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Verzaubert | Juni 2012

Diddi auf der Suche nach seinem Herzensmensch
von Christina Stöger

Die Sonne schien an diesem Tag besonders hell von einem wundervollen, blauen Himmel und schickte ihre Strahlen in das Schaufenster des kleinen Schmuckladens in der Altstadt. Die Fenster reichten vom Boden bis an die Decke und ließen einen freien Blick ins Innere des Ladens zu. Überall glitzerte und funkelte es und die Ringe, Ketten und Armbänder waren liebevoll in Szene gesetzt.
In diesem Schaufenster saßen auch einige Frösche aus Silber, die liebevoll um einen kleinen Teich drapiert waren. Grüne Plastikpflanzen, kleine Leitern und wunderschöne Steine standen um den Teich und machten ihn zu einem Ort, an dem sich die Frösche sehr wohl fühlten.

Unter ihnen war auch ein kleiner, rosa Frosch namens Diddi. Er schaute sehr gern aus dem Fenster, denn dann konnte er die Leute beobachten, die in der Altstadt spazieren gingen. Die Meisten schauten nicht einmal zu ihnen herein, sondern rannten eilig an ihnen vorbei. Es gab viel zu bestaunen für den Frosch und er träumte davon, einen dieser Menschen begleiten zu dürfen, denn er wollte die Welt sehen und Abenteuer erleben. Doch er saß hier und schaute die Menschen an. Manchmal fühlte er sich dabei sehr einsam.
Ja, er hatte seine Freunde, die neben ihm an diesem Teich saßen. Doch als rosafarbener Frosch hatte man es nicht leicht. Seine Freunde kamen und gingen in regelmäßigen Abständen. Sie waren mit schwarzem, roten oder grünem Lack überzogen und glitzerten so wunderschön. Die Menschen wollten lieber solche Frösche haben und keinen in rosa. Allerdings hatte er die Hoffnung noch nicht aufgegeben und jedes Mal, wenn die hellen Glocken an der Tür klingelten, hob er sein kleines Köpfchen und schaute zur Theke hinüber. Dann sah er, wie sein Freund der Ladenbesitzer, mit Stolz seinen Schmuck zeigte. Der alte Herr kannte die Trauer des kleinen Frosches nur zu gut und hätte ihm so gerne ein neues zu Hause geschenkt. Doch die Menschen wollten ihn nicht.
"Sei nicht traurig, kleiner Diddi", sagte er eines Tages, als wieder ein Pärchen den Laden verlassen und einen seiner besten Freunde mitgenommen hatte.
"Irgendwann wird auch eine liebe Person kommen, die dich in ihr Herz schließt. Dann wirst du die Welt sehen und an fremde Orte reisen können." Er holte sein Tuch hervor und polierte Diddi den Rücken, bis er besonders schön glänzte. Er wusste, dass der kleine Frosch das sehr liebte.
In dieser Nacht konnte Diddi nicht einschlafen, denn die aufbauenden Worte hatten seiner Hoffnung neue Nahrung gegeben. Er tippelte aufgeregt mit seinen kleinen Füssen hin und her und hoffte, dass diese Person bald auftauchen würde.

Der Mond schien rund und voll durch die kleinen Gassen und die Sterne leuchteten so klar am Himmel, dass Diddi ins Träumen geriet.
Dabei musste er wohl eingeschlafen sein, denn er erwachte, als ihn die Sonnenstrahlen in der Nase kitzelten.
"Wieder keine Sternschnuppe gesehen, die meine Wünsche zu den Feen bringt!" Diddi lies betrübt den Kopf hängen.
"Hey kleiner Frosch, was hast du denn?" Neben ihm war eine kleine Fee auf einem Herz aufgetaucht. Sie schien neu hier zu sein, denn Diddi hatte sie vorher noch nie gesehen.
"Ich bin so traurig, dass mich kein Mensch haben will. Meine Freunde kommen und gehen und ich muss hier bleiben ... das macht mich sehr traurig!" Diddi schluckte seine Tränen hinunter. Er wollte vor dieser kleinen Fee nicht weinen.
"Aber warum will dich denn keiner haben?", fragte die Fee ganz vorsichtig.
"Na, schau mich doch an... ich bin rosa!"
Die Fee lachte und winkte mit ihren kleinen, zarten Flügelchen.
"Schau mal, ich bin auch rosa an den Flügeln und ich weiß, dass mich die Menschen lieben. Viele meiner Schwestern sind schon in gute Hände gekommen. Also ist rosa doch nicht so verkehrt, oder?" Sie zwinkerte ihm zu.
"Ja, schon, aber ich bin doch ein Frosch! Frösche in rosa... wo gibt es denn so was?" Diddi schüttelte den Kopf.
Sie stieg von ihrem silbernen Herz herunter und flog auf ihn zu. Dann streichelte sie ihm ganz zärtlich über den Rücken und drückte ihm ein Küsschen auf seinen Kopf.
"Weißt du eigentlich, dass du etwas ganz Besonderes bist? Jeder von euch ist ganz besonders, eben auf seine Weise. Warte nur ab, dein Mensch wird auch bald hier sein und dann wirst du deine Aufgabe erkennen."
Diddi schaut sie mit großen Augen an.
"Woher willst du denn das wissen?"
Die kleine Fee schmunzelte, setzte sich wieder auf ihr Herz und sagte:
"Ich bin eine Fee, ich weiß so was einfach. Vertrau mir!"
In diesem Moment betrat der Besitzer seinen Laden und rief fröhlich:
"Guten Morgen meine Freunde! Hoffe, ihr habt gut geschlafen. Nun aber ab auf eure Plätze. Die Menschen kommen bald und was sollen sie sagen, wenn hier so eine Unordnung ist." Er lachte aus tiefstem Herzen und begann seine Lieblinge aus dem Teich zu nehmen und zu polieren.
Als er die kleine Fee sah, kratzte er sich am Kopf.
"Aber was machst du denn hier? Du bist doch bei den Feen auf der anderen Seite des Fensters. Na so was...".
Er nahm die kleine Fee vorsichtig in seine Hände und trug sie an ihren Platz. Schnell warf sie Diddi noch einen Blick zu und winkte mit ihren rosa Flügelchen.

An diesem Tag beobachtet Diddi die Menschen noch genauer und versuchte heraus zu finden, was Herzensmenschen waren.
Plötzlich sah er eine Nase an der Fensterscheibe ganz dicht vor ihm. Er erschrak, denn so etwas hatte er noch nie gesehen. Er schaute in zwei wundervolle, braune Augen und zwei Hände klebten an der Scheibe.
Ein Mensch schaute zu ihm hinein. Nein, nicht in den Laden, sondern genau zu ihm. Sein Herz hüpfte, wie nur ein Froschherz hüpfen konnte. Plötzlich war die Nase weg und Diddi war wieder allein.

Den ganzen Tag dachte Diddi an dieses Gesicht, das sein Herz höher schlagen lies.
'Wer war das nur gewesen, und warum war der Mensch nicht in den Laden gekommen?' Diese Augen hatten doch ihn angeschaut, oder hatte er sich da getäuscht?
Am nächsten Tag um genau die gleiche Zeit passierte es wieder. Die Nase tauchte am Fenster auf, die wunderschönen, braunen Augen schauten ihn an ... und verschwanden wieder.
So ging es lange Zeit. Diddi lebte nun von Tag zu Tag für diesen Augenblick. Er freute sich so sehr, wenn er in diese Augen schauen konnte, dass er nicht mehr auf andere Menschen hoffte. Immer noch gingen seine Freunde und Neue kamen, doch er war nicht mehr so traurig.
Täglich sah er nun in die Augen seinens Herzensmenschens und mit der Zeit verstand er auch, was dieser sehnsuchtsvolle Blick ihm sagen wollten. Sein Mensch hatte ihm versprochen, jeden Tag wieder zu kommen und Geld zu sparen, um ihm eines Tages die Welt zeigen zu können.
Und so sitzt Diddi hinter seiner Scheibe und wartet auf den großen Moment, an dem er die große Freiheit und seinen Herzensmensch kennen lernen wird.

CS 23.5.2012

Letzte Aktualisierung: 21.06.2012 - 08.54 Uhr
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