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Wasser | Januar 2011
Bewusst-Seins-(R)Evolution
von Farida Halib

Ich klaubte es vom regenfeuchten Gartenweg, das unscheinbare Blättchen, mit dem alles begann, an jenem Tag im Juni ... Darauf stand: Verordnung des Bürgermeisters!

Das Gemeindeoberhaupt teilte seinen Bürgern mit, dass es aufgrund der Trockenheit zur Verknappung der Trinkwasser-Reserven gekommen sei und dass wir Bürger des Dorfes Monticello davon abzusehen hätten, Rasenflächen und Beete zu bewässern sowie Schwimmbecken zu befüllen. Im Falle von Nichtachtung obiger Regeln wurde auch sogleich die zu entrichtende Buße bekanntgegeben.

So weihte ich unsere Töchter in das Anliegen des Bügermeisters ein. Die Geldstrafe erwähnte ich nicht, denn ich fand es erzieherisch wirksamer, eine Nichtbefolgung gar nicht erst in Erwägung zu ziehen.

Meine damals siebenjährigen Töchter zeigten reges Interesse an dem Notstand und waren auch sofort bereit zu kooperieren. Ich war indes sehr darauf bedacht, ihr Bewusstsein für den Verbrauch des unersetzlichen Gutes zu wecken und zu schärfen. Wies darauf hin, dass ihre gewohnten Planschereien im Garten ausbleiben mussten, dass sie nicht vergessen durften, Wasserhähne in Bad und Küche stets sorgfältig zu schließen und bat, Wasser auf gar keinen Fall zu vergeuden. – Und das saß!

Es dauerte nicht lange, da hatten die beiden entdeckt, dass ein Großteil unserer Hähne tropfte und der Gartenschlauch nicht dicht war.

Die Mädels hatten gewissenhaft eine Liste aufgestellt, auf der die mangelhaften sanitären Einrichtungen an den Pranger gestellt wurden. Folglich machte sich mein Mann zum „Brico“ auf, der italienischen Version des deutschen OBI. Er besorgte Dichtungen und einen nagelneuen Hahn für die Küchenspüle, für den jede Dichtung zu spät kam.

So werkelte mein Mann, und seine Töchter schauten ihm begierig dabei zu. Der letzte Hahn im vierten Bad war gerade zur Zufriedenheit aller Beteiligten dichtgemacht, da hatten sich die Zuschauerinnen bereits den Toilettenspülungen zugewandt. Vereint hingen sie über der Klobrille und beobachteten, dass ein kleines Rinnsal sich da trotz unbetätigter Spülung seinen Weg ins Loch bahnte. „Papa“, stellten sie fest,“ qui c´è una perdita!“, was so viel bedeutet wie, „Papa, hier ist was undicht!“ Papa war darüber gar nicht erfreut, doch in seiner Rolle als Erzieher wagte er nicht, seinem Unmut darüber Ausdruck zu verleihen und vertröstete die beiden auf „domani“, „morgen“.

Trotz herrlicher Spiele während dieses langen Sommertages im Garten hatten die beiden beim Abendessen auf der Terrasse das Versprechen ihres Papas nicht vergessen. So setzten sie mich darüber in Kenntnis: „Papa geht morgen zum Brico und kauft Teile, um die Toiletten zu reparieren“. Diese Eröffnung gereichte meinem Mann nicht gerade zur Aufmunterung, aber, was sein muss, muss sein.

Am kommenden Tage verbrachte er mehrere Stunden damit, die porösen Gummipfropfen auszutauschen, die das Abfließen des Wassers zugelassen hatten. Zuvor musste er die Spülkästen in der Wand öffnen und durch schulterzerrendes Hangeln und blindes Tasten besagte Teile ausbauen. Denn leider glich keines dem anderen, weswegen der Kauf sich außerordentlich aufwendig gestaltete. - Unser Vermieter ist nämlich ein sparsamer Mensch, der seit jeher nur Restposten aufkauft und daraus ganze Haussiedlungen zusammenbasteln lässt.

Am dritten Tage kümmerte mein Mann sich um die Hähne im Garten und um den Schlauch, den er umsichtig schon am Vortage im Brico besorgt hatte. Statt sich wie an den zwei vorangegangenen Tagen in den feucht-kühlen Bädern abzumühen, durfte er sich nun im strahlenden Sonnenschein betätigen. Zumindest bis das Gewitter mit Donner und prasselndem Regen losbrach.

Am vierten Tage waren wir Besitzer eines perfekten Wasser-Spar-Haushaltes und beschlossen, das zu feiern. Wir gönnten uns einen Besuch auf dem Straßenfest im Nachbardorf. In der schönen Jahreszeit erfreut man sich hierzulande an allerlei Festen, seien es nun die der kommunistischen Partei oder jene der zahllosen Schutzheiligen ... Erst das Plakat am Eingang des Dorfes klärte uns darüber auf, dass es sich um „das Fest des Wassers“ handelte. Auf dem Programm standen verschiedene Vorträge zum Thema Wasser und Sparmaßnahmen. Beeindruckt von so viel Konsequenz, stellte ich fest, dass wir hier einer regelrechten Erziehungskampagne unterzogen wurden. Da es die Mädchen an diesem heißen Tage nach Wasser gelüstete, bemühten wir uns an den Ständen um eine Flasche. Es gab indes nur Wein, Bier und Cola. „Tja“, sagte ich mir,“das Mangelempfinden fürs Wasser wird hier gezielt und eisern anerzogen!“

In den folgenden Wochen hatte ich mich mit dem Gedanken abgefunden, dass meine Zucchini diesen Sommer verholzen würden, mein Mann maß Chlor und Algenvernichtungsmittel für das Planschbecken, statt das Wasser zu wechseln, und wir lebten im bewussten Umgang mit dem kostbaren Nass.

Scheelen Blickes beobachtete ich, wie unser Hausbesitzer sowie Hausnachbar abends frech den Gartenschlauch zückte und seine Beete bewässerte. Sein Garten grenzt nördlich an unseren. Tagsüber hingegen war sein Gärtner zugange, der die Rasen der Residenzen östlich, südöstlich und südlich unseres Hauses sprengte, in denen die Nachkommen des Magnaten wohnen.

Wie befürchtet, konnten wir die Gesetzesüberschreitungen unseres Nachbarn und Vermieters vor den Augen der Kinder weder vertuschen noch rechtfertigen. In einem unbewachten Moment sah ich sie schließlich am Zaun hängen, wie sie einstimmig hinüberriefen: „Signor Negri, è vietato!“, um ihn teilhaben zu lassen an den neuesten Bestimmungen. Seine fünfundachtzigjährigen Ohren ersparten ihm, von dem Hinweis seiner jungen Nachbarinnen Kenntnis nehmen zu müssen. Er schien auch nicht verwundert, als der Wasserstrahl plötzlich versiegte. Ich erhaschte gerade noch einen Blick auf meine Töchter, die auf unsere Seite des Zaunes zurücksprangen.

Als genügten unsere elterlich-erzieherischen Probleme mit der Wasserfrage nicht, stand am Parkplatz der Schule ein Hydrant, aus dem eines Morgens reichlich Wasser floss. Dem geschärften Wasserbewusstsein der Mädels entging der Misstand natürlich nicht. Erst als ich versprach, ich werde die Stadtverwaltung anrufen und auf den Wasserverlust hinweisen, waren sie bereit, das Schulgebäude zu betreten. Deshalb war ich auch höchst erfreut, einen Angestellten der Stadt auf dem Parkgelände zu treffen, der sich durch Blaumann und Zigarette im Mund auswies und mir jovial antwortete: „Si, lo mettiamo a posto noi!“, was für mich bedeutete, er und seine Kollegen würden sich gleich mal darum kümmern.

Ich holte die Kinder mittags ab. Wasser strömte aus dem Hydranten, der Parkplatz war gründlich bewässert worden und hatte die ersten hundert Meter der abschüssigen Straße miteinbezogen. Nur mit Mühe kämpfte ich die Empörung meiner Schulmädchen auf der Rückfahrt nieder. – Zuhause ergriff ich den Telefonhöhrer und wählte die Nummer der Stadtverwaltung. Die zuständige Person war nicht verfügbar. Stattdessen half man mir mit dem Schnee-Walzer über die öde Wartezeit hinweg. Die, wie mir auffiel, gefrorenem Wasser gewidmeten Klänge wurden schließlich vom Besetzt-Zeichen unterbrochen. Als die Kinder vom Spielen im Garten hereinkamen, log ich, man habe den Schaden behoben. Ich begann, mich mit meinen Erziehungsprinzipien auf verlorenem Posten zu wähnen. Aber das Schicksal war mir, gottlob, gnädig und am nächsten Schultag konnte ich den Glauben meiner Töchter an den ordnenden Eingriff der Autorität aufrechterhalten.

Dann wurde es August, Monat, in dem traditionell alle Italiener im Urlaub sind. Im Heizungsraum, neben dem Hauptzulauf, sickerte Wasser aus dem Fußboden. Ganz leise und unauffällig, doch stetig und unmöglich zu ignorieren. Ich biss in den sauren Apfel und telefonierte mit unserem Hausbesitzer. Der hört zwar nicht viel, aber dafür redet er umso lieber. Nach fünfunddreißig Minuten hatte ich aus dem abschweifenden Gespräch entnommen, dass sein Sohn, für solcherlei Unfälle zuständig, im Urlaub sei. Er selbst aber werde vorbeischauen. Bei seinem Inspektionsgang erfuhr ich die Lebensgeschichte seines verstorbenen Vetters und schließlich, dass es keine Pläne mehr vom Hause gab, die Aufschluss über das unterirdische Rohrsystem geben konnten.

Eine Woche später war deutliche Wellenbildung auf dem breiten Rinnsal zu erkennen. Das Wasser floss und plätscherte. Unangekündigt schaute eines Sonntags der Klempner vorbei. Sagte, er käme, sobald er könne, verschwieg aber, dass er just im Begriff war, seinen Urlaub anzutreten. Zumindest konnte er mir versichern, dass das Rohrsystem vollkommen undurchsichtig sei und dass wir riskierten, im Falle eines Eingriffes sowohl die Außenbereiche als auch die Waschküche von der Wasserversorgung abzuschneiden.

Drei Wochen später gluckste und gurgelte das Wasser aus dem Fußboden, der Kesselraum stand nunmehr permanent unter Wasser, der Putz bröckelte von den Wänden. Nachdem ich den Gedanken verworfen hatte, die Kinder durch einen improvisierten Urlaub aus der Nähe der Quelle des Anstoßes zu entfernen, erklärte ich das Wort „Wasserverschwendung“ in unserem Hause zum Tabú.

Da erschien der Klempner braungebrannt wieder. Er brauchte nur eine halbe Stunde, um zwei Rohre zu überbrücken, die ein unterirdisches Rohrsystem ausschlossen, von dem keiner weiß, wohin es führte.

Seither ist unsere Wasserrechnung deutlich gesunken. Ob unser Wasser das Fundament des Hauses jahrelang bewässerte oder die Bäder unserer Nachbarn, das ist bislang noch nicht geklärt.

Übrigens verholzten meine Zucchini nicht, denn es regnete außergewöhnlich viel in jenem Sommer. Trotzdem las ich auf den computerisierten Mitteilungs-Tafeln der Vororte Mailands, dass wegen der anhaltenden Trockenheit Wassersparmaßnahmen von Seiten der Bürger unerlässlich seien.

Gewiss ist, dass ich mein Erziehungs-Konzept komplett revolutioniert habe. Den Kindern gestand ich meinen Irrtum. Seither propagiere ich: „Das Universum birgt UNENDLICHE Reichtümer, und nur anerzogenes Mangelempfinden erzeugt tatsächlich Verknappung“ ... und das sitzt!

Letzte Aktualisierung: 18.01.2011 - 16.04 Uhr
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