Sexlibris
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Blaues Blut | November 2011
Rot auf weiß
von Martina Bracke

„Du bist schon die Dritte, weißt du?“ Mit dem Daumen strich er über das graue Klebeband, das ihren Mund bedeckte. „Pscht, sag nichts. Wir wollen uns das Spiel doch nicht verderben.“ Ganz nah kam er und seine Lippen streiften ihre Wange. „Sieh mich nicht so an!“ Sein Ton klang schmollend, und deshalb überraschte sie die Ohrfeige, die er ihr unvermittelt gab. Dann strich er ihr zärtlich die langen Haare aus dem Gesicht, ließ eine Strähne durch seine Finger gleiten.
„Ihr habt kein Benehmen! Auch wenn ihr immer so tut. Kein Benehmen.“ Er riss heftig an ihren Haaren. Tränen traten in ihre Augen.
„Du musst nicht weinen“, flüsterte er in ihr Ohr. „Es ist bald vorbei.“
Sie versuchte, ihre Atmung zu beruhigen, doch er hielt ihr die Nase zu. Die Panik in ihren Augen brachte ihn zum Lachen. Mit einem „So nicht“ gab er ihre Nase wieder frei. Er wandte sich um und ließ sie einen Moment allein.
Als er zurückkehrte, trug er einen weißen Eimer und stellte ihn neben die Armlehne ihres Stuhls.
„Weiß – die Farbe der Unschuld. Kommt euch eigentlich nicht zu. Unschuldig seid ihr doch alle nicht. Sieh dir nur diesen Keller an! Ein Verlies. Siehst du die alten Folterinstrumente? Wie viele habt ihr hier verrecken lassen?“
Sie sah aus, als wolle sie etwas sagen, doch nur einen schwachen Laut brachte sie zustande.
„Ich verstehe dich nicht!“ Er verrückte noch einmal den Eimer. „Aber ihr habt das Volk auch nie verstanden, nicht wahr? Es zählte auch nicht. Hauptsache, es machte, was ihr wolltet.“
Noch einmal machte sie ein Geräusch.
„Du bist nicht gefragt!“, fuhr er sie an. „Mit zehntausend habt ihr sie abgespeist! Mehr war ich euch nicht wert. Nehmen könnt ihr euch, was ihr wollt. Denkt ihr. Trotzdem hat sie nie schlecht von ihm gesprochen.“ Er hob ihr Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu blicken. „Dämmert es? Die anderen ahnten es an dieser Stelle. Was ist mit dir?“ Er ließ sie wieder los.
„Und weißt du, was es dir nützen wird? Nichts. Ich will kein Erbe, euer Geld interessiert mich nicht. Ich will nur eins.“ Herausfordernd blickte er sie an. Dann zog er ein Jagdmesser aus seinem Hosenbund und hielt es ihr dicht vors Gesicht. Ihre Nasenlöcher blähten sich auf, ihr Atem ging schwer.
„Das gefällt dir nicht? Mir hat auch vieles nicht gefallen. Bastard haben sie mich immer gerufen. Und meine Mutter hatte es ihr ganzes Leben lang schwer. Keiner wollte was mit ihr zu tun haben. Und jetzt“, seine Finger strichen die Klinge entlang, „und jetzt will ich es auch bei dir wissen. Ich will sehen, ob ihr anders seid. Die anderen haben den Test nicht bestanden.“
Er hielt ihr das Messer an die Kehle.
„Keine Angst. Wenn du den Test bestehst, lasse ich dich laufen. Du hast das Wort eines hergelaufenen Bastards.“ Er lachte dröhnend.
„Nur ein kleiner Schnitt!“
Mit den Fingern umklammerte er ihr Handgelenk, mit der Messerspitze drückte er in ihre Haut, bis sie platzte, schnitt längs in ihre Pulsader. Sie versuchte, sich zu wehren, konnte sich aber nicht rühren. Rot tropfte es in den weißen Eimer.
Einen Tropfen fing er auf, verrieb ihn zwischen den Fingern, dann bemalte er ihr Gesicht damit.
„Ich hatte so für dich gehofft. Aber du bist nicht anders als die anderen. Du bist nicht mehr als das gemeine Volk. Du bist nicht mehr als ich. Heuchler, ihr alle!“ Ihr schwanden die Sinne, doch er gab ihr eine kräftige Ohrfeige.
„Siehst du, was da tropft? Es ist rot!“ Er schüttelte sie. „Du hast kein blaues Blut!“

© mb2011, 2. Version

Letzte Aktualisierung: 27.11.2011 - 12.13 Uhr
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