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Wasser | Januar 2011
Stilles Wasser
von Anne Zeisig

„Die Bank hat dir zum Geburtstag geschrieben.” Wilhelms Frau Adelheid legt die GlĂŒckwunschkarte auf den KĂŒchentisch und setzt sich.
Wilhelm nimmt sie mit zitternden HÀnden auf und hÀlt die Karte auf ArmeslÀnge von sich.
„Gib her. Du hast deine Brille nicht auf.”
„WĂŒnschen sie mir Gesundheit?”, fragt er.
„Sie gratulieren dir zum FĂŒnfundachtzigsten und bedanken sich fĂŒr die gute Zusammenarbeit.”
„Warum tun die das? Ich habe nicht bei denen gearbeitet.”
Adelheid gießt ihrem Mann ein Glas stilles Mineralwasser ein. „Die meinen unser Geld. Das Geld hat fĂŒr die Bank gearbeitet.”
„Wir haben auch jeden Cent hingetragen. Spare in der Zeit, dann hast du ‘s in der Not.”
Sie nickt und liest weiter. „Und wĂŒrden wir uns freuen, Sie in den nĂ€chsten Tagen in unserer Filiale begrĂŒĂŸen zu dĂŒrfen.”
„Was wollen die von uns?”
„Die brauchen bestimmt wieder Geld.”
„Haben wir denn welches ĂŒbrig?”
Adelheid steht auf und schlurft zum SekretĂ€r. Sie öffnet die Lade, holt einen Ordner hervor und blĂ€ttert in den KontoauszĂŒgen. „Ja, haben wir.” Sie stellt den Hefter zurĂŒck, verschließt das Fach und setzt sich wieder an den Tisch. „Zehn Euro sind diesen Monat von unseren Renten ĂŒbrig geblieben. Die kommen aufs Sparbuch.”
Wilhelm trinkt einen Schluck Wasser. „Viel braucht man im Alter ja nicht mehr.” Er streichelt ĂŒber die faltigen HĂ€nde seiner Frau. Ihr Ehering ist blind und abgenutzt.
Adelheid blickt auf ihre Filzpantoffel. „Durchgescheuert sind sie. Aber so etwas gibt es ja nicht mehr zu kaufen.”
„Was ist durchgescheuert?”
„Meine Hausschuhe.”
Er winkt ab.
Seine Frau gießt sich auch ein Glas stilles Wasser ein. „Was hĂ€tten wir fĂŒr schöne Reisen machen können vom Ersparten. Jetzt geht es gesundheitlich nicht mehr.”
„Wir hatten doch den herrlichen Garten.”
Adelheid lĂ€chelt. „Und jetzt den Balkon.”
Wilhelm verzieht das Gesicht und legt beide HĂ€nde flach auf seinen mageren Leib.
„Ist das auch wirklich stilles Wasser? Letztens war es mit KohlensĂ€ure. Da hatte ich Bauchweh.”
„Aber du warst doch einverstanden, dass wir das Wasser probieren, welches uns der junge Mann vom GetrĂ€nke-Heimdienst angeboten hat.”
„Ich erinnere mich. Es war zehn Cent billiger pro Liter. Dann nimm es fĂŒr die Geranien.”
„Aber wir haben dieses Jahr keine Geranien.”
Wilhelm sieht zum Fenster. „Warum haben wir keine?”
„Wovon hĂ€tte ich welche kaufen sollen. Wir haben das Geld der Bank gegeben. Festgeld fĂŒr ein Jahr.”
Er trinkt wieder einen Schluck. „Und die zehn Euro, die wir diesen Monat ĂŒbrig haben? Das reicht fĂŒr vier bis fĂŒnf Geranien.”
„Die kommen auf ‘s Sparbuch, wie besprochen.”
„Ich habe wirklich GlĂŒck mit dir. Bist eine sparsame Ehefrau.”
„Wilhelm. Lass uns anstoßen.” Adelheid erhebt ihr Wasserglas. „Herzlichen GlĂŒckwunsch zum Geburtstag!”
Sie prosten einander zu.
„Zur Feier des Tages hĂ€ttest du einen Spritzer Zitrone hineingeben können.”
„Aber Wilhelm. Davon bekommst du Sodbrennen.”
Beide trinken ihre GlÀser in einem Zug leer.

© Anne Zeisig Januar 2011

Letzte Aktualisierung: 13.01.2011 - 19.07 Uhr
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