Der Cousin im Souterrain
Der Cousin im Souterrain
Der nach "Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten" zweite Streich der Dortmunder Autorinnengruppe "Undpunkt".
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Pulp Fiction | Dezember 2011
Die Gefährten
von Elmar Aweiawa

„Verdammt, ich rieche Orkblut!“
Der hochgewachsene Elf, der diesen Ruf ausgestoßen hatte, sog die Luft ein und schüttelte sich vor abgrundtiefem Abscheu. „Wie ich diese Brut hasse!“
„Ach Gondolo, du immer mit deiner Schnüffelnase“, frotzelte der Zentaur Philhippos, obwohl er wusste, dass auf Gondolos Riechorgan hundertprozentig Verlass war. Trotz der Anspannung, die Gondolos Äußerung hervorgerufen hatte, zauberte Philhippos’ Bemerkung ein Grinsen auf die Gesichter seiner Gefährten.
„Ich rieche sie auch“, bestätigte Silimacha die feine Nase ihres Bruders. „Macht euch bereit für Kampf und Ruhm. Denn es sind ihrer so viele, dass wir nur tapfer kämpfen und in Würde sterben können.“
„Das wollte ich schon immer mal“, bewies Gladio seinen Mut. Als Mensch hatte er ohnehin die kürzeste Lebenserwartung in der Gruppe und somit am wenigsten zu verlieren.

Mittlerweile hatte auch Gladio die Orks bemerkt. Sie versuchten zwar zu schleichen, doch ihre Ungeschicklichkeit war nicht nur sprichwörtlich, sondern konkurrierte erfolgreich mit ihrer Gier nach frischem Fleisch. Der Geruch der Lebewesen, die sie gerade umzingelten, drang in ihre Nase und machte sie rasend, zumal ihre letzte grausige Mahlzeit bereits Tage zurücklag. In diesen Teil des düsteren Waldes verirrten sich selten lebendige Wesen, und wenn, dann nur einmal.
Man kann Orks allerlei schlechte Eigenschaften nachsagen, eine jedenfalls nicht: Feigheit. Angestachelt durch den Heißhunger, waren sie im Moment sogar tollkühn. Zudem war ihre Zahl so groß, dass der Ausgang des bevorstehenden Kampfes keinem Zweifel unterliegen konnte, eine Ausgangssituation, die sie liebten. Sollten beim Kampf Orks zu Tode kommen, wurden sie als willkommene Bereicherung der Speisekarte des anschließenden Festmahls betrachtet.

„Liebreizende Silimacha, gewährst du mir noch einen Kuss, bevor wir uns ins Unvermeidliche fügen?“ Gladio verbeugte sich galant und beschrieb mit der rechten Hand einen Halbkreis, während er die linke hinter dem Rücken verbarg.
Die spitzohrige Schönheit errötete, während ihr Bruder ein Grinsen nicht verbergen konnte. Dieser Gladio war unübertrefflich. Selbst im Angesicht des Todes immer zu Späßen aufgelegt.
„...“
Silimachas sicher unübertreffliche Antwort ist leider nicht überliefert, denn in diesem Moment erfolgte der erste Angriff der Missgestalten.

Die vier Überfallenen hatten dicht an dicht gestellt, wodurch Philhippos’ langgestreckter und damit einem Angriff von allen Seiten besonders ausgesetzter Körper optimal geschützt wurde. Mit ohrenbetäubendem Lärm stürmten die furchterregend aussehenden Orks auf die zahlenmäßig hoffnungslos unterlegene Gruppe los.
Pfeil auf Pfeil verließ die Bogen der beiden Elfen und sie säten Tod und Verderben in die Reihen der Angreifer. Die Geschwindigkeit, mit der sie zum Köcher griffen, den Pfeil einlegten, die Sehne spannten und mit unglaublicher Präzision ihr Ziel trafen, war für Menschen und Zentauren auf ewig unerreichbar.
Der Zentaur wartete gelassen, bis die ersten Orks in Reichweite kamen, das überlange Schwert in beiden Händen haltend. Seine Arbeit würde erst beginnen, wenn die Ersten der wilden Horde den todbringenden Pfeilhagel der Elfen überwunden hatten.
Gladio trug sein prachtvolles Schild in der Linken und seine Rechte wurde durch Todbringer verlängert, das berühmteste Schwert im Lande der Menschen. Hepha, der legendäre Schmied, hatte es vor Hunderten von Jahren für König Primopios angefertigt, und seitdem war es in Familienbesitz geblieben bis auf den heutigen Tag. Seine Härte übertraf die eines Diamanten und niemand hatte es je schärfen können, noch war das notwendig geworden. Denn immer noch durchdrang es mühelos jede Armierung, zerfetzte Knochen und trennte Glieder ab, wo andere Schwerter kläglich versagten.

„Lasst mal ein paar durch, ihr beiden“, beschwerte sich Philhippos, „ich will schließlich nicht einrosten.“
Zwar konnten ihn seine edlen Kumpane wegen des Geheuls, das die jämmerlich verreckenden Orks von sich gaben, nicht verstehen, doch sie ahnten, was der tapfere Recke mit dem Pferdekörper wollte. Dabei hätte er sich den Wunsch sparen können, denn in eben diesem Moment brachen die ersten Heranstürmenden durch und kamen in die Reichweite der Schwerter. Mit unglaublicher Wucht hämmerte der Zentaur sein überdimensionales Schwert in die heranstürmenden Angreifer, sodass die Fetzen nach allen Seiten flogen und sich die toten Orks zu Bergen stapelten. Die Nachstürmenden rissen die Leblosen beiseite, nur um Bruchteile von Sekunden später demselben Schicksal zu erliegen.
Auch vor Gladio türmten sich bereits abgetrennte Gliedmaßen, die noch im Todeskampf zuckten und begierig waren, den Kampf fortzusetzen. Wie ein Uhrwerk schwang sein Kampfarm die todbringende Waffe, schlug Schneisen in die Phalanx der heranstürmenden Bestien.

Die kampferprobten Gefährten hielten dem fortgesetzten Ansturm der gefürchteten Mörderbande stand. Doch wie lange noch? Auch die Elfen kämpften nun mit dem Schwert und trotz ihrer legendären Ausdauer erlahmten die Glieder. Auch die Kräfte von Gladio und Philhippos schwanden zusehends, und es war nur noch eine Frage von Augenblicken, bis sie überwältigt wurden.
„Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses,“ brüllte Gladio und zitierte damit einen berühmten Vorfahren. Er hatte bereits mit seinem Leben abgeschlossen und wusste sehr wohl, dass es nach dem Sieg der Orks nichts mehr zu begraben geben würde. Doch mit einem lockeren Spruch auf den Lippen zu sterben, war allemal besser, als verbittert und verzweifelt. Letzteres stand einem Helden, für den er allgemein angesehen wurde, nicht an.

Wie aus heiterem Himmel senkten sich plötzlich Pfeile vom Himmel und lichteten die Reihen der anstürmenden Orks. Wo eben noch hässliche Orkgrimmassen nach Fleisch gegiert hatten, war plötzlich Leere, die Wellen der Angreifer verebbten.
„Hier wird nichts begraben!“, vernahmen die erschöpften Kämpfer, und das tote Gerümpel beiseiteschiebend näherte sich ihnen ... Grummelbart. Hinter dem hässlichen Zwerg erschienen die schönsten Geschöpfe, welche die Erde je hervorgebracht hatte. Elfen, in endloser Zahl. Sie verschonten die flüchtenden Orks, denn ihrem gutmütigen und sanften Wesen war Töten zuwider, obwohl sie in Not durchaus die mutigsten und gnadenlosesten Kämpfer sein konnten, wie gerade eben noch Gondolo und Silimacha nachdrücklich bewiesen hatten.

„Du lebst?!“ Selten hatte man einen freudestrahlenderen Zentauren gesehen als Philhippos in diesem Augenblick. Er knickte mit den Vorderbeinen ein und drückte den Zwerg an seine behaarte Brust, dass diesem schier der Atem ausging. Auch die anderen drei umringten ihn und versuchten, ebenfalls ein Stück Zwerg zu erhaschen, um ihm ihre Wiedersehensfreude deutlich zu machen.
„Unkraut vergeht nicht, das solltet ihr doch wissen.“ Mit diesen Worten befreite sich der stämmige Zwerg. „Ich habe in der Wundschlucht die Werwölfe von euch weggelockt, denn ich wusste ja, dass Elfen ihnen gegenüber machtlos sind. Sie hatten euch noch nicht gewittert, deshalb ist meine List gelungen. Entschuldigt also mein plötzliches Verschwinden, doch es blieb keine Zeit für ein Abschiedsschlückchen.“
„Wir haben dich für tot gehalten, mein lieber Grummelbart“, erklärte Gladio. „Du Schlingel hast uns reingelegt, da haben wir vollkommen umsonst getrauert. Hast du die Elfen hierher gebracht?“
„Ich wusste doch, dass ihr ohne mich ziemlich wehrlos seid, da hab ich mich nach Hilfe für euch umgesehen. Wir sind ja gerade noch zur rechten Zeit gekommen, scheint mir.“

Mittlerweile waren die Elfen herangekommen und Gladio, der noch niemals andere Elfen als seine beiden Mitstreiter gesehen hatte, schwanden fast die Sinne angesichts dieser geballten Macht der Schönheit. Von überirdischer Anmut waren ihre Gesichter, güldenen Sonnen gleich ihre hehren Gestalten. Doch alle wurden überstrahlt von Diophantis, der Königin, die sich dem tapferen Quintett näherte. Denn erst jetzt, nachdem Grummelbart sich wieder bei ihnen eingefunden hatte, war die Gemeinschaft komplett.

Kaum hatte Gladio die Königin erblickt, war er verloren. Von tiefer Liebe zu dieser Lichtgestalt erfasst, sank der im Kampf Unerschütterliche auf die Knie und war besiegt.
„Du bist also Gladio“, begrüßte ihn Diophantis und legte ihm eine Hand auf den Kopf. „Ich habe schon viel von dir gehört.“
Diese unermessliche Güte war zu viel für den vor ihr Knienden. Mit bebendem Herzen und mutig wie weiland sein Vorfahre Ponotos, dessen Heldentaten auch nach fünfhundert Jahren noch besungen wurden, ergriff er ihre weiße Hand und führte sie zu seinen Lippen. Kuss um Kuss drückte er darauf und die holde Königin ließ ihn gewähren. Weder das Grinsen seiner Weggefährten noch das gekünstelte Desinteresse der versammelten Elfen nahm er wahr, hatte nur Augen für die Angebetete.

„Habt ihr eure Mission, auf die euch der oberste Zauberer ausgesandt hat, erfüllt?“, fragte ihn leise die holde Königin.
„Soweit es uns möglich war. Wir haben zwar das Amulett nicht gefunden, das uns von der Bedrohung durch die entarteten Zauberer befreien könnte, doch uns ist eine Karte in die Hände gefallen, mittels derer wir es aufspüren können.“
„Dann werdet ihr bald aufbrechen“, wandte sich Diophantis jetzt an alle, „und das Amulett weiter suchen. Das Wohl und Wehe der gesamten bewohnten Welt hängt davon ab. Du, Gladio, wirst die Gruppe führen.“
Jubel brandete auf, und als das Elfenheer auf der Königin Befehl hin aufbrach, bildete sich um Diophantis und Gladio ein freier Raum der Diskretion.

„Bevor du gehst und neue Gefahren und Abenteuer bestehst, mein lieber Gladio, möchte ich, dass du meine Bettstatt teilst. Du sollst mich lieben nach Menschenart, wild und ungestüm. Wirst du mir diesen Wunsch erfüllen?“

Die Antwort ist nicht überliefert, weil auch der Autor sich, zugegeben, etwas spät, aus dem Raum der Diskretion begeben hat. Wie die fünf Helden loszogen und das wunderbringende Amulett eroberten, ist eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt wird.

© by aweiawa, Version 2

Letzte Aktualisierung: 27.12.2011 - 09.52 Uhr
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