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Wasser | Januar 2011
Freunde.
von Ingeborg Restat

Unterhalb der Steilküste schwappen die Wellen des Meeres unermüdlich auf den Strand; oben bei einem von Wind und Wetter gebeugten knorrigen Baum steht Claudia und wartet auf Bastian. Vor zwei Jahren hatten sie sich kennen und lieben gelernt. Wie oft haben sie sich hier getroffen und glücklich in die Arme genommen, doch heute … Sie knüllt ihr Taschentuch zusammen, faltet es wieder auseinander und zerknüllt es erneut. Sie merkt es nicht. Sie zieht ihre Jacke fester um ihren Körper. Ihr ist kalt. Dabei streicht ein noch warmer Abendwind nach einem schönen sonnigen Spätsommertag über sie hin.
Sie sieht Bastian sofort, als er aus den Häusern des Ortes hervortritt. Mit festen Schritten kommt er auf sie zu. Braun gebrannt ist er vom Hochseesegeln mit seinem Boot. Sie hat dem nie etwas abgewinnen können, wurde nur seekrank dabei. Hans, sein bester Freund, war oft sein Begleiter.
Bang sieht Claudia Bastian entgegen. Er lacht. Weiß blitzen seine Zähne in dem gebräunten Gesicht. Seine Augen strahlen liebevoll, als er nah genug heran ist und ihr zuruft: „Was gibt es so Dringendes, das du mit mir besprechen musst?“
Er kommt zu ihr, zieht sie an sich und küsst sie zärtlich. Der leichte Wind spielt in ihren Haaren. Sanft legt er seinen Arm um ihre Schultern, während sie beginnen, den Weg oberhalb der Steilküste entlangzugehen.
„Nun sag schon, was ist los?“, drängt er.
Sie möchte heulen.
„He! So schlimm kann es nicht sein?“ Er bleibt stehen, streicht ihre langen Haare aus ihrer Stirn und versucht, ihr ins Gesicht zu sehen.
Sie kann seinen besorgten Blick kaum ertragen. Wenn sie sich nur nicht so schlecht fühlen würde. Die Kehle ist ihr wie zugeschnürt. „Es ist so …“, beginnt sie zögernd.
„Ja, was, Claudia?“
Sie schaut an ihm vorbei und schluckt an ihren Tränen.
„So langsam machst du mir Angst! Was fällt dir so schwer, mir zu sagen?“
Endlich, mit gesenktem Kopf erklärt sie leise: „Es ist vorbei, Bastian.“
Spontan lässt er sie los und tritt einen Schritt zurück. „Was ist vorbei?“ Er ahnt es, aber er will es nicht glauben.
Sie vermag ihn nicht anzusehen, nicht so, wie er jetzt mit diesem verzweifelt fragenden Blick vor ihr steht. Sie wendet sich ab, dem Meer zu und stößt mit dem Fuß nach einem Grasbüschel, während sie zu erklären versucht: „Das mit uns …es ist … wir müssen Schluss machen, Bastian.“
Nun ist es heraus.
Stille – ungläubiges Schweigen – dann fragt er: „Habe ich dich richtig verstanden: Du meinst, das mit uns geht nicht mehr?“
„Ja!“ Sie scheut sich, ihn anzusehen.
„Und du bist dir damit ganz sicher?“
„Ja.“
„Plötzlich, einfach so?“
„Nein, nicht einfach so.“
„Aha!“– wieder Stille – dann fragt er leise: „Warum dann?“
„Weil … weil …“
„Du hast einen andern.“ Noch sagt er es ruhig.
Sie nickt, schaut ratlos übers Meer, dreht sich nicht nach ihm um und zieht ängstlich ihre Schultern hoch.
„Wer ist es?“ Die Fäuste geballt, noch in verhaltenem Zorn presst er die Worte heraus.
„Bastian, bitte, ist das jetzt noch wichtig? Können wir nicht einfach auseinandergehen?“ Sie zieht ihre Jacke wie Schutz suchend noch enger um sich.
„Ich will wissen, wer es ist!“ Ein Schritt und er steht dicht hinter ihr. „Rede! Kenne ich ihn?“
Sie spürt seinen heftigen Atem im Genick, erkennt die unterdrückte Wut. Sie möchte weglaufen.
„Sag es endlich!“ Er packt sie von hinten an den Schultern und schüttelt sie heftig.
„Hans, es ist Hans!“, ruft sie voller Angst.
„Mein bester Freund?“ Wie Eisenklammern halten seine Hände sie gepackt. Er tut ihr weh. Fassungslos schreit er „Nein, nicht Hans!“ und stößt sie zornig von sich.
Sie taumelt auf den Rand der Steilküste zu. Panik erfasst sie. Gleich, gleich stößt er sie hinunter, denkt sie. Sie wankt, dreht sich dabei um und hebt abwehrend ihre Hände.
Aber er springt nur vor, ergreift sie, hält sie fest, zieht sie zurück und schließt sie in seine Arme. „Warum, warum?“, stammelt er schluchzend.
Sie spürt das Zucken seines Körpers. Seine Tränen nässen ihr Haar. Sie verharrt wie gelähmt und weint. So stehen sie eng umschlungen oben am Rand der Steilküste, während von unten das Rauschen der Wellen des Meeres zu ihnen heraufdringt, die schäumend, vom leichten Wind getrieben, unentwegt auf den Strand schwappen, als könne es keinen Sturm geben, als müsse die Welt stets in Ordnung sein.
Als sie sich wieder voneinander lösen, schaut sie ängstlich zu ihm auf. Er wirkt ruhig, aber traurig, sehr traurig. Das tut ihr mehr weh als seine Wut. Sie setzen sie sich zusammen ins Gras und schauen zu, wie in der Ferne die Sonne im Meer versinkt.
„Wie konnte das geschehen?“, will er wissen. Sie weiß keine Antwort. Soll sie ihm sagen, dass bereits an dem Tag, an dem er Hans zu ihr mitgebracht hatte, zwischen ihnen ein Funken übergesprungen war, dass sie sich nur noch dagegen gewehrt hatten?
„Wir wollten heiraten“, erinnert Bastian sie.
„Ja, und doch … du warst noch längst nicht bereit dazu, wenn du ehrlich bist.“
„Und Hans und du, ihr werdet heiraten?“
„Ja! Bitte, Bastian, es lag irgendwann nicht mehr in unserer Macht. Wir wollten dir nicht wehtun. Das musst du begreifen.“

Und Bastian scheint es zu begreifen. Als sie sich ein paar Tage später im Ort begegnen, kommt er auf Hans und Claudia zu, als wäre es nie anders gewesen. Sie reden von diesem, sie reden von jenem, nur nicht über sich. Am Ende fragt er Hans, ob sie nicht zusammen wieder einen Segeltörn machen wollten. Hans geht freudig, ja fast erleichtert darauf ein. Nur Claudia meint, dabei etwas in Bastians Blick zu erkennen, was sie beunruhigt.
„Hans, fahre nicht mit ihm hinaus aufs Meer“, fleht sie ihn an.
Aber der lacht. „Wir sind Freunde, wirkliche Freunde! Das siehst du daran, wie gut er das mit uns beiden verkraftet hat. Sorge dich nicht!“
Einen letzten Versuch, es zu verhindern, macht Claudia noch, ehe sie aus dem Bootshafen auslaufen. „Schaut mal, sieht der Himmel heute nicht seltsam aus?“ Und sie weist in die Ferne, wo sich leichter Dunst breitmacht.
Doch Bastian behauptet: „Ach, was! Der Himmel ist blau, blauer geht es nicht mehr“, während Hans sie umarmt und ihr ins Ohr flüstert: „Vertrau mir! Ich weiß, was ich tue.“
Sie gehen an Bord, hissen die Segel und gleiten sacht vom Wind getrieben hinaus.

Irgendwann danach ist der Himmel nicht mehr blau. Der Dunst schiebt sich vor die Sonne. Dunkle Wolken ziehen auf und ein Sturm bricht los. Claudia rennt zum Hafen. Sturmböen peitschen das Wasser. Boote schaukeln, heben und senken sich, reißen an ihren Ketten. Das Meer tobt. Erste Boote kehren zurück. Jedes Mal denkt sie, es müsse Hans und Bastian sein. Jedes Mal steigt ihre Angst, wenn sie es nicht sind. Dann hört der Sturm so plötzlich auf, wie er begonnen hat. Sie geht nicht nach Hause, sie wartet. Boote gleiten hinaus, Boote kommen herein, endlich auch das von Bastian. Aber sie sieht nur einen an Bord. Eine Zentnerlast legt sich auf ihre Brust. Sie rennt dahin, wo er anlegt. Bastian springt vom Boot herunter.
„Wo ist Hans?“ Ihre Stimme will ihr nicht gehorchen.
Bastian sieht sie nicht an. Er bückt sich, zieht wortlos das Boot heran und macht es fest.
Alles Blut scheint aus ihren Adern zu weichen. „Wo ist Hans?“, wiederholt sie lauter, drängender.
Langsam richtet Bastian sich auf und wendet sich ihr zu.
„ Sag nicht, dass …“ Ahnung, fast schon Gewissheit schnürt ihr die Kehle zu.
Er streicht mit einer hilflosen Geste über seine kurzen, von der Sonne gebleichten Haare und sieht an ihr vorbei. „Hans ist über Bord gegangen.“
„Nein!“, schreit sie.
„Es tut mir leid! Ich konnte ihn nicht halten.“
„Du lügst! Sag, dass das nicht wahr ist!“ Sie trommelt mit den Fäusten auf ihn ein.
Er hält ihre Arme fest. „Es war ein Unfall! Ein Segel drehte plötzlich und hat ihn von Bord gestoßen.“
„Ich habe es gewusst! Ich habe gewusst, dir ist nicht zu trauen“, wütend reißt sie sich von ihm los. „Ich habe ihn gewarnt!“
„ So glaube mir doch! Er hat nicht aufgepasst.“
„Du lügst! Du hast die Situation ausgenützt, es vielleicht sogar geplant“, klagt sie ihn an.
„Was unterstellst du mir?“ Er macht einen Schritt auf sie zu, will nach ihr greifen.
Sie weicht zurück. „Rühr mich nicht an!“, schreit sie.
Fast hilflos lässt er seine Arme sinken. „Es war ein Unfall! Bitte beruhige dich! Ich konnte ihm wirklich nicht helfen!“
„Ich glaube dir nicht! Du hast ihn umgebracht.“
„Wie kannst du es wagen …!“ Mit hochrotem Kopf steht er plötzlich vor ihr, die Hände zu Fäusten geballt, als wollte er sie gleich schlagen. Aber er fängt sich, hält sich zurück. „Es war ein Unfall. Du musst es mir glauben“, wiederholt er beschwörend.
Ein zunehmend lauter werdendes Tuckern ist von der See her zu hören, ein Ruf: „Claudia!“
Wie erstarrt steht sie. „Hans?“, flüstert sie ungläubig. Und ihr Blick wandert suchend zu dem Motorboot, das gerade ein Stück von ihnen entfernt anlegt.
Noch hat es nicht festgemacht, da springt Hans heraus. Mit großen Schritten kommt er zu ihnen gelaufen.
Nur für einen Moment verharrt Claudia ungläubig, dann rennt sie ihm entgegen, fällt ihm in die Arme und hält ihn fest, als fürchte sie, es könne nur eine Täuschung sein.
Bastian ist kreidebleich, als die beiden auf ihn zukommen. Hilflos flattern seine Augenlider, unruhig zucken seine Hände. „Gott sei Dank, Hans …“, sagt er und will auf ihn zu gehen.
Doch der mustert ihn mit eiskaltem Blick. „Spar dir das! Damit hast du wohl nicht gerechnet, dass mich ein anderes Boot aufnimmt und ich gerettet werde? Von wegen Freund …!“ Verachtend spuckt er ihm vor die Füße.
„Wie kannst du das auch nur denken? Es war ein Unfall, nichts, als ein Unfall“, beteuert Bastian sichtlich nervös. „Ich war machtlos und konnte …“
„Ach, hör doch auf! Das wird noch geklärt werden. Dafür sorge ich!“, unterbricht ihn Hans kurz und geht mit Claudia davon.
„Es war ein Unfall, wirklich! Der Sturm … es war ein Unfall!“, ruft Bastian ihnen noch verzweifelt nach. Aber es verhallt ungehört.

Letzte Aktualisierung: 26.01.2011 - 19.12 Uhr
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