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Rivalität | Mai 2012

In der Schwebe
von Barbara Hennermann

„Eins und eins
das macht zwei
drum küss und
denk nicht dabei
denn denken
schadet der Illusion …“

Abrupt brach die rauchige Stimme der Knef ab.
Hiltrud drückte das Kreuz durch.
Eben noch hatte ein Weinkrampf sie geschüttelt. Doch das war vorbei.
Denn denken schadet der Illusion ... Also Schluss damit! Aufhören mit dem Denken!
Sollte Heiner doch sehen, was er davon hatte!
Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht, als er ihr diese Marion ins Haus schleppte? Ihr erklärt hatte, wie wichtig sie für ihn sei? Geduldet hatte, wie diese Person ihr vor seinen Augen demonstrierte, was für eine innige Beziehung sie zu ihm hatte? Sie klein und unscheinbar hatte werden lassen mit dieser dröhnenden Gemeinsamkeit? Wie ein verliebter Gockel hatte er einen Kratzfuß nach dem anderen vor ihr gemacht, während Hiltrud daneben stand, sprachlos und ohne Luft zum Atmen.
Das Leben war unerträglich geworden.
Jahrzehnte, gemeinsam gelebt und ertragen, ins Nichts verschoben.
Sie musste neu beginnen.
Ohne ihn. Zu sich finden. Selbst bestehen.


Die beiden Personen hinter der Glasscheibe sprachen im Flüsterton, als könne die Frau im Krankenbett sie sonst hören. „Die Patientin wurde nach einem schweren Autounfall vor einem Jahr bei uns eingeliefert, liegt seitdem im Koma. Wir haben das Menschenmögliche getan, nun können wir nur noch abwarten.“ Die Ärztin schlug die Krankenakte zu.
Der kleine, rundliche Mann neben ihr wippte ungeduldig auf den Fußspitzen. „Sie wissen doch, Frau Kollegin, was das unser Gesundheitswesen jeden Tag kostet! Als ärztlicher Direktor dieser Klinik muss ich Sie einfach darauf hinweisen. Können Sie nicht eine Entscheidung treffen?“


©hb 5/12/SL 2

Letzte Aktualisierung: 26.05.2012 - 16.21 Uhr
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