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Traumfrau/-mann | April 2011

So ein Traummann!!!
von Ingeborg Restat

„Traummänner gibt es nicht“, sagte ich zu Ute, meiner Freundin. „Entweder sie sehen gut aus, dann stimmt alles andere nicht oder es ist umgekehrt.“
Ich hatte eher ein Exemplar der letzteren Sorte, das mich manchmal zur Weißglut brachte, und dazu drei Kinder, die ihren Vater abgöttisch liebten. Fast könnte man meinen, ich hätte vier Kinder, wenn Adrian mit den drei Jungs und einem Fußball durch den Garten tobte. Man konnte kaum glauben, wie wendig dieser Mann von vierzig Jahren noch mit den Jungen mithalten konnte. Dabei war längst nicht mehr zu übersehen, wie sich die Pfunde bei ihm im Laufe der Jahre nicht nur um die Taille gelegt hatten. Auch seine Haare verkrümelten sich mehr und mehr. Nein, er war kein Adonis und ist es nie gewesen. Aber es war mein Mann, mit dem ich mich verbunden fühlte und den ich liebte, woran nicht einmal ein Streit etwas ändern konnte.
Wie oft musste ich gute Miene zu bösem Spiel machen, wenn bei der Rumtoberei der vier im Garten wieder etwas kaputt ging. Trat ich dann verärgert aus dem Haus und stemmte empört die Arme in die Hüften, so standen sowohl Vater als auch Söhne mit reumütig geneigten Köpfen vor mir. Sie hätten das nicht mit Absicht getan, beeilten sie sich, mir zu versichern. Und Adrian fügte noch hinzu: „Wir bringen das wieder in Ordnung!“
„Bestimmt!“, bekräftigten die Jungs das im Chor und nickten eifrig dazu.
„Aber wie denn?“, fragte ich oft zurück, wenn ich feststellen musste, dass mein Blumenbeet zertreten, die Wäsche auf der Leine verdreckt oder meine Lieblingsrosen abgebrochen waren. „Du solltest eigentlich schon erwachsen sein!“, warf ich dann Adrian auch mal missgelaunt vor.
Doch das hielt nicht lange an, wenn ich sah, wie der Vater mit seinen Söhnen bald darauf bemüht war, alles wieder zu reparieren und das Unmögliche möglich zu machen. Was dabei herauskam, war meistens zum Lachen. Nein, ich wollte mein gutes Stück nicht anders haben. Es spielte auch keine Rolle, dass er nicht immer aufmerksam um mich herum war, mir keine Tür aufhielt oder Blumen schenkte. Er liebte mich und ließ es mich auf seine Art wissen.
Ute hielt allerdings nicht mit ihrer Meinung zurück, ihn ziemlich plump zu finden. Für mich sei es ja gut, aber sie würde sich damit nicht zufrieden geben, versicherte sie mir. Für sie kam nur ein Traummann infrage. Eines Tages wird sie ihm begegnen, davon war sie überzeugt. So lebte sie ihr Singledasein und wartete Jahr für Jahr.

Und wirklich, irgendwann hatte sie ihn gefunden. In den höchsten Tönen schwärmte sie mir vor, wie aufmerksam er sei, wie liebevoll und zärtlich. Auch dass er eine Segeljacht besaß und einen Sportwagen, hob sie hervor. Ja, wohlhabend musste er wohl sein.
„Und dabei ist er nicht einmal eingebildet, hat hervorragende Umgangsformen, ist witzig und liest mir meine Wünsche von den Augen ab. Nichts darf ich tun, wobei ich mir die Finger schmutzig machen könnte“, versicherte sie mir mit blanken Augen.
„So ein Exemplar gibt es doch gar nicht“, meinte Adrian.
Aber er irrte sich. Mir fielen bald die Augen aus dem Kopf, als Ute ihn zu uns mitbrachte. Adonis in Person stand vor mir. Schlank war er, gerade so muskulös, dass er durchtrainiert wirkte. Volles dunkles und leicht gelocktes Haar umrahmte ein ebenmäßiges Gesicht. An seinen Schläfen schimmerte es silbern, gerade so viel, dass es ihn interessant machte. Perplex nahm ich die Blumen entgegen, die er mir mit einer leichten Verbeugung überreichte. Dieses Lächeln - der Mann wusste, wie er auf Menschen wirkte. Sein Blick umfing mich nicht abschätzend, sondern er gab mir das Gefühl, als sei ich in seinen Augen besonders ansehenswert, ja anziehend. Wie würde er sich in unserem Kreis bewähren?
Überraschend harmonisch verlief der Abend. Kein Moment der Fremdheit kam auf. Alles an diesem Mann wirkte natürlich. Er hatte sogar das Talent, sich auf Adrians etwas kumpelhafte Art einzustellen, immer höflich, immer liebenswürdig. Ich wollte es nicht, und doch glitt mein Blick abschätzend über beide Männer. Dabei ertappte ich mich, dass ich mich fast für Adrian genierte. Ja, für Ute hatte sich das Warten auf den richtigen Mann gelohnt.
Adrian allerdings meinte: „Na, hoffentlich wird sie mit dem glücklich.“
Ich schwieg lieber dazu und seufzte. Was verstand Adrian von den Wünschen einer Frau? Wie oft bewies er mir das, wenn er meinen Geburtstag oder den Hochzeitstag vergaß, keine Blumen brachte, weil er meinte, im Garten wüchsen genug, oder sagte, ich solle mir selbst kaufen, was ich mir wünschte. Aber neidisch wollte ich auf Ute nicht werden.

Lange hörte ich nichts von ihr. Dann rief sie mich an. Sie war mit ihrem Traummann zusammengezogen. Ein Herbst verging und ein Winter. Ute schwärmte in den höchsten Tönen von ihrem Leben mit ihm. Fast wurde ich doch neidisch darauf. Aber war das noch normal?
In den ersten warmen Tagen des Frühlings machten wir mit unseren Jungs in unserer „Familienkutsche“ einen Ausflug in die Umgebung. Plötzlich rief einer der Jungs: „Da ist Ute!“
„Wo?“
„Bei dem Auto am Straßenrand!“
Tatsächlich, da stand der Sportwagen von ihrem Adonis. Sie hockte daneben und wechselte ein Rad, während er sich lässig an sein Auto lehnte, eine Zigarette rauchte und gerade ein Stäubchen Asche von seinem Jackenärmel schnippte.
Adrian lachte schallend. „Wie war das noch: Er passt auf, dass sie sich nicht die Finger schmutzig macht - und jetzt? Der kann ja wohl nicht mal selbst ein Rad wechseln! Du brauchtest das nicht bei mir.“ Seine Augen funkelten triumphierend.
Ich hätte das auch nicht gekonnt. Aber Ute hatte es wohl in ihrem langen Singledasein lernen müssen, während sie auf ihren Traummann gewartet hat.
Oh, war ihr das peinlich, als wir bei ihnen anhielten und Adrian sich anbot, ihr zu helfen.

Letzte Aktualisierung: 17.04.2011 - 18.50 Uhr
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