'paar Schoten - Geschichten aus'm Pott
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Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespürt.
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Verzaubert | Juni 2012
Jedem das, was er verdient
von Robert Poleschny

„Oh Mann, geht mir dieser Kaspar auf den nicht vorhandenen Sack. Was bildet der sich ein? Seit Wochen himmelt der mich an und schnallt nicht, dass ich ihn zum Kotzen finde.“
Anastasia steckte sich ihren Lolli halb in den Mund, drehte ihn zwischen ihren roten Lippen hin und her und zog ihn mit einem lauten „Plopp“ heraus.
„Der sollte mal in den Spiegel gucken. Dann hat er ein Déjà-vu ...“
„Ein Déjà-vu vom Blick ins Klo, nachdem er sein großes Geschäft erledigt hat!“, vervollständigte Denise den Satz.
Carmen verschluckte sich an ihrem Shake und alle Drei brachen in hysterisches Gelächter aus.
„Ey Denise, du bist so krass.“ Sie wedelte übertrieben mit der gespreizten Hand vor ihrem Gesicht, während sie noch ein paar Mal hustete. Dann blickte sie in Richtung des „Übeltäters“ und sah, wie er seinem Kumpel mit dem Ellenbogen in die Rippen stieß, um ihn auf Anastasia aufmerksam zu machen. Dabei verdrehte er die Augen, grinste blöd und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
„Anastasia, der fährt ja total auf dich ab. Schade, dass wir den Abhörzauber noch nicht gelernt haben. Ich wette, die reden gerade über ganz unartige Dinge, die sie mit dir tun möchten.“
Nun drehte sich auch Denise um und hielt den Knirpsen den Mittelfinger entgegen, aus dem ein kleiner Blitz in Richtung der Beiden flog.
„Steck dir deinenZauberstab sonst wohin, du Penner!“
Die zwei Jungen ließen ein Heulen verlauten, das bei Carmen ein Kopfschütteln auslöste.
„So klingen Werwölfe bei Vollmond.“
„Oder notgeile, pubertierende Vollidioten!“, fügte Denise hinzu. „Auf jeden Fall war mein Zauber fürs Erste ganz nützlich!“
Plötzlich vernahmen sie die Stimme von Fräulein Drachonia, die beim Betreten des Raumes einer Elefantenherde in Nichts nachstand. Anastasia, Carmen und Denise drehten sich grinsend zu ihr um.
Schon von Weitem rief sie:
„Wie oft muss ich euch sagen, dass solche Ausdrücke nicht geduldet sind und es strengstens verboten ist, hier in Hackwarz Angriffszauber anzuwenden!“ Die Mädchen nickten gelangweilt
„War das alles?“ Dann drehten sie sich wieder um.
„Ich weiß nicht, was ich mit euch machen soll. Wenn das eure Eltern miterleben müssten. Sie wären sicherlich ...“
„Sehr stolz auf uns! “, vollendeten die Drei den Satz im Chor. „Bla, Bla, Bla. Laden sie doch mal ne neue MP3-Datei auf ihren Player, Fräulein Drache ...onia! Die alte wird langsam langweilig.“
Die Professorin schnappte nach Luft, drehte sich abrupt um und hob ihr Kinn in die Höhe, während sie aus dem Saal stampfte. „Das wird noch ein Nachspiel haben!“ war das Letzte, das sie von ihrem Gezeter verstanden.
„Fürs Erste reicht auch ein vernünftiges Vorspiel!“, rief Carmen ihr hinterher.
Dann widmeten sie sich ihren Shakes und schlürften lauthals deren Inhalt.
Nach einer Weile unterbrach Carmen das Schweigen und nahm den Faden wieder auf, den Fräulein Drachonia so unsanft zerschnitten hatte.
„Vielleicht solltest du ihm einen Antipathietrank in sein Getränk mischen. Dann kannst du dir sicher sein, dass er dich verachtet.“
Anastasia hielt inne und überlegte angestrengt, wobei sie ihren Zeigefinger an die Schläfe legte und schräg nach oben schaute, als stünde etwas an der Decke.
„Die Idee ist nicht schlecht. Nur sind unsere lieben Professoren der Meinung, wir wären zu blöd, verantwortungsbewusst mit solchen Zaubern umzugehen.“
Anastasias Blick wanderte zurück zu den Jungs:
„Und wenn ich mir die Beiden angucke, kann ich das verstehen.“ Verschwörerisch beugte sie sich vor:
„Das bedeutet, ich muss unseren Dorfdealer aufsuchen. Wie ist noch mal sein Name?“
Carmen und Denise zuckten mit den Schultern.
„Keine Ahnung wie das Opfer heißt.“
Anastasia überlegte.
„Nun strengt euch mal an. Hallo! Der Typ war mal ein richtig bekannter Zauberer.
„Trotzdem hat ihm das nichts genutzt, oder?“, warf Carmen ein. „Also, erzähl weiter.“
Anastasia grübelte.
„Larry, Parry, ... Harry. Genau sein Name ist Harry!“
Die anderen Beiden nickten.
„Das Problem ist! Wie sieht das aus, wenn ich bei diesem Harry aufkreuze. So, als würde jemand eine Rose auf einen Kotzhaufen werfen.“
Carmen und Denise schauten Anastasia grinsend, aber verständnisvoll an. Dieser Vergleich traf den Nagel auf den Kopf.
„Hast du ne andere Idee?“, fragte Denise.
„Nö, und deshalb werde ich zu diesem Harry gehen. Wenn ich dadurch ne Chance habe, diesen Spanner loszuwerden. Ich muss halt inkognito bleiben.
Carmen und Denise schauten mit heruntergezogenen Augenbrauen erst sich und dann Anastasia an.
„Was hast du denn vor?“
Alle Drei rückten noch mehr zusammen und Anastasia weihte sie in ihren Plan ein.

Als die Laternen der kleinen Gassen erglimmten, huschte eine schwarze Gestalt von einem Schatten in den nächsten. Anastasia! An der Ecke spähte sie vorsichtig um selbige. Im Licht der Straßenlaterne blitzte unter der Kapuze, die sie sich tief ins Gesicht gezogen hatte, etwas Rotes hervor, das im starken Kontrast zu dem nächtlichen Himmelblau ihres Capes stand. Harry lungerte wie erwartet vor dem Gasthaus herum und reichte gerade jemandem einen rosa schimmernden Flakon.
Anastasia zog sich zurück in die Dunkelheit, drückte sich an die Wand und atmete erneut tief durch. Als sie bereit war, löste sie sich und ging mit schnellem Schritt auf Harry zu.
Als sie vor ihm stand, drehte er sich um und musterte sie von oben bis unten.
„Du bist von der Hexenschule, habe ich Recht?“
Anastasia wartete, ob noch mehr kam und sagte ohne Umschweife:
„Hast du einen Antipathietrank für mich?“
Harry fingerte eine Zigarettenschachtel aus seiner Hose, zog mit dem Mund eine Kippe heraus und zündete sie genüsslich an. Nachdem der Rauch durch die Nasenlöcher entwichen war, stieß er ein kurzes Lachen aus und schüttelte den Kopf.
„Es ist immer das Gleiche. Ihr Hexenweiber denkt, es ist so einfach, wenn man nur genug Geld hat. Aber ich kann dir nicht helfen. So einen Trank besitze ich nicht. Und jetzt verzieh’ dich!“
Anastasia war wie versteinert. Hatte der Typ gerade mit ihr geredet, als wäre nicht er der Vollidiot sondern sie?
„Pass mal auf, du Witzfigur. Es mag sein, dass du irgendwann mal ein ganz Großer warst und gegen den bösen ... ach was weiß ich, wie der hieß, gekämpft hast.
Aber gebracht hat es dir nichts! Also gib mir jetzt diesen Trank. Das Geld scheinst du offensichtlich zu brauchen!“ Sie musterte ihn von oben bis unten und verzog den Mund, als hätte sie saure Milch getrunken.
Harry ignorierte das Gesagte.
„Wieso versteckst du dich unter deiner Kapuze. Bist du so unansehnlich? Ich könnte dir einen Umkehrzauber anbieten, damit du von dieser lächerlichen Kopfbedeckung unabhängig bist.“
Anastasia hätte es besser wissen müssen. Hier hatte sie nichts zu erwarten. Gerade wollte sie gehen, als sie registrierte, was der Typ von sich gegeben hatte.
„Sagtest du Umkehrzauber?“
Harry hob eine Augenbraue.
„Ja, hab’ ich. Und ich scheine mit meiner Einschätzung voll ins Schwarze getroffen zu haben. Macht zweihundert.“
Anastasia wurstelte aufgeregt in ihrem Umhang und zog ein Bündel Scheine hervor, die sie vor seiner Nase tanzen ließ.
Als Harry das Geld an sich nahm, griff er hinter sich in den Koffer und präsentierte einen Flakon, in dem eine rosafarbene Flüssigkeit schwerfällig hin und her schwappte. Erneut versuchte er einen Blick auf Anastasias Gesicht zu erhaschen. Es juckte ihn, sie noch mehr zu reizen. Als er den nächsten Satz aussprach, fühlte er, wie er diesem Juckreiz erlag.
„Viele entscheiden sich für diesen Zauber, weil es jemanden in ihrem Leben gibt, der ihre Zuneigung nicht erwidert. Da es, aus vorher genannten Gründen, definitiv Niemanden geben kann, den du dir aus deinem Herzen reißen musst, würde mich zu sehr interessieren, wofür du diesen Trank brauchst.“
Anastasia riss ihm entnervt den Flakon aus der Hand.
„Gibt es etwas zu beachten?“ Sie stand mit verschränkten Armen vor ihm und wackelte ungeduldig mit dem Fuß, als hätte sie seine Bemerkung nicht gehört.
„Steht alles auf dem Beipackzettel. Lies ihn aufmerksam durch. Du bist doch des Lesens mächtig, oder?“ Dabei grinste Harry erneut, was Anastasia veranlasste, zu gehen. Jedoch nicht, ohne ein „Vollidiot“ von sich zu geben.
»Ach und noch etwas.« ,rief er ihr hinterher. »Er ist pro Person nur einmal anwendbar. Beim zweiten Mal ist er wirkungslos.« Anastasia war zu weit fort, um ihn zu hören.

Am nächsten Morgen saß Anastasia früher als sonst im Speisesaal und ging in Gedanken zum wiederholten Male alles durch.
Die Nacht war kurz, da das Ritual verlangte, die Formel in Reimen zu sprechen. Nur so war gewährleistet, dass der Zauber sich mit dem „Opfer“ verband. Leider stand es nicht besonders gut um ihre dichterischen Fähigkeiten. Sie brauchte eine Ewigkeit. Das Ergebnis war dementsprechend mehr schlecht als recht, aber Anastasia hoffte, dass trotzdem alles funktionierte. Einen Preis würde sie dafür nicht erhalten. Den wollte sie eh nicht. Ihr einziger Wunsch war es, endlich diesen Typen loswerden, der so unnachgiebig hinter ihr her war. Auf einmal musste sie lachen.
„Ich und hässlich. Dieser Harry muss damals echt was abbekommen haben.“
Zehn Minuten später füllte sich der Raum. Carmen und Denise stürmten aufgeregt auf Anastasia zu.
„Wo warst du denn? Hat alles geklappt?“
Als Anastasia ihr „Opfer“ erblickte, erhob sie sich.
„So meine Süßen. Jetzt guckt zu und lernt, wie man sich Quasimodo vom Hals hält.“
Schon schlenderte sie Richtung Buffet, bis sie ungemerkt hinter Kaspar stand. Das Glück schien auf ihrer Seite zu sein. Er war allein. Vorsichtig zog sie den Flakon aus ihrer Tasche und kippte blitzschnell den Inhalt in Kaspars Becher. Gerade als sie das Gefäß zurück in ihre Jacke tun wollte, drehte sich Kaspar um.
„Was machst du denn da. Ist ja unheimlich. Vielleicht kannst du mal ein paar Schritte zurückgehen und endlich aufhören, mich zu bedrängen.“
Kaspar blickte sie an, als wäre sie ein roher Fleischklumpen, der mit Maden durchsetzt war.
„Du schnallst es nicht, oder? ICH KANN DICH NICHT LEIDEN!“
Er nahm seinen Becher und trank ihn in einem Zug leer.
Laut scheppernd fiel Anastasias Tablett zu Boden, während sie ihn mit aufgerissenen Augen ansah.

Letzte Aktualisierung: 20.06.2012 - 09.59 Uhr
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