Der himmelblaue Schmengeling
Der himmelblaue Schmengeling
Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
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Wasser | Januar 2011
Eiszeit
von Regina Lange

»Willst du da wirklich mitmachen?«, fragte Louise ihren Mann.
»Ja!«, brummte Werner in die Zeitung.
»Vorgestern waren 18, gestern 16 Grad minus. Ist das nicht viel zu kalt?«, wollte sie wissen und sah besorgt aus.
»Na, und? Darüber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen!«, entgegnete ihr Gatte kühl.
»Bist du denn gut vorbereitet?«
Werner rollte mit den Augen und blätterte um. »Natürlich!«
»Denkst du, dass du wirkungsvoll trainiert hast?« Sie räumte den Frühstückstisch ab.
»Was scheren dich die Vorbereitungen?«, fragte Werner zornig und knallte die Zeitung auf den Tisch:»Dreimal die Woche besuche ich die Sauna mit Abkühlung im Eisbad.«
»Ja, schon ...«
»Jeden Tag dusche ich kalt. Viermal wöchentlich schwimme ich eine Stunde im Hallenbad. Zufrieden?«
»Sei doch nicht gleich eingeschnappt. Ich meine es gut mit dir! Letztendlich bist du nicht mehr der Jüngste.«
»Papperlapapp!«
»Unabhängig davon musst du auf deinen Blutdruck achten.«
»Der ist in Ordnung. Lass das mal meine Sorge sein!«
Ihr Mann sprang vom Stuhl auf und verließ grimmig das Esszimmer.
Ständig mäkelt sie mit mir herum. Soll sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.
Werner marschierte in den Keller und packte seine Sporttasche. Er pfefferte das Handtuch in die Tasche.
Wo ist denn die Badehose?«, murmelte er und durchsuchte die Schränke. Keine Spur!
Todsicher noch im Wäschekorb, damit ich keinesfalls zum Schwimmen gehen kann! Typisch!
Werner wühlte wutschnaubend zwischen gebrauchter Leibwäsche, Frotteehandtüchern, Socken und dergleichen. Endlich wurde er fündig. Er schnappte sich die Hose, rannte ins Badezimmer und spülte sie in der Wanne aus.
»Was machst du da?«
»Angesicht der Tatsache, dass du meine Sachen nicht mehr wäscht, muss ich es selbst in die Hand nehmen!«
Louise bekam einen puterroten Kopf.« Seit wann besuchst du mittwochs das Schwimmbad?«
»Bin ich verpflichtet, nach einem festen Stundenplan zu leben? Ich gehe, wenn es mir passt!«
»Du gehst heute in die Schwimmhalle?«, fragte seine Frau verdattert.
»Ja!« Die Haustür knallte ins Türschloss. Sie schüttelte ärgerlich ihr Haupt.
Weshalb ist er derart mürrisch? Die ganze Zeit über das gleiche Theater. Auf diese Weise konnte das nicht weitergehen. Dieses Hirngespinst trieb ihn noch in den Wahnsinn.
Louise lief ihm hinterher und riss die Tür auf. Vor ihr stand Inge, die Nachbarin.
»Guten Morgen. Hattet ihr Streit?«
Im selben Moment fuhr Werner mit dem Auto vom Hof. Louises Blick wanderte vom Heck des Fahrzeuges in Inges neugieriges Gesicht.
»Wieso?«
Die Person hielt ihr ein Paket vor die Nase. »Na, der Postbote hat Sturm geklingelt und keiner machte ihm auf. Hab mich zwar gewundert, nahm es selbstverständlich gerne entgegen!« Sie grinste.
Das sah ihr wieder mal ähnlich. Stand mit ziemlicher Sicherheit am Fenster. Diese alte wissbegierige Schachtel.
»Danke«, zischte Louise.
»Es geht mich ja nichts an, aber Werner sah arg wütend aus.« Inge warf ihr einen erwartungsvollen Blick zu. Erhoffte, Neuigkeiten aus dem Eheleben der Nachbarn zu erhalten.
»Da muss du dich getäuscht haben«, log Louise. »Mein Mann hatte es eilig!«
Mit der Antwort schier unzufrieden, machte Inge auf dem Absatz kehrt und ließ kaum hörbar: »einen schönen Tag noch« verlauten.
»Gleichfalls«, murmelte Louise grimmig und schloss die Tür.

Unterdessen drehte Werner fröhlich seine Schwimmrunden im Hallenbad. Er fühlte sich topfit. Akribisch hatte er sich in den letzten Monaten auf sein Projekt vorbereitet. Seinen Fitnessplan eingehalten. Gut gewappnet würde er sein Ziel erreichen. Die ständigen Bevormundungen seiner Frau hatte er in reichem Maße in den vergangenen Wochen über sich ergehen lassen müssen. Werner schaute zur Uhr. Eine Stunde war vorüber. Das sollte genügen. Er schwamm zum Beckenrand, als ihn just in diesem Moment sein früherer Arbeitskollege Christian erblickte. Am liebsten wäre er abgetaucht.
»Hallo, wie gehts?«
»Gut«, knurrte Werner, während er die Leiter emporstieg.
»Vertreibst du dir die Zeit? Hast ja als Rentner reichlich davon.« Sein ehemaliger Kollege lachte.
»Und du? Drückst dich offensichtlich vor der Arbeit?«, konterte er.
Christians Fröhlichkeit endete abrupt. »Habe Urlaub.«
»Zwischen den Feiertagen?«
»Betriebsurlaub.«
»Gab es zu meiner Dienstzeit nicht.«
»Es ändert sich manches. Neue Besen kehren gut ...«
Er konnte seinen Nachfolger nicht leiden. Aufgeblasener Gockel. Wusste alles besser. Aufgrund seines jungen Alters wurde er Abteilungsleiter. Das war logisch. Die Senioren mussten weichen. Die Konsequenz: Vorruhestand.
»Trainiere schön deinen Weihnachtsspeck ab. Tschüss. Wichtige Termine warten auf mich!«
Werner schlüpfte in die Badelatschen, ergriff seine Tasche und ließ seinen Exkollegen mit offenem Mund stehen.

Der anschließende Besuch in der Sauna verlief entspannend. Nicht eine Menschenseele hielt sich dort auf. Die Abkühlung im Eisbad kostete ihn keinerlei Überwindung mehr. Beim Hineingehen durfte man nicht lange überlegen. Reine Kopfsache. Er genoss es.
Der Tag X konnte kommen.

Endlich Neujahr! Die Vollendung seines Projektes rückte in greifbare Nähe.Von wegen »Alter Sack«. Er würde es allen zeigen. Zum Glück glänzte Louise durch Abwesenheit. Einladung zum Brunch. Bestes Timing. Ohne die Ermahnungen seiner Frau spürte er eine gewisse Frische, die sie ihm heute in keinster Weise absprechen konnte. Werner überprüfte den Inhalt seiner Sporttasche. Nichts vergessen. Stolz stieg er ins Auto. Abgesehen von der Nachbarin, die den Kampf mit den Schneemassen aufnahm und gewaltige Hügel aufgetürmt hatte, war niemand zu sehen.
»Die Schwimmhalle ist geschlossen«, rief sie, die Hände auf der Schneeschaufel stützend, Werner zu. Typisch, dieses sensationslüsterne Individuum musste einen nutzlosen Kommentar abgeben.
»Ist mir bekannt«, erwiderte er schnippisch. Startete seinen BMW und fuhr los. Es hatte über Nacht geschneit. Aufgrund der glatten Straßenverhältnisse hielt sich der Autoverkehr in Grenzen. Nur vereinzelte Fahrzeuge kreuzten seinen Weg. Werner wunderte sich, dass der Parkplatz der Badeanstalt nur von wenigen PKWs belegt war.
Das liegt am Wetter, dachte er. Eine gewisse Unruhe konnte er jedoch nicht verbergen. Sollte das Spektakel nicht mit einer Veranstaltung und Musik umrahmt werden? Wo sind die ganzen Leute?
Jetzt schlug ihm das Herz fast bis zum Hals. Nervös lief er in Richtung Eingang. Die Pforte war verschlossen. Hatte er sich im Tag geirrt? Nein! Mit verbitterter Miene entdeckte er ein Plakat.
Sein Verstand wollte nicht glauben, was die Augen übermittelten.

Eiszeit im See. Traditionelles Anbaden fällt aus.
Die dicke Eisdecke macht es unmöglich, im See ein Loch für die Schwimmer zu öffnen. Mit dieser Kältewelle war nicht zu rechnen. Durch den Frost können wir in den Räumen der Badeanstalt weder Heizung noch Warmwasser für die Duschen bereitstellen. Wir bedauern das außerordentlich und hoffen auf Ihre Teilnahme im nächsten Jahr.
Die Veranstalter

Letzte Aktualisierung: 26.01.2011 - 19.13 Uhr
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