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Rivalität | Mai 2012
Kampf um(s) Gehör
von Claudia Kühne

„An mich werden sie sich am längsten erinnern!“
„Wohl eher an deine Kraftlosigkeit! Aber ich werde die Leute begeistern. Es wird sie emporheben und in ihren Köpfen widerhallen, als hätten sie noch nie so etwas Majestätisches gehört.“ Die Pauke schaute missbilligend zur Querflöte hinüber. Dann holte der Riese aus und ließ die Schlägel auf seine edle Rinderhaut niedersausen.
„Haha, wie gewaltig!“
„Wohl eher ohrenbetäubend.“ versetzte die Querflöte.
Es zischte ein erschrecktes Fietschen durch den Raum, denn der Krach hatte die Geigen geweckt, die im Orchestergraben schliefen. Sie fuhren hoch und eine Violine aus der ersten Reihe schrie die Pauke an.
„Was fällt dir ein, uns so zu erschrecken?“
„Ja natürlich, wie konnte ich das nur vergessen. Die Unbedarften erschreckt es. Ihr seid zu zart besaitet meine Damen. In der Tat seid ihr viel zu zärtlich und zögerlich, um auch nur eine Note in dieser Partitur zu verdienen!“
„Grobklotz!“ schimpfte die Querflöte und hüpfte zu den Geigen hinüber, ehe sie weiter sprach. „Wir wissen, was Takt ist, du hingegen, willst stets nur alle übertönen, mit einem Schlag. Ein Schlag, das wars, was für eine langweilige Aufgabe.“ Die Geige lächelte.
„Da hat sie Recht. Werte Pauke, du spuckst vielleicht große Töne aus, aber die Fähigkeit
zum Vielfältigen geht bei dir doch völlig flöten.“
„ Pah, Flöten, als ob sie einen Wert hätten. Die vergeigen den ganzen Moment des Mächtigen mit ihrem Gesäusel!“
„Ich darf doch sehr bitten!, rief die Stradivari. Ihr Name war Nicola und sie war die Einzige, die sich diese Extravaganz leistete einen solchen zu haben. „Hier wird nichts vergeigt! Wenn es einen wahrlich schiefen Ton gibt, dann von den Celli. Die bilden sich nämlich ein, den größeren Klangumfang zu haben, die dicken Dinger.“
Auf einmal erklang ein metallisches Scheppern und die Tuba stolperte in den Graben.
„ Der alte Blechkopf! Wohl etwas verstimmt, wie?“
„Halt bloß die Ventile still, Flötchen!“
„Ach du heilige Tonleiter, ich bin doch keine Trompete, der man den Mund verbieten darf!“
Die Tuba ignorierte dies und rückte näher an die Versammlung heran.
„Heute Abend werde ich auf jeden Fall alle Ohren auf mich ziehen, das Stück liegt mir.“
„In der Tat liegt es, wenn du wieder umfällst. So eine blöde Bauweise habe ich noch nirgendwo gesehen.“ rächte sich die Flöte.
„Aber sie ist immer noch besser konstruiert, als der alte Zupfvorhang von hinten.“ stellte Nicola fest. „Die Harfe? Ja, die ist wirklich ein Blender. So groß und so ein schwaches Gemüt.“ Mit einem leisen „klack“ hüpfte die Querflöte wieder an ihren alten Platz zurück und machte es sich bequem.
Eine Weile schwiegen die Instrumente, dann richtete sich die Tuba auf und unterbreitete folgenden Vorschlag: „Wir sollten herausfinden, wen von uns das Publikum am meisten liebt.“
„Wie soll das gehen?“ wunderte sich Nicola.
„Ganz einfach. Heute Abend spielt jeder so laut und kräftig wie er kann. Wer den Zuhörern am meisten in Erinnerung bleibt, der muss das beste Instrument sein.“
Alle waren damit einverstanden und als die Stunde der Entscheidung immer näher rückte, waren die Saiten äußerst gespannt und das Blech poliert. Jeder Einzelne des Orchesters nahm sich vor, nicht nur durch seinen Klang zu glänzen. Es herrschte ein dichtes Gewusel im Orchestergraben, bis der Vorhang endlich aufgezogen wurde.
Zum Vorschein kam eine zierliche Dame in einem barocken Kleid, die ihre Stimme erhob, aber abrupt unterbrochen wurde, da unter ihr das wildeste Klangchaos begonnen hatte.
Die Pauke dröhnte durch den Saal und schien den Mauern das Zittern lehren zu wollen. Die Geige stimmte mit ihren Artgenossen ein, ihr scheibenzerklirrendes Schreien kämpfte mit den tiefen Akkorden der Celli und diese wehrten sich widerrum gegen das Husten der Trompeten. Die Querflöte schrillte ohne jede Furcht der Tuba entgegen und man mochte meinen, dass sich ihr zartes Blech erhitzte und sie auf die doppelte Größe anschwellen ließ.
Anfangs noch verhalten, aber im immer schnelleren Tempo, schmiss auch die Harfe mit allen Noten um sich, die sie aufbringen konnte.
Was als kleines Intermezzo gedacht war, weitete sich aus zu einem Schwall von wütenden Klängen aller Instrumente, die streitend miteinander verschmolzen.
Die Luft der Oper ertrank in den Reizen von jenem Klirren, Schlagen, Zischen, Zerren und Trompeten. Das Publikum dezimierte sich rasch und nur einige Hartgesottene blieben auf ihren Rängen.
Als der Sturm musikalischer Gewalten langsam verebbte, weil der Kampfesgeist den Schützen entwich, drang auf einmal eine sanftere Melodie an die Ohren der geplagten Zuhörer. Pling, pling, pling...
Inmitten der verbogenen Trompeten und umgefallenen Geigen, erhob sich die Triangel.
Sie war es, die nun in den Vordergrund trat. Angezogen von dieser Melodie, beugte sich das übrige Publikum über die Ränge, um seine Ohren in dieser Wohltätigkeit zu baden.
„Schaut euch das an,“, keuchte die Tuba, „der Zwerg stiehlt uns die Show.“

Letzte Aktualisierung: 05.05.2012 - 15.08 Uhr
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