'paar Schoten - Geschichten aus'm Pott
'paar Schoten - Geschichten aus'm Pott
Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespĂŒrt.
mehr ... ] [ Verlagsprogramm ]
 SIE SIND HIER:   HOME » MITMACH-PROJEKT » SCHREIBAUFGABE » Gerhard Fritsch IMPRESSUM
NEWSLETTER
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Jetzt anmelden! ]

UNSERE TOP-SEITEN
1.) Literatur-News-Ticker
2.) Leselust
3.) Forum
4.) Mitmach-Projekt
5.) Schreib-Lust-News 6.) Ausschreibungen 7.) Wettbewerbs-Tipps
Flower Power | Juli 2011
Erashleos Flower Power
von Gerhard Fritsch

So etwa um das Jahr 1970 hörte Erashleo Schnappeldross das erste Mal von der Flower-Power-Bewegung, die seinerzeit von Amerika kommend auf die ganze westliche Welt ĂŒbergriff. Die Medien berichteten ĂŒber junge Menschen, die es liebten, sich auffĂ€llig bunt zu kleiden, sich lange Haare - die Burschen auch BĂ€rte - wachsen ließen, seltsames grĂŒnes oder braunes Zeug aus Pfeifen oder Papiertrichtern rauchten und wie indische Gurus bewegungslos dasaßen und eigenartige AtemĂŒbungen vollfĂŒhrten. MĂ€dchen steckten sich Blumen ins Haar und tanzten in langen Röcken, mit vertrĂ€umten Augen und zum Teil blanken Busen zu psychedelischer Rockmusik von Jimi Hendrix oder Janis Joplin. Die Hippies, so nannte man die AnhĂ€nger des Flower-Powers, traten fĂŒr eine Welt von Freiheit und Liebe von allen fĂŒr alle ein und liebten das Leben auf dem Lande, wo sie diesen Idealen inmitten der freien Natur nahe zu sein glaubten. Erashleo gefiel das, auch er trĂ€umte davon, in einem kleinen Bauernhaus zu wohnen, einen schönen Garten zu bestellen und ein paar Tiere um sich zu haben.
Der Zufall wollte es, dass er ein paar Monate zuvor in den Genuss einer Erbschaft gekommen war, so dass er ĂŒber einen ansehnlichen Betrag auf seinem Bankkonto verfĂŒgen konnte. Er ĂŒberlegte nicht lange und kaufte sich ein altes BauernhĂ€uschen mit ein wenig Wald und zirka zwei Hektar BrachflĂ€che darum herum.
Seine Freundin Mandsgum war begeistert und zog gleich mit ein. Schon am nÀchsten Tag machten sie sich an die Arbeit, die gesamte FlÀche mit Gras- und Blumensamen zu bestreuen. Und ein paar Wochen darauf konnten sie sich einer herrlichen Weide mit saftigem Gras und wunderschönen Blumen erfreuen.
Eines Morgens, als sie sich nach dem FrĂŒhstĂŒck zur Musik des Insiderhits White Bird von It’s a Beautiful Day (den Text verstanden sie nicht) einen Joint genehmigten, was sie taten, weil es halt einfach dazu gehörte, erblickten sie ein Schaf auf ihrer Weide.
„Ach, wie sĂŒĂŸâ€œ, jauchzte Mandsgum, und Erashleo sĂ€uselte mit halb herabgeklappten Augenlidern „echt voller Groove, der Stoff“, wobei er gar nicht wusste, wie man groove schreibt.
Am nĂ€chsten Tag waren zwei Schafe und am ĂŒbernĂ€chsten vier auf der Wiese, und Erashleo fĂŒhlte sich wie im Paradies. VertrĂ€umt unternahm er mit Mandsgum einen Spaziergang, um das friedselige GefĂŒhl, das die weidenden Tiere ausstrahlten, besser auf sich einwirken lassen zu können. Sie wĂ€hnten sich gar in dem Glauben, die Schafe wĂ€ren auf einer höheren spirituellen Ebene mit ihnen verbunden, auf der sie in transzendentaler Schau erkannt hĂ€tten, dass ihnen auf Erashleos Grund ein verheißenes Land der GlĂŒckseligkeit geschaffen worden war.
Plötzlich aber fing Mandsgum an zu kreischen: „ÄÀÀÀÀÀh, Igiiitt, bÀÀÀÀÀh!“ Sie war barfuß gelaufen und in einen ansehnlichen Haufen schwarzgrĂŒnen Schafskot getreten. Sie ekelte sich und wollte auf der Stelle kehrt machen, doch Erashleo nahm sie in die Arme, tröstete sie und sĂ€uberte mit seinen HĂ€nden ihre FĂŒĂŸe. „Das sind Schafe, die mĂŒssen auch mal, das ist doch etwas ganz NatĂŒrliches“, sagte er, und schon war alles wieder gut.

Mit der Zeit jedoch, als immer mehr Schafe kamen, sahen sie ein, dass etwas unternommen werden musste. Die fraßen nĂ€mlich nicht nur das Gras, sondern auch die Blumen, und hinterließen eine Unmenge Kot, der zwar nicht stank, aber recht unansehnlich war. ZunĂ€chst dachten Erashleo und Mandsgum noch, Blumen wĂŒrden umso besser nachwachsen, je mehr man sie abschneidet, was auch stimmte, da sie nach ein, zwei Tagen erneut zu blĂŒhen begannen, aber irgendwie wurde dadurch auch ein Teufelskreis in Bewegung gesetzt, denn je mehr und je schöner die Blumen blĂŒhten, desto mehr fraßen die Schafe davon und umso mehr war bald die ganze Weide verschissen, was zwar den Boden dĂŒngte und noch mehr GrĂŒnzeug aufkeimen ließ, die Schafe aber noch mehr zum Fressen anregte und und und.
„Wir dĂŒrfen sie nicht ĂŒberall gleichzeitig fressen lassen“, meinte Erashleo, und begann, einzelne Koppeln abzustecken, in denen man die Schafe jeweils eine gewisse Zeit weiden lassen konnte. Das gefiel den Schafen natĂŒrlich ĂŒberhaupt nicht und sie blökten in einem fort. Erst sorgten sich Mandsgum und Erashleo deswegen, aber schon bald merkten sie, dass die meisten Schafe immer nur ein und das selbe daherblökten und sie ihnen dessenthalben keine besondere Beachtung schenken mussten.
Zwei SchĂ€ferhunde wurden angeschafft, die darĂŒber wachten, dass keines der Tiere aus der jeweils abgegrenzten GrundstĂŒcksflĂ€che ausbĂŒxte. Auf diese Weise gelang es, dass sich die Parzellen - es waren genau zwölf an der Zahl - nach und nach erholen konnten, wieder mit prĂ€chtigen Blumen ĂŒbersĂ€te Wiesen hervorbrachten und wie ein schlaraffenlandĂ€hnliches Eldorado eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Schafe ausĂŒbten, die sich zufĂ€llig in ihrer NĂ€he befanden. Die GrundstĂŒcke aber, auf denen die Schafherde jeweils eine Zeitlang zugebracht hatte, waren dermaßen abgegrast, niedergetrampelt und mit Kot ĂŒbersĂ€t, dass allen Leuten, die vorbeikamen, schlecht wurde.
Selbst Erashleo fand diesen Anblick abstoßend, doch er gestand es sich nicht ein, denn er hing immer noch an dem Ideal des Flower Power und behauptete, wenn auch mit etwas Unbehagen, dass das eben normal so sei.
Zuweilen wurde er seit dieser Zeit scherzhaft auch als „Flauer Bauer“ gehĂ€nselt.

Letzte Aktualisierung: 07.07.2011 - 08.39 Uhr
Dieser Text enthält 5410 Zeichen.

Druckversion

 LINKTIPPS: Naturwaren Diese Website wird unterstützt von:

www.mswaltrop.de
Copyright © 2006 - 2024 by Schreiblust-Verlag - Alle Rechte vorbehalten.