âDie Bank hat dir zum Geburtstag geschrieben.â Wilhelms Frau Adelheid legt die GlĂŒckwunschkarte auf den KĂŒchentisch und setzt sich.
Wilhelm nimmt sie mit zitternden HÀnden auf und hÀlt die Karte auf ArmeslÀnge von sich.
âGib her. Du hast deine Brille nicht auf.â
âWĂŒnschen sie mir Gesundheit?â, fragt er.
âSie gratulieren dir zum FĂŒnfundachtzigsten und bedanken sich fĂŒr die gute Zusammenarbeit.â
âWarum tun die das? Ich habe nicht bei denen gearbeitet.â
Adelheid gieĂt ihrem Mann ein Glas stilles Mineralwasser ein. âDie meinen unser Geld. Das Geld hat fĂŒr die Bank gearbeitet.â
âWir haben auch jeden Cent hingetragen. Spare in der Zeit, dann hast du âs in der Not.â
Sie nickt und liest weiter. âUnd wĂŒrden wir uns freuen, Sie in den nĂ€chsten Tagen in unserer Filiale begrĂŒĂen zu dĂŒrfen.â
âWas wollen die von uns?â
âDie brauchen bestimmt wieder Geld.â
âHaben wir denn welches ĂŒbrig?â
Adelheid steht auf und schlurft zum SekretĂ€r. Sie öffnet die Lade, holt einen Ordner hervor und blĂ€ttert in den KontoauszĂŒgen. âJa, haben wir.â Sie stellt den Hefter zurĂŒck, verschlieĂt das Fach und setzt sich wieder an den Tisch. âZehn Euro sind diesen Monat von unseren Renten ĂŒbrig geblieben. Die kommen aufs Sparbuch.â
Wilhelm trinkt einen Schluck Wasser. âViel braucht man im Alter ja nicht mehr.â Er streichelt ĂŒber die faltigen HĂ€nde seiner Frau. Ihr Ehering ist blind und abgenutzt.
Adelheid blickt auf ihre Filzpantoffel. âDurchgescheuert sind sie. Aber so etwas gibt es ja nicht mehr zu kaufen.â
âWas ist durchgescheuert?â
âMeine Hausschuhe.â
Er winkt ab.
Seine Frau gieĂt sich auch ein Glas stilles Wasser ein. âWas hĂ€tten wir fĂŒr schöne Reisen machen können vom Ersparten. Jetzt geht es gesundheitlich nicht mehr.â
âWir hatten doch den herrlichen Garten.â
Adelheid lĂ€chelt. âUnd jetzt den Balkon.â
Wilhelm verzieht das Gesicht und legt beide HĂ€nde flach auf seinen mageren Leib.
âIst das auch wirklich stilles Wasser? Letztens war es mit KohlensĂ€ure. Da hatte ich Bauchweh.â
âAber du warst doch einverstanden, dass wir das Wasser probieren, welches uns der junge Mann vom GetrĂ€nke-Heimdienst angeboten hat.â
âIch erinnere mich. Es war zehn Cent billiger pro Liter. Dann nimm es fĂŒr die Geranien.â
âAber wir haben dieses Jahr keine Geranien.â
Wilhelm sieht zum Fenster. âWarum haben wir keine?â
âWovon hĂ€tte ich welche kaufen sollen. Wir haben das Geld der Bank gegeben. Festgeld fĂŒr ein Jahr.â
Er trinkt wieder einen Schluck. âUnd die zehn Euro, die wir diesen Monat ĂŒbrig haben? Das reicht fĂŒr vier bis fĂŒnf Geranien.â
âDie kommen auf âs Sparbuch, wie besprochen.â
âIch habe wirklich GlĂŒck mit dir. Bist eine sparsame Ehefrau.â
âWilhelm. Lass uns anstoĂen.â Adelheid erhebt ihr Wasserglas. âHerzlichen GlĂŒckwunsch zum Geburtstag!â
Sie prosten einander zu.
âZur Feier des Tages hĂ€ttest du einen Spritzer Zitrone hineingeben können.â
âAber Wilhelm. Davon bekommst du Sodbrennen.â
Beide trinken ihre GlÀser in einem Zug leer.