehen hatte, nicht so schnell jedenfalls, stand aus dem Bett auf und zog mir etwas an. Es war schwer vorstellbar, nackt im Raum oder aus dem Bett heraus sich zu streiten oder auch nur sich zu rechtfertigen, und dabei einigermaßen respektvoll und mannhaft zu erschienen, selbst, wenn man einen solch trainierten Körper besaß, wie ich. Aber auch diese Vorsichtsmaßnahme nützte mir nichts. Nach nur wenigen Minuten Wartens erschien Vivien angekleidet und in erstaunlich perfektem Make-up und Hair-Steyling in dem nun sehr klein wirkenden Hotelzimmer, wiederholte die gleichen Vorwürfe mit den gleichen Worten und verließ das Zimmer, und damit mich. Sie war die erste und einzige Frau, mit der es schon nach Stunden zu diesen Verwerfungen kam. Ich brauch wohl nicht erwähnen, dass ich die aussichtsreiche Anstellung in der Sozietät nicht angetreten bin. Die Absage kam bald mit der Post ohne eine Begründung, außer dass man sich für einen anderen Bewerber entschieden hätte. Unterzeichnet von Vivien.
Als ich zurück war in Ebenda, hatte meine damalige Freundin mir mitgeteilt, dass sie viel nachgedacht hätte und zu dem Schluss gekommen wäre, mit mir zusammenziehen zu wollen. Sie tröstete mich auch über das erfolglose Bewerbungsgespräch hinweg indem sie sagte, so könnten wir doch weiter zusammen in Ebenda leben. Das sollte doch auch für mich, nach diesem Verlust, eine große Freude sein. Und dem anderen, dachte ich und stimmte ihr zu.
Auch mein Freund meinte, als ich ihm vom Ausflug nach Hamburg und von Vivien berichtete, dass ich froh sein sollte, solche Abenteuer erleben zu dürfen. Auch sollte ich es nicht so schwer nehmen, denn ich würde bald wieder jemanden kennenlernen. Hätten wir nicht Sommer, sagte er, könnte es eine Weihnachtsgeschichte sein, in der nach Abwegen, und Niederlagen der Held in die Geborgenheit und das Glück der Familie zurückkehrt.

Letzte Aktualisierung: 16.12.2010 - 17.53 Uhr
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