Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten
Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten
In diesem Buch präsentiert sich die erfahrene Dortmunder Autorinnengruppe Undpunkt mit kleinen gemeinen und bitterbösen Geschichten.
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Aus der Kurve geflogen | August 2012
Das letzte Teilchen
von Karin Hübener

Kapitän Uka Knurks rieb sich vergnügt die Flügelspitzen. Der Coup war geglückt! Er hatte soeben den Geheimauftrag des Präsidenten erfolgreich abgeschlossen. Zwar würde die Angelegenheit auf dem Planeten Psittacifor noch lästigen Staub aufwirbeln, aber den konnte man in den Griff bekommen. Denn im Allgemeinen waren die Bewohner des Planeten ein vertrauensseliges Völkchen. Nette Cacatiuden eben.

Vom Gang her näherten sich die Watschelschritte des wachhabenden Maats. Der beendete seinen Kontrollgang heute früher als gewohnt. Das kam Uka ungelegen.
"Kriiek – kri – kriiie! Melde gehorsamst ...."
Beim Anblick der Alarmlichter am Kontrollpult blieb dem Maat die Meldung im Schnabel stecken. Seine gelbe Federhaube sträubte sich.
"Seht, die Kabinen-Kugel des Admirals hat sich vom Raumschiff gelöst!", schrie er entsetzt.

Ja, sie hatte sich gelöst. War quasi mit Schwung aus der Kurve geflogen. Das funktionierte im freien Raum nur an jenen Orten, an denen die Universen durch Strings miteinander verbunden waren. Ansonsten gab es im All keine Zentrifugalkräfte. Aber an dieser Stelle hatte ein Knopfdruck von Uka genügt.

Kapitän und Maat gehörten beide zum Clan der Knurkse. Aber der Maat war ein kleines Licht. Hatte keinerlei Visionen von Vormachtstellung und Moral. Uka musste ihm Entsetzen vorheucheln. Zu diesem Zweck hatte er bereits seine Schopffedern aufgestellt. Denn das galt bei den Cacatuiden als Zeichen der Erregung.
"Himmel ja! Hab's auch gerade bemerkt. Das ist ja entsetzlich!", schrie er. "Kriiek - kri – kriiie! Kriiek – kri – kriiie!"

In den folgenden Stunden lief auf dem Raumschiff das komplette Notprogramm. Aber natürlich nützte das nichts. Gegen die Zentrifugalkraft der Strings kam auch der Rettungsrüssel des Raumschiffs nicht an.
Entsprechend düster zeigte sich die Stimmung in der Konferenz-Kugel. Da gab es keinen, der seine Federhaube nicht dicht an den Kopf angelegt hätte.
Admiral Aki Duka war sehr beliebt gewesen. Trotz seines lockeren Lebenswandels.
Letztlich bewunderten die übrigen Cacatuiden den Duka Clan gerade wegen seiner Unbeschwertheit. Dukas lebten zum Beispiel monogam. Das war natürlich höchst unmoralisch und gegen sämtliche Konvention. Andererseits träumte fast jeder auf dem Planeten Psittacifor davon. Kein Wunder bei all den lästigen Plagen, welche die Vielweiberei mit sich brachte.

"Wie konnte das nur passieren?" Der Maat seufzte. "Wenn man bedenkt, dass wir gerade noch nett mit dem Admiral zusammengesessen hatten! Grauenhaft." Traurig klemmte er seinen gelben Schopf zwischen die übrigen Kopffedern.
"Eben drum", erklärte der Kapitän. "Aki Duka hat zu viel von dem guten Bibbli getrunken. Jedenfalls musste Dr. Kura ihm ein Mittel gegen das Unwohlsein verabreichen."
"Die Dosis war medizinisch korrekt", ergänzte der Arzt. "Aber möglicherweise habe ich den Zustand des Admirals unterschätzt."

Uka Knurks und Dr. Kura trafen sich später in der Kabine des Kapitäns.
"Die Crew ist ganz schön durcheinander", ärgerte sich der Arzt.
Der Kapitän winkte ab. "Das geht vorüber. Ihre anhänglichen Gefühle schaden der Sache nicht."
"Stimmt, unsere gemeinsame Trauer macht sie arglos." Dr. Kura lachte hämisch.
"Jedenfalls sind wir den Störenfried wie geplant losgeworden!", sagte der Kapitän. "Das wird den gesamten Duka Clan demoralisieren."
Ja, und du kriegst Akis Posten und eroberst vielleicht noch seine hübsche Witwe, dachte Dr. Kura vom Clan der Fushis. Aber der Arzt selber konnte auch nicht klagen. Die Leitung im größten Klinikum der Hauptstadt war ihm nun gewiss.
"Dumm nur, dass neuerdings in jede Kabinen-Kugel ein Koordinaten-Teilchen eingebaut ist."
Dr. Kura seufzte.
Der Kapitän antwortete mit einem Lachanfall.
"Das wird den guten Aki auch nicht mehr retten! Ohne Antrieb und Sauerstoffversorgung ist er aufgeschmissen."
"Na denn!" Der Arzt grinste und hob mit der linken Kralle sein Bibbliglas. "Auf den Päsidenten!"
"Auf Hüssi vom Clan der Knurkse!", erwiderte der Kapitän fröhlich den Toast.


Aki Duka befand sich im Sturzflug. Obwohl er noch unter den Folgen des Schlafmittels litt, hatte er geistesgegenwärtig reagieren können.
Er war in einer fremden Athmosphäre erwacht.
Die Sauerstoff-Skala hatte Akzeptanz angezeigt. Hinter der Glaswand seiner Kabinen-Kugel war anfängliches Blau einem Orangerot gewichen. Alles wie auf Psittacifor.
Leider hatte das Koordinaten-Teilchen Akis Hoffnung nicht bestätigt: Seine Kugel näherte sich XxPZ-0oY13. Damit bewegte sie sich durch ein fremdes Universum.
Ruckartig hatte sich Akis bunte Federhaube aufgestellt.
Kurz vor dem Aufprall war es ihm gelungen, sich aus der Kabine zu beamen und diese zu minimieren. Nun trug er sie quasi als Erste-Hilfe-Päckchen in der künstlichen Tasche unter seinem rechten Flügel.

Wusch!! Glück gehabt! Eine tadellose Landung. Aki ordnete seine zerzausten Federn. Dann puderte er sich sorgfältig. Nun hätte ihm eine Stärkung gut getan, aber er traute den Blättern des unbekannten Baumes nicht.
"Kriiek – kri – kriiie!"
Ach du großer Cacatu! Was war denn das? In einem der umstehenden Bäume entdeckte er eine Kolonie von Artgenossen. Es waren Leute vom Clan der Dukas! Aber das konnte doch nicht sein! Hatte sich das Koordinaten-Teilchen geirrt und er befand sich doch auf dem Heimatplaneten? Vor Aufregung klopfte ihm das Herz bis zum Schopf.
"Kriiek – kri – kriiie!"
Drei Dukas näherten sich seinem Baum. Sie schickten ihm also eine Abordnung.
In kultiviertem Abstand ließen sie sich auf den Ästen nieder. Zur Begrüßung stellten sie kurz ihre quer gebänderten Federschöpfe auf und bedachten ihn freundlich mit dem obligatorischen
"Kriiek – kri – kriiie!"
Artig erwiderte er ihre Höflichkeiten.
"Willkommen, Sternenbruder! Hochvergnügt gewahrten wir Eure Landung."
Das musste der Chef sein.
"Dürften wir werten Namen erkunden?"
Aha, einen Protokollchef hatten sie auch.
"Aki Duka", stellte er sich vor. "Admiral der Flotte mit Dienststelle auf dem Schiff Kronion. Es muss dort einen Unfall gegeben haben."
Die drei Abgeordneten kicherten auffällig. Dann stellten sie sich vor.
Katu, Kuru und Kotau waren die Chefs des Duka Clans im Busch von New South Wales.
"New South Wales?"
"Ja, Aki Sternenbruder. Ein Brutgebiet der Flügellosen im mächtigen Lande Australien."
"Australien?"
Er musste diese Informationen erst einmal speichern.
"Ist das der Planet?", fragte er dann.
"Nein, Planet heißet Erde."
Aki wurde es mit einem Mal schwindelig.
"Entschuldigt", sagte er, "aber ich glaube, ich sollte jetzt eine Kleinigkeit essen."
"Ihr möget die Blätter knabbern", empfahl Katu. "Eucalyptus ist wahrlich bekömmlich."
"Später weisen wir Nüsse, Insekten und Samen an", fügte Kuru hinzu.
"Und natürlich Geleitzug zum Wasserloch!", ergänzte Kotau.
Die erfrischenden Blätter taten so gut, dass der Admiral wieder lächeln konnte. Urkomische Situation:
Da saß er tatsächlich mit drei altmodisch sprechenden Typen seines Clans auf einem Eucalyptusbaum in einem fremden Universum!
"Was war denn vorhin so zum Kichern?", forschte er.
Die drei wackelten verlegen auf ihren Ästen. Schließlich nahm sich Kuru ein Herz.
"Wisset, alle Sternenbrüder tragen Glauben an Märchen mit Unfall. Dukas zweifellos schön, intelligent und verspielt. Leider aber zu guten Glaubens."
Aki erschrak.
"Kriie – kein Unfall? Was denn dann?", stammelte er.
"Verräterei!"
"Hinterhalt!"
"Meuchelei!"

Fassungslos blickte der Gemeuchelte von einem zum anderen.

"Nehmet nicht persönlich", versuchte Katu ihn zu trösten. "Gesamter Clan im Glauben dämlich."

"Erklärt mir endlich, was los ist!", forderte Aki.

Kuru plusterte sich auf.
"Seit ewigen Zeiten kämpfet Clan der Knurkse auf Psittacifor um Macht. Schein von Demokratia sollet gewahrert bleiben. Darum Heimtücke. Gegner verunfallen im freien Raum. Wirkung von Zentrifugalkraft bei String 0oY13 kommet Knurksen sehr gelegen."

Aki wurde es schwindelig. Allein der Schutzreflex seiner Krallen verhinderte, dass er vom Ast fiel.

"Geleit zum Wasserloch?", fragte Kotau besorgt.

Tapfer schüttelte Aki den Kopf. Zuerst wollte er alles wissen.

"Säuberung unauffällig, elegant und einfach. Simpler Flug aus der Kurve."
Kuru kicherte bei dieser Vorstellung.
"Verlauf von Fluglinie glückliche Fügung. Endet exakto auf Kontinent Australien. Nur wenige Eilands im Norden und Süden gleichfalls Landeplätze."

"Leben viele Cacatuiden in diesem Australien?" Aki war so erschüttert, dass er nur noch flüstern konnte.

"Tausend mal tausend!", erklärte Katu stolz. "Besiedelung fruchtbar und vermehret. Außerdem Nachschub aus Kurve seit Jahrhunderten beharrlich."

Aki spürte, wie ihm vor Entsetzen der Puder aus den Poren rieselte.
Glaja! Er hatte die ganze Zeit über nicht an sein Weibchen Glaja gedacht. Das musste der Schock oder dieses verflixte Medikament sein. Nie und nimmer würde er auf Glaja verzichten!
"Habt ihr nie versucht zurückzukommen?" Seine Stimme klang wieder kräftiger.

"Ihro kennt doch Clan der Dukas!" Kuru lächelte herablassend. "Unverdrossenheit seit den Zeiten der ersten Ahnen. Alle Sternenbrüder trugen Teile ihrer Raumschiffe im Gefieder. Vermehrten heiliges Arsenal. Über die Zeitalter fertigten Schmiede einen Rückbringer."
"Siehet furchtbar aus", ergänzte Kotau. "Ein gepuzzletes Modell. Technisch dagegen makellos."
Auch Katu kam nun ins Schwärmen.
"Rückbringer vermag hundert Wagemutige aufzunehmen. Wartet in unterirdischer Höhle im Norden von Nullarbor Ebene."

Um Aki Dukas Sitzplatz herum sah es aus, als wäre Schnee gefallen. Sein Pflegepuder hatte sich auf Blätter und Geäst verteilt.
"Und, auf was wartet ihr dann noch?"
Seine Frage klang wie eine Drohung.

Kuru räusperte sich verlegen.
"Nun ja, es fehlet noch wichtiges Teilchen."
Die drei Clanchefs hörten mit ihrer Wackelei auf und schielten erwartungsvoll zur verborgenen Flügeltasche des Sternenbruders.
Aki Duka schluckte und sein Federschopf stellte sich auf.
"Doch nicht etwa das Koordinaten-Teilchen?", hauchte er.

"Eben dieses!", verkündeten sie dann gleichzeitig.

Letzte Aktualisierung: 20.08.2012 - 13.55 Uhr
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