Der himmelblaue Schmengeling
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Traumfrau/-mann | April 2011
Abschied von Julius
von Claudia Kanter

Es war wunderbar, Julius endlich wiederzusehen. Ihm nah zu sein. Ihm in die Augen blicken und sein Lachen bewundern zu können. Sie hatte so lange darauf gewartet. Für sie ist eine ganze Ewigkeit vergangen, bis er sich gemeldet und gefragt hatte, wann sie ihre Mappe abholen könnte.
In erster Linie hatte Jenna einem Treffen zugestimmt, weil sie sich erneut von seinem Charme streicheln lassen wollte. Schmiegsam und hingebend.
Offiziell ging sie zu ihm, um ihre Bilder abzuholen. Ihre selbstgeschossenen Fotos, die sie sofort wieder vergaß, als Julius die Tür öffnete. Als er vor ihr stand, sah sie wieder seine Schönheit und Anmut und sein weiches Wesen.
Jenna befürchtete erst, dass er ihr einfach nur die Bilder in die Hände drücken und sie ganz schnell wieder der Tür verweisen würde. Aber so war es nicht. Julius freute sich, sie zu sehen und zeigte alle Anzeichen eines geplanten Abends mit ihr. Sie kniete innerlich vor ihrer Erleichterung nieder und ein langes Ausatmen begleitete sie.
Sie machten es sich in seinem Wohnzimmer gemütlich und schmückten beinahe jeden Satz ihrer Unterhaltung mit einem zärtlichen Lächeln. Seine Stimme hüllte Jenna in eine innere Ruhe und Sicherheit. Bei ihm fühlte sie sich wohl.
Sie hatten sich viel zu erzählen und Jenna machte sich erst gegen 23 Uhr auf dem Weg nach Hause. Das war eigentlich nicht ihre Uhrzeit. Aber wie sollte sie sich auch von so einem Traummann trennen können?
Unterwegs spürte Jenna noch immer seine warme Umarmung, die er ihr zum Abschied geschenkt hatte. Sie ging durch den Park und tanzte vor Glück mit den vielen Schneeflocken, die lautlos an sie heranrückten, und strahlte mit dem glitzernden Boden um die Wette.
Sie war verliebt in ihn, schon eine Weile. In ihren Augen war er nicht so wie alle anderen. Julius zeigte sich ihr als vernünftiger junger Mann, der mit beiden Beinen fest im Leben stand. Zunehmend hatte sein Auftreten Behutsamkeit und Herzenswärme gezeigt. Dies verfestigte ihren Glauben, dass er ihr vielleicht all das geben könnte, was sie so dringend benötigte.
Allein deshalb war es für sie mehr als genug, dass sie zwar wieder einmal einen schönen Abend mit ihm verbringen konnte, dieser aber nicht mit einem paradiesischen Kuss geendet hatte. Etwas später schlief sie beglückt und unbekümmert ein.
Wenige Tage später hatte sie ihre erste richtige Verabredung mit Julius. Sie saßen beim Chinesen und tauschten verliebte Blicke aus. Sie war unheimlich glücklich und mindestens genauso angetan von dem Gedanken, dass Julius ebenfalls so glücklich und verliebt war wie sie. Denn genau das vermittelte er ihr.
Atemberaubend sah er wieder aus. So wunderschön, so verführerisch und ebenso zerbrechlich. Ein Strahlen zierte sein Gesicht, aber feingemahlener Seelenschmerz rankte noch um seine Augen. Es haftete so fest an ihm, dass es alte Kränkungen verriet. Julius´ erlebtes Leid schlängelte noch immer um seinen Körper, um sein Herz. Seine trostlosen Blicke trafen Jenna jedes Mal so tief, dass sie immer stärker den Wunsch verspürte, ihm seine seelische Unversehrtheit zurückzubringen. Sie kannte die Ursache. Julius hatte ihr schon vor einigen Wochen von seinen Verletzungen berichtet. Er hatte von dem Betrug seiner Ex-Freundin gesprochen. Davon, wie sie mit seinem angeblich besten Freund eine Affäre angefangen hatte. Doch er sollte seine Erinnerungen für diesen Moment in eine Kiste verscharren und sich Jennas Seele widmen. Ganz und gar. Ohne halbe Sachen. Und Jenna glaubte, dass er sich das an diesem Abend zu Herzen nehmen und sich einzig und allein ihrer Zweisamkeit hingeben würde. Denn Julius wollte nicht länger in Vergangenem herumstöbern. Er wollte genießen und den Abend noch nicht beenden.
Also gingen sie nach dem Essen noch ins Kino. "Geliebte Jane" stand auf dem Programm, war aber nicht relevant. Julius und Jenna hatten nur Augen für sich. Sie erzählten sich zwischendurch immer mal wieder etwas und kamen sich dabei langsam näher. Tiefes Begehren wallte in Jenna auf und es versuchte, sie zu überwältigen. Beide sahen sich in die Augen, um sie gleich darauf zu schließen und sich zu küssen. Es war ein kostbarer Augenblick, ein unverwarteter und quälend lang ersehnter Augenblick, als sein Mund auf ihren zukam. Alles Sinnliche öffnete sich ihr an diesem Abend und sie nahm es dankbar und gerührt an.
Kurz darauf begleitete Julius Jenna noch nach Hause. Auf dem Weg hielt er ihre Hand, die leicht zitterte. Das Zittern breitete sich aus, wanderte über Jennas gesamten Körper. Und dann machte sich Traurigkeit in ihr breit. Denn das gewohnte Aufwiedersehen rückte immer näher. Jenna wollte sich noch nicht von ihm lösen. Es sollte nicht einfach aufhören. Wehmütig blickte sie zu ihm auf. Julius umfasste ihr Gesicht und küsste sie. Ihre Verabredung klang langsam mit dieser kleinen Zärtlichkeit aus.
Ein bezaubender Abend, himmlische Küsse. War es das? Nun war schon eine ganze Woche vergangen und Julius hatte sich noch immer nicht bei Jenna gemeldet. Sie kam fast um vor Angst und Traurigkeit. Was war los? Hatte sie etwas falsch gemacht? Jenna war besorgt und zog immer panischer und erschöpfter in ihre Hoffnungslosigkeit ein.
Drei Tage später traf sie Julius zufällig in der Stadt. Sein Gesichtsausdruck verriet ihr, dass ihr ein düsteres Ende bevorstand. Er war schmerzlich unnahbar und reserviert Jenna gegenüber. Sie spürte, dass er sich in dieser kurzen Zwischenzeit von ihr entfernt hatte. Er war einer Aussprache aus dem Weg gegangen. Doch nun stand sie vor ihm, er musste sich mit Jenna auseinandersetzen. Mit ihr und ihren intensiven Gefühlen für ihn, die er nicht erwiderte.
Für immer unlöschbar waren jetzt Julius´Worte. Mit ihnen brach ihr Herz. Ihm war klar geworden, dass Jenna wohl keine Bettgeschichte reichen würde. Sonst sagte er nichts weiter. Sie war bestürzt. Nur darum ist es ihm die ganze Zeit gegangen? Von etwas rein Körperlichem hatten sie doch aber nie gesprochen. Warum dann das ganze Drumherum? Wozu der Aufwand? Weshalb hatte er nicht frühzeitig gesagt, was er wirklich wollte? Tausend Fragen überschlugen sich in ihrem Kopf. Jenna wurde schwach und wollte sich aus ihren Tränen herauszwängen, aber diese begruben sie schnell unter sich. Julius ging einfach weg und Jenna blieb allein zurück. Einsam stürzte sie in ihre Enttäuschung und Wut. Und in die Erkenntnis, dass Julius nur das äußere Bild eines Traummannes besessen hatte, nicht aber das Bestreben und den Wunsch danach, auch einer zu sein.

Letzte Aktualisierung: 26.04.2011 - 18.11 Uhr
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