Der Cousin im Souterrain
Der Cousin im Souterrain
Der nach "Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten" zweite Streich der Dortmunder Autorinnengruppe "Undpunkt".
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Der Psychopath | April 2012
Der Osterhase war da!
von Anne Zeisig

Schau dir ihre Fratzen an!
Ihre riesigen Glotzaugen, tief und schwarz in den Höhlen versenkt, gaffen mich frech an.
Die schmallippigen, blassblauen MĂŒnder tuscheln hinter meinem RĂŒcken und schreien wie Sirenen, dass es mir durch Mark und Bein geht.
Ich habe lÀngst aufgehört zu zÀhlen, wie viel Gören mir meine wohlverdiente Altersruhe zunichte machen.
Sie grölen und wuseln den lieben langen Tag im Hof herum und haben nichts Besseres zu tun, als ihren verwitterten Fußball pausenlos gegen die Garagentore zu schießen.

Peng! Peng! Peng!

Auf mein Tor haben sie es besonders abgesehen!
Ich zÀhle mit und trage es in eine Liste ein. In der letzten Woche hat es mich achtundvierzigmal mehr getroffen als die Nachbarn.
Diese Rotzblagen haben es auf mich abgesehen, da bin ich mir ganz sicher.

Mit einem alleinstehenden Mann kann man es ja machen.
Sie sind rĂŒcksichtslos und altersfeindlich!

Mein Fahrrad kann ich auch nicht mehr im Kellergang abstellen, weil diese Gören die Reifen zerstechen und den Klingeldeckel abschrauben.
Nun stelle ich es in meinen Keller und habe vorsichtshalber ein zweites VorhĂ€ngeschloss vor die TĂŒr gehĂ€ngt.
Auch der Erzeugerin dieser Brut traue ich alles zu.
Der Apfel fÀllt nicht weit vom Stamm.

Die bringen es fertig und vergiften auch noch meinen Konservenvorrat. Der lagert da unten in einem alten KĂŒchenschrank.
Oder sie klauen mir meine Köstlichkeiten, damit bei denen endlich was Gescheites auf den Teller kommt, was sie in ihre gierigen MÀuler hineinstopfen können.
Ja, es war eine gute Idee, das zweite Schloss anzubringen.
Neulich habe ich meinen Einkaufsbeutel im Flur abgestellt, weil ich den MĂŒlleimer hinausbringen musste.
Den fĂŒr RestmĂŒll.
Und?
Was soll ich sagen?
Nach dem Verzehr der Fleischwurst ist mir ĂŒbel geworden und ich musste mich ĂŒbergeben.
Lag zwei Tage ohne Essen und Trinken im Bett, weil ich geschwÀcht war.
Aber am dritten Tag, da bin ich dann mit den EinkÀufen zum Hygieneinstitut und bat um eine Untersuchung der Lebensmittel.
Die haben mir was von ‘UnglaubwĂŒrdige Vermutung’ erzĂ€hlt und sind nicht tĂ€tig geworden.
Ich wette, dass die mit der Mutter der Fratzenbagage unter einer Decke stecken.
Als ich neulich Rattengift in den BĂŒschen auf dem Hof ausgelegt habe, hat der blöde Köter von der Kinderreichen davon gefressen und musste eingeschlĂ€fert werden.
Da hat die mir mit der Polizei und dem Ordnungsamt gedroht, weil ich keine Warnschilder aufgestellt hÀtte!
Warnschilder!
“Seit wann kann ein Hund lesen, der in einem Analphabeten-Haushalt lebt!”, habe ich der Alten Kontra gegeben, “und sogar zu behindert ist, seine SpĂŒrnase zu benutzen!”
“Aber es geht doch auch darum, dass die Kinder Bescheid wissen!”, hat die gekeift.
Dabei habe ich das den Blagen doch mitgeteilt!
Man ist ja schließlich kein Unmensch.
‘Geht woanders Fußballspielen’, habe ich gesagt, ‘weil es hier auf dem Hof zu gefĂ€hrlich ist mit dem Rattengift.’
Die haben Grimassen gezogen und weiter ging es: Peng! Peng! Peng! Peng!
Viermal vor mein Tor und nur zweimal vor das Tor der schwerhörigen Pasolsky aus der Mansarde.
“Kinder stecken doch schnell mal was in den Mund!”, ereiferte sich dieses Muttertier weiterhin.
Genau das hatte ich gehofft.
Ausgehungert, wie die Bande aussieht.
“Anstatt die Nahrungsmittel neben den RestmĂŒllbehĂ€lter zu kippen, was die Ratten anlockt, sollten Sie das lieber Ihrer Brut zu essen geben! Ausgemergelt wie die sind!”
Das hat gesessen!
Sie hat ihren Anhang eingesammelt und mir ihren Stinkefinger gezeigt.
Bestimmt hat die mit denen vom Hygieneinstitut gemeinsame Sache gegen mich gemacht, damit ich ihr die Vergiftung nicht nachweisen kann.
Da bin ich mir ganz sicher.
Wenigstens ist jetzt Ruhe im Haus, weil man das GeklĂ€ffe von denen ihrer Töle nicht mehr hört. So war das Rattengift wenigstens fĂŒr etwas nĂŒtze.

***

Peng! Peng! Peng! Peng! Peng!

Jetzt haben die mein Garagentor fĂŒnfmal mit dem Ball maltrĂ€tiert und das der Pasolsky nur einmal.
Das trage ich sofort in meine Liste ein.
Wenn die Gören wĂŒssten, welche Nachteile sie durch diese fĂŒr sie ungĂŒnstige Statistik erleiden werden.
Ich schiebe meine KĂŒchengardine beiseite und öffne das Fenster. “Verschwindet! Der Hof ist kein Fußballplatz!”
“Kinderfeindlicher Griesgram!”, ruft die Erzeugerin und wirft ihre Kippe in den Sandkasten. “Hau endlich ab ins Altersheim!”
Ja, das glaube ich gerne, dass die mich loswerden will! FĂŒr die bin ich unbequem, weil ich sie durchschaut habe.
Hat acht Blagen von sechs unterschiedlichen MĂ€nnern in die Welt gesetzt, kassiert StĂŒtze vom Amt und geht nebenbei schwarz putzen.
“Asoziales Pack hat hier nichts zu suchen!”
“Leck mich!”, grölt sie hoch, greift sich den Ball ihrer misslungenen Brut und schießt ihn im hohen Bogen vor mein Garagentor.
Peng!
Und ihre Mischpoke klatscht Beifall.
Dann zeigt sie mir wieder den Stinkefinger und bewegt ihre hundert Kilo Richtung HaustĂŒr.

Peng! Peng! Peng! Peng! Peng! Peng!

Sechsmal!
Es reicht!
Ich schließe mein Fenster, schiebe den Vorhang davor und linse durch den Gardinenschlitz hinunter, ob die GebĂ€rmaschine auch wirklich den Hof verlassen hat.
Dann schleiche ich mich durchs Treppenhaus hinunter, lege eine TĂŒte voller bunter Dragee-Eier auf das Treppenpodest, lege eine Packung Weinbrandostereier dazu und eile nach oben.
Ich habe meine WohnungstĂŒr noch nicht aufgeschlossen, da höre ich, wie eins der Krötenbrut ruft. “Kommt alle mal her! Der Osterhase war da!”
“Und fĂŒr Mama hat er auch was gebracht!”

Endlich Ruhe!


© anne zeisig endversion

Letzte Aktualisierung: 18.04.2012 - 19.09 Uhr
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