Der Tod aus der Teekiste
Der Tod aus der Teekiste
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Pulp Fiction | Dezember 2011
Das Mausoleum Ma' Hoorn
von Sylvia Seelert

Kalid fluchte. Seit Stunden irrte er bereits durch das unterirdische Labyrinth, ohne einen Weg nach draußen zu finden.
Seine kaiserliche Hoheit, der Tenuin des Planeten Ro war tot. Kalid lachte grimmig, als er an dessen überraschtes Gesicht dachte, denn Mord war Kalids Geschäft. Der Tenuin war einer seiner Auftraggeber gewesen. Dumm nur, dass der Gegner seiner Hoheit ihn vor dessen auftragsgemäßen Beseitigung durch Kalid bereits für den Gegenmord angeheuert hatte. Ein Leben für das eines anderen. So lautete ein ungeschriebenes Gesetz auf dem Planeten der Katzenmenschen. Und sie achteten peinlich genau darauf, dass jede Blutschuld bezahlt wurde.
Nun steckte dünner Stahl im Herzen des Tenuin und Kalid war auf der Flucht vor dessen wütenden Leibwächtern.
Die Palastgänge erwiesen sich als eine verzwickte Angelegenheit. Über Jahrhunderte von jedem Herrscher umgebaut und erweitert. Sie reichten bis tief in die Felsen des Arkanid-Gebirges hinein. Zuverlässige Karten über dem gesamten Komplex existierten nicht.
Kalid musste sich in den Gängen des älteren Palastbereiches verirrt haben. Erneut fluchend warf er die nutzlose Karte weg, die ihm ein Händler angedreht hatte. Listige, kleine Made, murmelte er und schwor, ihm auf dem Rückweg einen Besuch abzustatten.
Die Stimmen seiner Verfolger hörte er seit geraumer Zeit nicht mehr und auch ihre Witterung konnte er nicht mehr aufnehmen. Scharf sog er die Luft durch seine Nüstern ein und scharrte unruhig mit seinem hufförmigen Fuß. Etwas war seltsam hier. Schweiß klebte in seiner langen Mähne und die Lungen pumpten in tiefen Stößen Luft.
Man munkelte, Kalid wäre auf seinen zwei Beinen schneller als jedes Pferd. Viele Gerüchte dieser Art begleiteten ihn. Die Meisten rätselten jedoch über seine Herkunft. Kalid, der Pferdemensch – nicht Pferd, nicht Mensch, irgendetwas dazwischen. Niemand wusste, woher er kam. Ein Lebewesen wie ihn kannten sie in diesem Quadranten der Galaxie nicht. Und Kalid selbst schwieg eisern zu seiner Herkunft.
Schimmel lag auf den alten Wandteppichen, die einst die Gänge geschmückt hatten. Manche hingen in Fetzen herunter. Auf anderen konnte er Jagd- und Kriegsszenen mit Roanern erkennen. Es roch nach Moder.
Kalid spürte, dass er sich schon seit geraumer Zeit nach unten bewegte.
Ein leises Summen ließ ihn verharren. Er spitzte die Ohren und versuchte die Richtung zu bestimmen. Es schien aus der linken Abzweigung zu kommen. Vorsichtig näherte er sich der Quelle des Geräusches, das sich als Gesang entpuppte.
In diesem Teil des Palastes hingen keine Wandteppiche mehr. Reliefs mit grausamen Kriegsszenen waren in die weißen Marmorwände geschlagen worden. Die Gänge wurden höher und breiter. Schwangen sich von Säulen getragen in dunkle Höhen auf. Der Lichtkegel seiner Lampe erreichte nicht die Decke. Etwas glomm in der Ferne. Kalid bewegte sich darauf zu. Ein Lichtschimmer fiel aus einer Kammer, die vor ihm lag. Er löschte seine Lampe und spähte in den Raum hinein.
Ein Roaner mit schlohweißen Haaren stand singend vor einem steinernen Sarg. Seine Barthaare zitterten leicht und die schmalen Augen waren halb geschlossen. Der Gesang verwandelte sich nach und nach zu einem dunklen Grollen.
Kalid hatte das Gefühl, einem Panther bei der Anbetung seiner Beute zuzuschauen. Denn auf dem Sarg saßen rattenähnliche Wesen, mit knöchernen Rückenpanzern, die ängstlich und starr zu dem Roaner hochblickten.
Seine Ohren drehten sich nach hinten und das Grollen erstarb abrupt.
„Besuch. Wie selten!“
Spitze Zähne grinsten in Richtung Kalid, der sich tiefer in die Dunkelheit zurückzog.
„Wir Roaner können auch im Dunkeln sehr gut sehen. Mach dir also nicht die Mühe, dich vor mir zu verstecken.“
Gelb funkelten ihn die Augen des Alten an.
„Und du bist offensichtlich ein Fremder. Du riechst nicht wie ein Roaner und kannst nicht wie ein Roaner sehen. Deine Lampe leuchtet weit in die Dunkelheit meines Reiches hinein.“
Kalid stieß eine Verwünschung aus und trat in den Lichtschein hinein. Verstecken war zwecklos. Lieber stellte er sich der Situation. Die Laserwaffe schmiegte sich beruhigend an seine rechte Hüfte.
„Dein Name, Fremdling?“
Es war weniger eine Frage, sondern mehr Befehl.
„Kalid“
„Kalid… und weiter?“
„Nur Kalid!“
Der Roaner zog missbilligend seine Augenbrauen zusammen.
„Ich bin Rastavaan Te’ Laar Ma’ Hoorn“, sprach er würdevoll. „Sohn der Laar und Vater von Hoorn.“ Er fuhr seine Krallen aus, die im Licht aufblitzten und tötete mit einem Hieb eine der Wesen, das vom Sarg fliehen wollte. Blut tropfte auf den Boden.
„Und nun, Nur-Kalid, erkläre mir, warum du den Schlaf meines Sohnes störst.“
Ein gefährliches Glimmen lag in den Augen Rastavaans.
„Ich habe mich verirrt. Sagt mir nur, wie ich hier wieder herauskomme und schon bin ich verschwunden.“
Mit einem Quieken starb auch das zweite Wesen, das noch wie hypnotisiert auf dem Sarg hockte. Rastavaan hatte sie vom Kopf bis zum Schwanzansatz mit seiner Kralle aufgeschlitzt und seine Gedärme mit den Zähnen herausgerissen. Seine Schnurbarthaare trieften vor Blut.
„Vor wem bist du auf der Flucht?“
Rastavaan leckte sich Hand und Gesicht ab, ließ dabei Kalid für keine Sekunde aus den Augen.
„Auf der Flucht? Nein. Ich bin nur einfach in den falschen Gang gelaufen.“
Selbst für Kalid hörten sich seine Worte wenig glaubwürdig an. Der Roaner drückte seinen Unmut mit einem Zischlaut aus und spuckte ihm vor die Füße.
„Du stinkst nach Schweiß von einem schnellen Lauf.“
Seine spitzen Ohren drehten sich vor und zurück.
„Und ich höre den schweren Atem von fünf Verfolgern. Noch mehr ungebetene Gäste.“
Er nahm das letzte noch lebende rattenähnliche Wesen, schlug seine Zähne in dessen Genick und saugte es aus. Das Wesen quiekte erbärmlich, trampelte wild mit den Beinen und erschlaffte schließlich. Der Roaner warf es achtlos weg.
„Nun sprich die Wahrheit oder dein Blut wird zu meinem!“
Ein gieriges Lächeln verzerrte sein Gesicht zu einer dämonischen Fratze.
Kalid umschloss den Kolben seiner Laserwaffe. Es beruhigte ihn jedoch nicht wie sonst. Der Roaner war ihm unheimlich.
„Ich habe den Tenuin getötet. Besser, Ihr legt Euch nicht mit mir an.“
Kalid schnaubte drohend.
„Den Tenuin? Interessant. Wie war sein Name?“
„Tamelon Te’ Maark Ma’ Klerk.“
„Aus dem Clan der Maark? Unfassbar!“
Rastavaan zog seine Krallen langsam über den Sargdeckel. Kalid presste sich die Ohren zu, um den grellen Klang, den die Krallen erzeugten, zu mildern.
„Der Thron gebührt dir, mein Sohn. Nur ein Laar hat die Würde und das ehrenwerte Blut, dort zu sitzen. Nie und nimmer jedoch ein Maark. Kaum sind deine Gebeine kalt, so haben sie die Macht schon an sich gerissen.“
Anklagend kreiste er um die letzte Ruhestätte seines Sohnes.
Kalid kannte sich nicht gut in der Roanischen Geschichte aus. Doch eins wusste er genau: Der derzeitige Herrscherclan war bereits seit 200 Jahren an der Macht. Die Laars waren seit langem ausgestorben. Das Fell in seinem Nacken richtete sich unter prickelnden Schauern auf.
In dem Moment fielen seine Verfolger mit gezückten Waffen in den Raum ein. Als sie Rastavaan sahen, blieben sie stehen, als ob sie gegen eine Wand geprallt wären.
„Der Ma’ Hoorn“, flüsterten sie. Das pure Entsetzen breitete sich auf ihren Gesichtern aus. „Es ist also wahr …“
Ein Grinsen, in dem kein Erbarmen lag, spannte sich über das Gesicht Rastavaans.
„Fremdling, der Nur-Kalid heißt: Lauf! Lauf so schnell, wie deine Beine dich noch nie getragen haben, und folge dem Wasser. Den Tenuin zu töten, war eine gute Tat!“
Er deutete gegenüber Kalid ein Nicken an.
„Den Tenuin zu töten, war aber auch ein Frevel an dem Sohn der Götter. Denn er herrscht in ihrem Namen. Und darum …“ Das schreckliche Grinsen verschwand aus seinen Gesichtszügen und machte einer kühlen Konzentration Platz, bei deren Anblick selbst die Luft in dem Raum deutlich kälter wurde.
„Und darum muss ich seinen Tod rächen. So wie es das Gesetz vorschreibt. Denn Maark war mein abtrünniger Sohn. Er gründete einen neuen Clan und tötete meinen geliebten Hoorn, der die Linie fortsetzen sollte. Das Blutrecht ist auf meiner Seite.“
Er wandte sich wieder den Leibwächtern zu und packte den ersten mit einer Schnelligkeit, die Kalid mit bloßen Augen kaum verfolgen konnte. Der Leibwächter schrie verängstigt auf. Eine Kaskade von Blut spritzte auf, die wie ein funkelnder Sternenregen zu Boden fiel. Der Anblick wäre fast schön gewesen, wenn die schrillen Schreie des Wächters ihn nicht durchbrochen hätten.
Kalid floh aus der Kammer. Er ahnte, diesen Kampf konnte er nicht gewinnen.
Die Schreie der sterbenden Roaner verfolgten ihn hallend und trieben seine Beine zum schnellen Galopp an. Schon bald nahmen seine Nüstern die Witterung von Wasser auf. Er folgte ihr und stieß auf einen unterirdischen Fluss. Ein Boot lag festgebunden an einem kleinen Kai. Schnell band er es los und ließ sich von der Strömung treiben.
Als er zurückblickte, stand Rastavaan am Ufer. Hände und Mund waren blutbesudelt. Er lachte. Grimmig und unversöhnlich.
Kalid ruderte mit mächtigen Stößen von ihm fort. Dies Lachen brannte sich in seinen Kopf ein. Er würde es nie vergessen.
Nach quälend langen Augenblicken in der Dunkelheit, hin und her geworfen durch Stromschnellen, schoss sein Boot ans Tageslicht.
Weit von der Hauptstadt und dem Palast war er an die Oberfläche zurückgekehrt, früh am Morgen, die Doppelsonne ging soeben rosa am Horizont auf. Kühler und frischer Wind blies ihm ins Gesicht. Kalid amtete tief durch.
Ro würde ihn nicht wieder sehen, so schwor er in den Morgenwind. Der Tod war sein Geschäft. Doch hier hatte er seinen Meister gefunden.

Letzte Aktualisierung: 14.12.2011 - 09.09 Uhr
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