Burgturm im Nebel
Burgturm im Nebel
"Was mögen sich im Laufe der Jahrhunderte hier schon für Geschichten abgespielt haben?" Nun, wir beantworten Ihnen diese Frage. In diesem Buch.
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Endlich frei | Juni 2011
Smells like Team Spirit!
von Jochen Ruscheweyh

„Fuck, meine Hand!“
„Hoffentlich keine dauerhafte motorische Störung!“
„Was weiß ich!“, blökt Schröder Teschke an und schnallt seine Flying V ab. „Tut jedenfalls weh!“
„Sehnenscheidenentzündung. Typische Zivikrankheit.“
„Meinste jetzt, ich markier´ oder was, Beckmann?“
„Nein, ich habe bloß gesagt, das ist eine Zivikrankheit“, stellt Beckmann wie beiläufig fest, während er sein Snare-Fell nachspannt.
„Ey, Wuttke, halt´ mich fest, sonst dresch´ ich dem Penner ´n paar auf´s Maul. Das lass´ ich mir doch nich´ von ´ner ausgemusterten Pissnelke sagen!“
„Komm wieder runter, Schrö“, versuch´ ich, ´n bisschen den Drive rauszunehmen. „Nach der nächsten Tour wird alles besser!“
Pavarotti packt sein Mikro ein und nuschelt: „Wat? Nach der nächsten Kur wird allet besser? Wer macht denn ´ne Kur? Schröder? Heilfasten, der fette Sack, wat?“
Pavarotti spielt mit seinem Leben, nur richtig bewusst is´ ihm das grad nich´. Auch M. und seine beiden Perlen hängen ziemlich uninspiriert auf´m Sofa ab. Irgendwie is´ die Luft raus. Ich werf´ Steffi meinen Hätten-wir-mal-besser-in-Ruhe-zu-Ende-gevögelt-als-voll-abhetzen-und-jetz´-schon-wieder-so-´ne-Scheiße-hier! – Blick zu. Sie pariert mit Mona-Lisa-Gedenk-Mimik.


„Ey, du hast was gemacht?“, frag´ ich.
„Ich hab´ der ganzen Combo ´ne Auszeit besorgt. Ihr müsst mal den Kopf frei kriegen!“
„Scheiße, ja, aber wie?“,
„Ich hab´ Dir doch erzählt, dass ich bei der BFA bin. Also, kein großes Ding. Dann könnt ihr noch mal relaxen vor der Tour. Die Sache hat bloß ´n kleinen Haken. Mit ´n bisschen Hacking hab´ ich euch zwar auf ´ne Sonderliste setzen können, aber an die richtig geilen Kurorte bin ich nich´ drangekommen.“
„Das heißt, irgendwo Zonenrandgebiet?“
„Nein, nich´ so weit. Aber ´n prima reaktivierter Luftkurort mit Salzsohle.“
„Wohin, Steffi?“
„Is´ doch nich´ so wichtig, oder? Hauptsache mal durchatmen!“


„Ich wäre lieber in einem Ort mit Spielcasino gelandet, Bad Oeynhausen vielleicht, kannst du der Steffi sagen, für´s nächste Mal“, nörgelt Beckmann und drückt den siebten Morgen in Folge seine Kippe am Kurklinikschild aus. Klar, ich find´ Unna-Königsborn auch richtig beschissen, aber wenn meine Perle was klarmacht, dann hat Beckmann „Danke“ zu sagen und nich´ rumzukacken.
„Ey, meinste nich´, dass ers´mal bücken angesagt is´, weil die Steffi uns drei Wochen arbeitsfrei besorgt hat? Such´ dir ´ne Scheiß-Spielothek und halt´n Schnabel, Bibo!“
„Wo is´ eigentlich Teschke, Pavarotti?“
„Wen interessiert dat? Bassisten sind eh Poser!“


Pavarotti kommt vom Frühstücksbuffet und zeigt mit ´m Finger auf ´n Typen schräg gegenüber. „Ey, Beckmann, da drüben! Dat is´ Frank Farian!“
„Wer?“
„Frank Farian. Boney M. und Milli Vanilli und so.“
„Häh? Wohnt der nich´ in Miami oder Toronto?“, will Schröder wissen.
„Klar, aber wenn´s um die eigene Gesundheit geht, dann komm´n alle Promis wieder zurück nach Alemannia!“
„Ey, Pavarotti, ich will Dir ja nich´ deinen Paparazzi-Trip verderben, aber die eine Sozialmöse hat den vorhin mit Neureuther angesprochen“, zeigt sich Schröder beharrlich.
„Ja klar. Der is´ ja auch nich´ so blöd und checkt unter sei´m Künstlernamen hier ein. Der heißt in Echt Franz N. Reuther. Sprich´ dat ma´ schnell wech, dann hört sich dat wie Neureuther an. Ey, ich geh´ den ma´ anlabern.“
„Und warum? Der produziert doch nur Scheiß-Mucke!“, sag´ ich.
„Egal, wir brauch´n Connections, Wuttke!“
„Hat jemand Teschke gesehen?“, wirft Beckmann ein.
Schröder zuckt mit den Schultern. „Ich glaub´, der hat ´ne Schwester aufgerissen.“
„Teschke?“, echoen Beckmann, Pavarotti und ich simultan.


„Na, allet cool, Daddy?“
Der Typ, der Frank Farian sein soll, glotzt leicht irritiert über seine Bildzeitung. Pavarotti zieht sich ´n Stuhl ran, nimmt ´n Croissant aus ´m Brotkorb, zieht´s einmal durch Vielleicht-Frankie-Boys -Fruchtstippe und beißt rein.
„Ey, dat kommt jetz´ vielleicht etwat spooky für dich, aber wir sind ´ne geile Combo hier ausser Ecke und könnten einen brauch´n, der unsern Metal funky taped und mastert. Hasse Böcke drauf?“


„Aber dat hätter echt sein könn´.“
Pavarotti is´ so in seinem Film drin, dass es fast weh tut, ihn da rauszureißen. Beckmann fängt stänkermässig an, ´ne beschissene kleine Melodie zu pfeifen, die ziemlich nach „By the Rivers of Babylon“ von Boney M. klingt. Pavarotti greift sich das Glas Orangensaft neben sich und ext es.
Der teilmobile Senior einen Platz weiter tippt ihm auf die Schulter. Pavarotti brüllt ihn an: „Wat is´, Oppa?“
„Verzeihens, aber das war meiner.“
„Ey, mein´n Ahnen hat ma´ ´n Haus im Ost´n gehört und dat is jetzt auch wech, also kack´ hier nich´ rum, o.k.?“
„Aber da war mein Parkinsonmittel drin, gell?“
Es rattert bei Pavarotti. „Ey, fuck, wat macht ´n dat, so´n Mittel?“
Der Senior setzt sein wahrscheinlich feistestes Peter-Alexander-Grinsen auf und wienerschmarnd: „Ja, gemma, ´s hält mich halt beweglich. Da läufst besser mal rasch in die Apotheken, Beatnik!“


Pavarotti hat rote Flecken am Hals. „Ey, wo is´ dem Teschke seine Perle, die hat bestimmt Kenne von so ´nem Zeug!“
„Keine Ahnung, vorhin ham die auf ´ner Bank gesessen und er hat ihr Howard Carpendale Songs auf ´ner Akkustischen vorgespielt“, erinnert sich Schröder.
Woraufhin Pavarotti explodiert: „Wie homo is´ dat denn? Der Typ is´ doch ´n Rassist!“
„Häh? Teschke? Weil er Howie-Songs covert?“
Beckmann klärt auf: „Er meint Carpendale, weil der weiß ist und aus Südafrika kommt ...“
„Und was hat das mit Homosexualität zu tun, junger Mann? Ich glaube, Sie sind hier wohl derjenige, der Vorurteile hat und nicht Herr Carpendale“, mischt sich ´n Typ im Trainingsanzug mit Urin-Beinbeutel vom Nachbartisch ein.
Pavarotti geht steil: „Ach, leckt mich doch alle ma´, ich mutier´ vielleicht gleich zum Psycho, und ihr beißt euch an so ´ner Pisse fest!“


Schröder und ich finden Teschke, ohne ´ne Anzeige im Music Express aufgeben zu müssen.
„Ey, Teschke, hätt´st ja ruhig mal ´n Ton sagen können, dass du auch auf Singer/Songwriter machst“, sag´ ich zu ihm.
„Genau, coole Sache!“, pflichtet Schröder mir bei und checkt Teschkes Abschleppung.
Teschke läuft an wie das rote Scheiß-Album von den Beatles und faselt was von kein Raum in unsern Songs.
„Apropos Raum“, wechselt Schröder ungalant das Thema und zeigt auf Barbara, wie ihr Namenschild Teschkes gewichtigen Aufriss unschwer ausweisen tut, „sag´ mal, Babsi, kennste dich eigentlich mit Pillen aus? Also, jetzt nich´ Speed oder Diätpillen, mehr so ... wie heißt das noch, Parkinson?“


„Ey, Schrö“, sag´ ich fünf Pils später im Thermalbecken zu meinem Gitarren-Sidekick und glotz´ an die Decke. „Jetzt ham wir mal´n Break und machen uns schon wieder voll Stress, nur wegen Pavarotti.“
Ich krieg´ ´n Erzähl-Flash. Muss an der salzigen Luft liegen. Außerdem is´ Schröder eh so was wie die Band-Briefkasten-Omma. Also zähl´ ich auf, wann und warum ich mich total eingeengt fühl´, wie gern ich Ballast abwerfen tät´, warum ich manchmal Abstand von Steffi brauch´ und frag´, ob er auch den Heep-Song Prisoner kennt, als ich bemerk´, dass Schröder wie ´n Wal auf´m Rücken treibt und nix sagt. Scheiße, wieder seine Narkolepsie!
Ich seh´ Teschkes Perle an der Saunazone.
„Ey, Babsi!“, wink´ ich, „hilf mal, der Schröder säuft ab!“
Wondergirl reißt ihren Dress runter, hechtet arschbombich rein und taucht direkt neben mir auf. „Alter, Größe, Gewicht, Blutgruppe?“, brüllt sie mich an.
„Nee!“, brüll´ ich zurück, „Rausheben und Feuerzeug an seine Finger dranhalten, das reicht!“


Drei Stunden später is´ Schröder wieder alive and kicking und zwar so, dass Babsi und er irgendwo in der Handtuchausgabe verschwunden sind und ich ´n ziemlich besoffenen Teschke, der wegen den beiden grad´ seinen Moralischen kriegt, am Bein hab´.
Aus Solidarität zieh´ ich pilstechnisch mit. Logo.


Irgendwann fallen wir fett wie die Haubitzen auf ´ne Klinikparkbank, Teschke hängt an meiner Schulter, heult wie ´n Schlosshund über seine Love, oh lost Love und alle Viertelstunde keift ´ne Nerv-Schwester irgendwo über uns aus´m Fenster: „Is´ da unten bald Ruhe?“
Ich seh´ ´ne Kippe aufglimmen. Der vermeintliche Frank Farian tritt aus´m Schatten von ´nem Busch raus.
„Hi, ich bin nicht Frank Farian, aber ihr habt mir heute Morgen eine Menge Spaß bereitet. Ich versuche immer, meine Millionen möglichst gewinnbringend im Music-Biz anzulegen. Früher habe ich zum Beispiel mal Free gepushed. Ihr wisst schon, Peter Frampton und Paul Rogers, „Allright Now!“.
„Ja und?“, frag´ ich.
„Ich bin immer auf der Suche nach Rohdiamanten. Besucht mich doch mal in meinem Studio in Düsseldorf. Mal sehen, was ich für euch tun kann.“
„Paul Rogers ist eine singende Prostituierte. Er heuert bei jeder Band ohne Sänger an. Wenn man ihm genug zahlt“, kommt es robotermäßig aus Teschke. Das erste Mal, dass ich ihn - ansatzweise - fluchen hör´. Dann kotzt er in die Büsche neben sich.
„Genau!“ pflichtet ihm Pavarotti, der etwas hölzern angestiefelt kommt, plötzlich bei. „Wir brauch´n keine elitär´n Kö-Fotzen, die uns push´n! Wir tour´n uns lieber ´n Arsch ab als uns kauf´n zu lassen.“
„Franjo-Freund!“, stimmt Beckmann in unseren Choral ein.
Aus´m Nix steht Schröder in unserer Phalanx, quetscht sich neben Teschke auf die Bank und fängt auch fast an zu bläddern, wie leid ihm die Sache mit Babsi tut. Und Teschke flennt ihm entgegen, dass er nur will, dass Babsi glücklich is´, auch wenn´s ohne ihn wär´.
Der Nicht-Frank-Farian schüttelt seine Rübe und rotzt auf´n Boden: „Eure Scheiß Hippie-Einstellung ist wirklich zum Kotzen, die bringt Euch nirgendwo hin!“
„Genau dahin woll´n wir, Alter!“
Keine Ahnung, wer das sagt, vielleicht ich?


Ich steh´ inner Telefonzelle und hör´ den Cent-Stücken beim Durchfallen zu, bereit zu ´ner Aktion, auf die alle Freundinnen in allen Teilen der Welt zu allen Zeiten schon immer monstermäßig gestanden haben:
„Ey, Steffi“, lall´ ich ihr morgens um halb drei auf den AB, „du bis´ einmalig, du has´ die Band gekittet. Wir sind jetzt alle frei im Kopf. I love you!“

Version 2

Letzte Aktualisierung: 23.06.2011 - 18.28 Uhr
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