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Vorgegebenes Textfragment | Oktober 2011

Simply the Best
von Martina Bracke

„Mirinda! Was tun Sie?“
„Aus, Cut! Verdammt, von Schramm, das kann doch nicht so schwer sein. Im Buch steht: "Tja", sagte Miranda, während sie die Spritze aufzog, "dann werden wir wohl nicht mehr viel von Ihnen haben. Schade, ich hatte mich so darauf gefreut, Ihre vielen Talente kennen zu lernen." MIRANDA! Warum, zum Teufel, kannst du dir den Namen nicht merken?“
„Mirinda, Miranda“, grummelt von Schramm. „wer denkt sich auch so blöde Namen aus?“
„Das habe ich gehört!“, kreischt aus der hintersten Ecke des Studios der Drehbuchautor. „Dich lasse ich in der nächsten Folge sterben!“
„Und das möchte ich sehen!“ Von Schramm fängt Feuer. „Ich bin doch der, der die ganze Serie zusammenhält. Ohne den Kapitän des Raumschiffes läuft gar nichts.“
„Ich brauche nur zehn Folgen, um einen Ersten Offizier zum Helden aufzubauen. Dir weint dann keiner mehr eine Träne nach!“
„Den spiele ich an die Wand!“
„Und genau das ist dein Problem, du seniler Lackaffe! Du bist kein Teamplayer.“ Der Drehbuchautor lässt nicht locker.
„Kinder, Kinder“, kommt es beschwichtigend vom Regiestuhl. Hubert von Altenberg seufzt. „Können wir nicht einen Drehtag ohne eure Hahnenkämpfe haben?“
„Ich sehe und höre nur Hahnenkrämpfe“, meint die Darstellerin der Miranda, während sie demonstrativ die Spritze neu aufzieht. „Eigentlich wollte ich es euch erst später sagen, aber da die Stimmung gerade so gut ist: Ich habe ein Angebot, zur Sternenflotte zu wechseln.“
Alle sehen sie verständnislos an.
„Meine Güte, glotzt nicht so. Will heißen, ich gehe nach Amerika und becirce demnächst Jean-Luc Picard.“
„Du spinnst. Das glaubt dir keiner“, fasst sich von Schramm als Erster. „Dich nehmen sie doch nicht mal für die Hundefutterwerbung.“
„Danke für das Kompliment. Aber ob ihr's glaubt oder nicht. Ich checke zum nächsten Ersten aus. Dann spiele ich Sorinda vom Planeten Extragon. In meiner ersten Folge weht uns eine Wolke Pitralon gleich in die Vergangenheit, wo wir den Weltenlauf verändern können. Das ist mal eine Szene.“
„Du kannst nicht gehen. Du hast einen Vertrag“, merkt Hubert von Altenberg an.
„Aber keine Vertragsstrafe. Und außerdem habt ihr noch zehn Folgen, um mich rauszuschreiben. Können wir jetzt weitermachen?“
„Darüber reden wir noch!“ Hubert von Altenberg versucht zur Tagesordnung überzugehen. „Alles auf Anfang!“
Und tatsächlich nehmen Kameramann, Drehbuchautor, Miranda und von Schramm ihre Plätze ein.
„Kamera läuft – und Action!“
„Szene 1/25, die Fünfte!“
Von Schramm: „Oh, Sorinda, warum wollen Sie uns verlassen?“
Miranda: „Oh, Captain, ich will Sie gar nicht verlassen. Deshalb werde ich Sie nach ihrem sanften Entschlummern einäschern und die Urne in meinen Koffer packen, wenn ich auswandere. Schade nur, dass ich nie eines Ihrer Talente entdecken konnte.“
Damit rammt sie von Schramm die Nadel in die entblößte Pobacke. Der schreit sofort wie am Spieß.
„Aus, aus, aus! Bin ich hier nur von hirnlosen Idioten umgeben?“ Der Regisseur rauft sich das Toupet vom Kopf.
Der Drehbuchautor versucht einen Karateschlag an der Stuhlkante, dem Stuhl passiert nichts. Die Darsteller lachen, bis Miranda sich jedem mit der Spritze bedrohlich nähert.
Und der Kameramann? Der hatte die Kamera die ganze Zeit laufen. Er stellt das Video noch am selben Abend auf Youtube, und es wird in kürzester Zeit über eine Million mal angeklickt. Die Serie wird zum Trashkult, Miranda geht nicht nach Amerika und von Schramm wird Präsident der Sternenflotte, sprich: von einhundertundzwei Fanclubs.
Ach ja, und der Drehbuchautor heiratet Hubert von Altenberg, den Regisseur. Und wenn sie alle nicht gestorben sind ...

© mb2011, 2. Version

Letzte Aktualisierung: 01.11.2011 - 16.24 Uhr
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