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Vorgegebenes Textfragment | Oktober 2011
„Oh, Miranda!“
von Eva Fischer

Miraculix stand vor seinem kupfernen Kessel und überlegte, wie noch mal genau das Rezept des Wundertrankes war. Eigentlich musste er es wissen, denn früher braute er ihn regelmäßig für die Mitbewohner seines Dorfes. In der letzten Zeit war es aber nicht notwendig gewesen, denn das Dorf lebte vom Ruf der Unbesiegbarkeit und kaum ein Römer hatte sich in die Nähe der Gallier getraut.
Falls ihnen zwischendurch dennoch zufällig ein Römer im Wald begegnete, dann gab es immer noch Karate-Kid-Obelix, der die kleinen Römer um zwei Köpfe überragte und der sich durch tägliches Hinkelsteintraining fit hielt. Mit einem gezielten Fausthaken schlug er die kleinen Wichte knock-out. Später sammelten deren Kameraden die Überreste ein und die Frauen flickten sie wieder zusammen. Drei Monate Sonderurlaub waren die Belohnung für die erlittene Schmach.
Eigentlich brauchten die Dorfbewohner diesen Trank nicht mehr, aber es stand ein besonderes Fest vor der Tür, und da sollte es auch ein besonderes Getränk sein.
Aus dem fernen Westen war durch die Piraten die Kunde von dem sagenumwobenen Halloween zu den Dorfbewohnern gelangt und nun wollte man sich fernab des alltäglichen Einerlei amüsieren, die Geister in sich selbst wecken, die ein Jahr lang so nutzlos geschlummert hatten. Einige Fässer Cervisia hätten dazu schon behilflich sein können, sollte man meinen, aber nein, man wollte nostalgisch den alten Tropfen.

Miraculix kratzte sich am Kopf, warf seine langen weißen Haare über die Schultern, was leider nicht weiter half, auch wenn es sich filmtechnisch gut gemacht hätte.
Ein Blackout ist jedem bekannt und je mehr man in die Jahre kommt, desto mehr Blackouts sammeln sich unter dem schütter gewordenen Haar. Doch hier ging es nicht darum, dass einem ein Wort nicht einfällt, weil es sich wie ein feiger Hase unter der Zunge versteckt, sondern hier ging es um die Berufsehre, denn Miraculix hatte nichts anderes gelernt als das Kochen von wundersamem Gebräu.
Wie hießen die dazu benötigten Kräuter doch noch mal?
Google war noch nicht erfunden und so war Miraculix ganz auf seine Erinnerung angewiesen. Natürlich hätte er auch den jüngeren Asterix fragen können, der ja schließlich immer beim Brauen assistiert hatte, aber das wäre zu blamabel und vielleicht vertrieben die Dorfbewohner ihn dann als nutzlos gewordenen Greis und es gäbe nichts Schlimmeres als bei seinen alten Feinden, den Römern, zu landen.
Wenn sich nichts mehr in deinem Kopf bewegt, dann musst du dich selbst bewegen, dachte Miraculix und machte sich per pedes auf in Richtung Wald.

„Hi, Alter! Was geht ab?“ Karate-Kid hatte sich reichlich Wildschweinbraten für sein zweites Frühstück im Superwäldchen geholt.
„ Alles klar, Obelix. Ich wollte mir nur ein bisschen die Beine vertreten.“
„ Brauchste nen Bodyguard?“
„ Die Römer laufen auch vor mir alten Mann weg“, kicherte Miraculix und setzte frohgemut seinen Weg fort.

Der Herbstwind fegte durch die Bäume und warf sein Laub Miraculix zu Füßen. Dieser kickte die gelben Blätter übermütig in die Luft. Wie viele Jahre war es eigentlich her, dass er in der Druidenjungmannschaft gespielt und so manches goal erzielt hatte?
Vielleicht brachte eine schnellere Gangart auch seine Gehirnzellen wieder in Trab und so beschleunigte er seine Schritte, als er plötzlich aus heiterem Himmel einen dumpfen Schmerz auf seinem Kopf verspürte, dem eine totale Finsternis folgte.


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Das Erste, was Miraculix wahrnahm, waren dunkle, sorgenvoll auf ihn gerichtete Augen, die in einem zweifellos weiblichen Körper steckten, der in eine Tunika gehüllt war.
Tunika? Bei Teutates, wo war er bloß gelandet?
„Salve“, sagte die holde Schönheit und machte damit seine düsteren Ahnungen zur Gewissheit.
Sie lächelte ihn jedoch freundlich an und zeigte auf einen Kelch, der mit einem undefinierbaren Getränk gefüllt war.
„Was ist das?“, fragte Miraculix misstrauisch.
„Es wird dich stärken“, versicherte die Römerin, die sich als Miranda vorstellte.
Zuerst nippte Miraculix zaghaft an dem ihm Dargebotenen. Der Geschmack war ihm äußerst sympathisch und erinnerte ihn an etwas.
„Das sind... sieben Blätter Portulak, eine Hand voll Ingwer, dreizehn Nelken, elf Blättchen zarte Pimpinelle, herbsüßlicher Anis, zwei ruhmvolle Lorbeerblätter und nicht zu vergessen eine feurige Chilischote, natürlich mit Kernen. Das ist mein Zaubertrank!!!“

Während Miranda ihn bewundernd anstrahlte, denn Miraculix kannte die lateinischen Fachausdrücke, die wir hier dem Leser ersparen wollen, verdunkelte sich der von Zorn gepackte Blick des Druiden.
„Woher hast du dieses Rezept?“, herrschte er Miranda an.
„Ihr habt es selbst im Schlaf wiederholt gemurmelt und da dachte ich, warum nicht einmal ausprobieren?“
„Wie bin ich überhaupt hierher geraten?“, versuchte Miraculix das nächste Rätsel zu lüften.
„ Ich war im Wald auf der Suche nach gefallenen Römern und da sah ich Euch auf dem Boden liegen mit einem Ast auf dem Kopf.“
Na, wenigstens war ihm die Schmach erspart geblieben, von so einem Römerknilch niedergeschlagen worden zu sein.
Aber wie konnte er weiteres Unglück verhindern? Der Zaubertrank in der Hand der Römer!
Eine Katastrophe!!!

Im Schutz der Dunkelheit machten sich beide auf den Weg in das unbesiegte Gallierdorf. Miranda trug eine Amphore mit dem kostbaren Getränk. Die Aussicht auf eine Halloween-Party bei den Galliern hatte sie nicht lange zaudern lassen, zumal Miraculix von einem begnadeten Sänger namens Troubadix erzählte, der das Fest so richtig aufpeppen würde. Der blonde Barde fand sofort gefallen an der schwarz gelockten Miranda - Römerin hin oder her - und komponierte spontan einen Song für sie:


“I’ve come from Lutetia with my harp over my knees.
I’m going to the village my true love for to see.
It rained all night the day I left the weather it was dry
The sun so hot I froze to death, Miranda don’t you cry.

Oh Armanda, why don’t you cry for me.
I’ve come from Lutetia with my harp over my knees.”


Leider traf der Barde nicht Mirandas Geschmacksnerv, weil dieser offensichtlich seiner Zeit voraus war, und das Fest hätte beinah geendet, wie wir es aus den Asterixheften kennen, wo der Barde gefesselt an einem Baum das Fest von oben betrachtet.
Doch dieses Mal kam es dank der cleveren Römerin anders.

„Tja“, sagte Miranda, während sie die Spritze aufzog, “dann werden wir wohl nicht mehr viel von Ihnen haben. Schade, ich hatte mich so gefreut, Ihre vielen Talente kennen zu lernen.“

Baldrian und Marihuanilla hatten ihre bereits bei aufmüpfigen Römern erprobte prompte Wirkung getan.
Im Schein eines Kürbis, den sie zuvor ausgehöhlt und mit einer Fackel bestückt hatte, betrachtete Miranda den schlummernden Barden mit seinen goldenen Löckchen.

Und morgen bringe ich ihm die richtigen Töne bei, dachte sie.
„All I need is a miracle, all I need is you!“

Asterix wunderte sich derweil über die rote Farbe und den exquisiten Geschmack des Zaubertrankes, der bald für eine Bombenstimmung bei den Dorfbewohnern sorgte.

Miranda hingegen freute sich über den Zuspruch zum vinum aus ihrer Heimat Sicilia.
Den Druiden- Powertrank konservierte sie besser in ihrem Cella.
Wer wusste schon, wie lange die friedlichen Beziehungen zwischen Römern und Galliern
hielten?

Letzte Aktualisierung: 17.10.2011 - 22.41 Uhr
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