Wellensang
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Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
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Blaues Blut | November 2011
Ritter und Bauer
von Thea Derado

Ritter Kunibert, genannt Kuno, sprengte den schmalen Weg des BurghĂŒgels hinab, rechts und links den unschuldigen BĂ€umen mit Schwerthieben die Äste stutzend. Er war wĂŒtend auf alles und jeden. Vater hatte vor einiger Zeit das Zeitliche gesegnet, und wenn er nicht im Fegefeuer schmorte, dann flatterte er wohl da oben auf der dĂŒsteren Wolke. Geschah ihm recht, dem Alten! Die Burg und die LĂ€ndereien hatte er seinem Ältesten vermacht. Der war, wohl klar, nicht geneigt, von seinem Erbe was abzugeben. Der Mittlere hatte diese Ungerechtigkeiten kommen sehen und schon beizeiten die Kurve zur Frömmigkeit gekratzt; er war Priester geworden. Der lebte nicht schlecht vom schlechten Gewissen all der kleinen und großen SĂŒnder. Und ihn, den JĂŒngsten, hatten sie fĂŒr Kaisers Kriegsdienste mustern lassen. Ja, wenn doch mal eine ordentliche Schlacht zum Dreinschlagen kĂ€me! Aber nee, alle hatten noch die Nase voll vom 30jĂ€hrigen Krieg. Und nun herrschten ringsum nur friedliche Absichten.
Er, ja seine ganze Generation, war einfach nicht im richtigen Augenblick geboren. Aus anstÀndigen Kriegern und Rittern waren marodierende Vagabunden geworden, die sich wie die alten Raubritter mehr schlecht als recht durchschlugen.
Kuno ließ den Blick schweifen. Keine Kutsche zum Ausrauben weit und breit. Nur dort hinten auf dem Acker ein BĂ€uerlein mit seinem Ochsengespann.
Na warte, du bist dran.
Mit der Aussicht auf eine schöne QuÀlerei spornte Kuno seine SchindermÀhre an, dass die MÀhne und der Schwanz nur so flogen.

‚Ja verreck! Soll ihn doch der Deiwi holen!‘, dachte Jost, der Bauer, als er den rotgesichtigen Adelsspross im Galopp herankommen sah. Von dem hatte er nĂ€mlich schon Schlimmes gehört. Es ging die Kunde, dieser Kuno habe sich alles erzĂ€hlen lassen, was die Landsknechte im Krieg so getrieben haben: Bauern anbinden, deren FĂŒĂŸe mit Salz einstreichen und dann die Ziege daran lecken lassen, bis sie sich totlachten. Die Bauern, nicht die Ziegen.
Jost band rasch seine Fußleder sehr fest zu, machte dreifache Knoten und riss dann die BindfĂ€den ganz kurz ab. Noch ein kurzes Stoßgebet in die Baumwipfel, dann bremste Kuno auch schon neben ihm, dass die Ackerscholle flog.
„Na, BĂ€uerlein! Jetzt geht’s dir an den Kragen!“, drohte Kuno.
Jost setzte sein ahnungslosestes Gesicht auf, reichte dem Ritter seine noch halbvolle Wasserflasche nach oben und brummte: „Jojo, sehr heiß heute! Da kann einem schon mal der Kragen platzen. Vielleicht hilft ein kĂŒhler Schluck .“
„Stell dich nicht blöder als du bist! Ich bin in der Stimmung, dich mal bisschen aufzuknĂŒpfen.“
Jost blickte ihn treuherzig an. „Dees tat ich net. Wer soll denn dann die Felder bestellen? Da kriegt doch Euereins auch nichts zu beißen. Hoast mi?“
„Du bist mir ja ein Scherzbold!“ Kuno war ja nicht durch und durch schlecht, die UmstĂ€nde hatte ihn so grausam werden lassen. Seine Laune besserte sich etwas, und er war geneigt, mit dem Bauern zu verhandeln.
„Was hast du denn in deinem Jausensack? Schmeiß mal rĂŒber!“
„Klar doch; können wir teilen.“ Jost biss zuerst in ein StĂŒck Schinken und reichte es Kuno dann.
„Wenn du willst, können wir ĂŒberhaupt alles teilen. Auch die nĂ€chste Ernte. Kannst ja spĂ€ter deinen Anteil verhökern,“ lockte Jost.
Ihm war ein MĂ€rchen eingefallen, dass ihm, als er noch klein war, die Großmutter an manchem Abend hinterm Ofen erzĂ€hlt hatte: Wie ein schlauer Bauer den Teufel ĂŒbers Ohr gehauen hatte. Das sollte doch mit so einem unbedarften Ritter auch klappen. Dessen Großmutter da oben auf der Burg hat ihm sicher keine solchen Geschichten erzĂ€hlt.
Kuno biss schon an – am Schinken und am Vorschlag. „Hm. Zur Erntezeit?“
„Zur Erntezeit! Du darfst wĂ€hlen. Das ĂŒber der Erde oder das unter der Erde.“
„HĂ€hĂ€! NatĂŒrlich das ĂŒber der Erde! Alles Gute wĂ€chst oben.“
„Also gut! Du das ĂŒber der Erde, ich das unter der Erde! Schlag ein!“
„Abgemacht ist abgemacht!!“
„Und was abgemacht ist, das gilt!“
„Was abgemacht ist, das gilt.“

Dann kam die goldene Herbstzeit, ĂŒberall leuchtete das reife Korn. Nur nicht auf den Feldern von Jost.
Als Kuno angeritten kam, um seinen Anteil zu holen, sah er auf Josts Acker nur BlÀtter.
„Was soll das denn sein? Die kann man doch nicht essen? RĂŒbenblĂ€tter!“
„Das ist deine Ernte-HĂ€lfte! Alles, was ĂŒber der Erde wĂ€chst. Abgemacht ist abgemacht. Und was abgemacht ist, das gilt!“
Es waren nicht nur RĂŒben aller Art und Möhren, die das BĂ€uerlein gepflanzt hatte. Nein, auch eine noch recht neuartige Frucht auf deutschen Feldern: die Kartoffel. Sein Schwager hatte ihm vor einigen Jahren einige Exemplare aus Pilgramsreuth in Oberfranken mitgebracht. Und nun prangte und welkte das unnĂŒtze Kartoffelkraut neben den RĂŒbenblĂ€ttern zu Kunos Verdruss und Josts kaum zu unterdrĂŒckender Schadenfreude.
Es war sogar eine sehr gute Ernte. Sie wĂŒrden im Winter nicht hungern mĂŒssen.
So viel Ritterlichkeit schlug noch unter Kunos Gewand, dass er gute Miene zum bösen Spiel machte.
Versöhnlich meinte Jost: Ich lade Euch mal ein, wenn es bei uns Reiberdatschi, Kartoffelpuffer gibt. Ihr könnt ja das Apfelmus mitbringen von den oberirdischen Äpfeln!“
Jost wartete darauf, dass der Ritter nun, so wie im MĂ€rchen der Teufel, darauf bestehen wĂŒrde, im nĂ€chsten Jahr alles von der Ernte abzubekommen, was unter der Erde wuchs. Er schlug es auch vor, wobei er sich das Grinsen nicht verkneifen konnte. Aber Kuno reichte es, einmal geneppt worden zu sein. Er tippte sich an die Stirn.
„Dass du dann nur Getreide anbaust, ist wohl klar. Nee, lass man! Da komme ich doch lieber hin und wieder zum Reiberdatschi-Essen.“

Letzte Aktualisierung: 23.11.2011 - 14.22 Uhr
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