| | Im Handumdrehen von Harry Michael Liedtke
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Der âHeilige Rasenâ ist lediglich ein profaner Kunststoffbelag, die ausdruckslosen Figuren sind allesamt von der Stange und andauernd drehen irgendwelche Hitzköpfe durch. Wobei gerade Letzteres auĂerordentlich befremdet. Ein Kreisen der Stange um 360 Grad ist nĂ€mlich als unfaires Ablenkungsmanöver verpönt und beim Schuss sogar streng verboten. Es gibt Leute, die behaupten, TischfuĂball sei kein wahrer FuĂball, kein echter Sport. Aber nach Meinung von Hektor Sauermann von den âGladbecker Dreschflegelnâ hatten diese StĂ€nkerer SchlĂ€ge verdient. FĂŒr ihn gab es jedenfalls nichts Schöneres als Kickern, und heute sollte es sein Tag werden. Er stand kurz vor dem Turniersieg. Er hatte sich bis ins Finale durch- und seinen Endspielgegner beinahe niedergekĂ€mpft. Der arme Kerl ihm gegenĂŒber war so gut wie erledigt. Sein Blick flackerte Ă€ngstlich, sein verschwitztes Haar hing ihm wirr in die Stirn und das ungeduldige Ruckeln an den Griffen verriet seine Panik. Doch Hektor kannte kein Mitleid. Angriffslustig bleckte er die ZĂ€hne. Einen noch! Einmal noch die kleine Hartplastikkugel ins gegnerische GehĂ€use pfeffern, dann war er Deutscher Meister im Herreneinzel. Der nĂ€chste Ball wurde eingerollt. Eine kurze Strecke eierte er die Mittellinie entlang, dann kullerte er auf Hektors Seite. Na bestens, frohlockte der Dreschflegel in Gedanken, die Götter waren mit ihm. Geduldig und ausnehmend vorsichtig lieĂ er die Spielkugel durch seine Reihen laufen. Jetzt bloĂ keinen Ballverlust. Vor und zurĂŒck, hin und her passte er das SpielgerĂ€t von Puppe zu Puppe. Dann sah er die LĂŒcke. Was nun? Mit Schmackes oder mit GefĂŒhl? Ein Pull-shot, ein Abquetscher oder ein Jet? Er entschied sich fĂŒr einen SchrĂ€gzwirbler in der Kuznetzov-Variante. Klack! Tock! Drin! Gewonnen! Die Welt hatte einen Champion mehr, und in der voll besetzten Hamburger Billardkneipe âBlutsturzâ, wo der Wettkampf ausgetragen wurde, steppte der BĂ€r. Ungehemmt lieĂ Hektor seinen FreudentrĂ€nen freien Lauf, wĂ€hrend ein bunter Konfettiregen auf ihn herniederging. Er war gerĂŒhrt. Welch ein Rausch, was fĂŒr ein Beifallsorkan. Also ehrlich, dachte er, viel frenetischer kann es im BernabĂ©u-Stadion zu Madrid auch nicht zugehen.
ENDE |
Letzte Aktualisierung: 11.12.2010 - 15.03 Uhr Dieser Text enthält 2239 Zeichen. Druckversion | | | | |