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Jagd | Oktober 2012
Schnäppchenjagd
von Anne Zeisig

“Wie haben Sie Walter eigentlich kennen gelernt?” Die ältere, sehr elegante Dame saß mir im Cafè gegenüber, zündete sich eine Zigarette an und bestellte zwei Gläser Sekt.

Ich seufzte. ”Auf dem Friedhof. Er saß auf einer Bank in der Nähe des Abschnittes, wo sich das Grab meines verstorbenen Mannes befindet, und war umringt von mehr oder weniger betagten Damen. Sie lachten und redeten derart laut, dass ich sie bereits am hinteren Zuweg hören konnte.
Ich schnappte Wortfetzen auf:
`Sie Charmeur!´
`Noch ein Witz! Bitte.´
`Komplimente kommen bei den Damen immer gut an!´
Kaum, dass ich mich genähert hatte, sprang er auf, ging flott auf mich zu, machte eine tiefe Verbeugung und hauchte mir einen Kuss auf den Handrücken . `Sie sind herzlich eingeladen, sich zu uns zu gesellen.´, sagte er und lächelte mich an.
Die Damenriege verstummte und alle blickten in unsere Richtung.
Er zwirbelte an seinem Schnauzbart, hielt mir seine Hand entgegen und stellte sich mir vor.”

“Ja, ja, das Zwirbeln am Bart.” Sie kniff ihre Augen zusammen.

“Also. Er legte seinen Unterarm galant unter meinen, führte mich zur Sitzbank, säuberte die Fläche mit seinem Taschentuch und bat mich, Platz zu nehmen. Sofort drängten ihn die anderen, er möge noch einen Witz erzählen. So herzhaft wie an diesem Nachmittag hatte ich seit, seit ... “

“Seit dem Tod Ihres Mannes haben Sie nicht mehr so ausgelassen gelacht?”

“Genau. Außerdem war Hubert eher ein ernster, besonnener und korrekter Mensch.”

“Und Walter war das Gegenteil. ”

Ich nickte. “Und nach der Zeit der Trauer empfand ich mein Lachen über Walters charmanten Humor wie eine innere Befreiung. Ich fühlte mich beschwingt und wir verabredeten uns zum Tanztee.”

“Zum Tanztee? In ihrem Alter?”

Ich musste lachen. “Warum nicht? Immerhin habe auch ich die sechzig überschritten. Die Musik war gut und er tanzte wie ein junger Gott. An diesem Nachmittag habe ich mich, wie man so schön sagt, mit Haut und Haaren in Walter verliebt.”

“Sie haben ihn geheiratet.”

“Er hatte es eilig gehabt. Wir sind überstürzt nach Las Vegas geflogen wie zwei aufgescheuchte Teenager.”

* * *

Walter hat bereits um sieben den Rasen gemäht und um acht das Auto gewaschen. Wie immer stehen auf dem Frühstückstisch frische Blumen und die Brötchen duften mit dem Kaffee um die Wette. Und weil Walter sich ausgehbereit angekleidet hat, frage ich: “Und wo geht ‘s heute hin?”
Er zwirbelt an seinem Bart und rückt, stets gentleman-like, seine Krawatte zurecht. “Heute ist Montag.”
“Und?” Ich stehe auf und stelle das Geschirr in die Spüle. Er ist mir behilflich.
“Montag hast du mit der Wäsche zu tun und ich gehe zum Trödelmarkt.”
“Der auf der Galopprennbahn?”
“Nein.” Er umarmt mich. “So langsam könntest du es dir merken. Montags ist Trödel auf der Trabrennbahn, dienstags auf der Galopp, am Mittwoch auf dem ALDI-Parkplatz, aber das ist ja nur der kleine und am ... “
Ich befreie mich. “Ist schon gut. Du und dein Trödel.” Ich streife ihm übers krause Haar. “Aber ich bitte dich inständig, dass du keine Kleberollen, Nägel, Schrauben, Druckerpapier, Weingummis und Klopapier mitbringst, weil nicht nur der Abstellraum aus allen Fugen kracht.”
Mein Mann zieht seine buschigen Brauen hoch. “Nur Arme und Blöde kaufen teuer.” Er blickt auf seine Armbanduhr. “Ich muss los. Nur der frühe Vogel fängt den Wurm.”

Ich gehe in den Keller und bestücke die Waschmaschine.
In der linken Ecke unseres Waschraumes stapeln sich zehn Kartons Küchenkrepp bis zur Kellerdecke.
‘Zehn Kartons á zwanzig Packungen zu dem Preis, Moni, so günstig kann dir das kein Discounter anbieten.’ Die rechte Raumecke ist ausgefüllt von unzähligen Kartons mit diversen Kleinigkeiten, `die man, meine Liebste, immer gut gebrauchen kann.´
Und wieder zog er, wie ein Zauberer, einen Strauß herrlichster Rosen hinter seinem Jackett hervor und überreichte sie mir. “Du bist die erste Frau, die weiß, wie sie mich zu nehmen hat. Man trifft selten tolerante Frauen.”
Wie waren glücklich, keine Frage.
Trotzdem waren mir die unzähligen Kartons mit Druckerpatronen, Rasensaat, Unkrautvernichter, Wechselbohrköpfen, Geschirrspüler und Auto-Pflegemittel inzwischen ein Dorn im Auge. Mein Auto stand bereits lange auf der Einfahrt, weil auch die Garage aus allen Nähten platzte und ich, zwischen Wäscheaufhängen und Bügeln, vergebens versuchte, ein System in das Durcheinander zu bringen.

Als Walter heute heimkommt und fünf Kartons mit Schleifenband aus seinem Auto auslädt, platzt mir der Kragen.
“Willst du mir weismachen, dass du in dem Chaos einen Überblick darüber hast, wo du was gehortet hast? Du tust ja so, als wenn es morgen nichts mehr zu kaufen gibt!”
Er zieht seelenruhig sein Sakko aus und setzt sich an den Küchentisch. “Ich habe immer gefunden, was du brauchtest. Alle Kartonagen sind säuberlich gestapelt und beschriftet.”
Ich schöpfe die Kartoffelsuppe auf unsere Teller. “Und um fünf Kisten Schleifenband zu kaufen, benötigst du einen kompletten Vormittag?” Manchmal kam Walter auch erst in den Nachmittagstunden heim und hatte lediglich eine Kiste Joghurt mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum unter dem Arm.
“Ich war noch auf dem Friedhof gießen.” Er lockert seine Krawatte. “Hm. Da hat meine gute Fee ja wieder was Leckeres gezaubert.”
Ich stutze. Die Gruft war jetzt, Anfang März, doch noch mit Tanne abgedeckt.
“Bei LIDL hatten sie Primeln im Angebot. Du hast den Prospekt, der im Briefkasten steckte, ja wieder in den Mülleimer geworfen. “ Sein vorwurfsvoller Blick trifft mich bis ins Mark.
Ich setze mich und schüttele den Kopf. “Primeln lohnen nicht, weil die nur so eine kurze Blühzeit haben. Nächste Woche hat ALDI Stiefmütterchen. Die blühen länger.”
Walter zieht wieder seine Brauen hoch. “Bei ALDI? “Und warum weißt du das und ich nicht?”
Er steht auf und haut derart mit seiner Faust auf den Tisch, dass die Teller scheppern und ich mich vor Schreck bekleckere.
“Weil du den Prospekt auch weggeworfen hast!”, liefert er die Erklärung lautstark nach.
Ich keife zurück, dass er sich ab sofort nicht mehr an der Gruft vergreifen soll. In Zukunft würde ich wieder selbst zum Friedhof fahren und mich darum kümmern.
“Aber ich habe es doch nur gut gemeint. Der Friedhof liegt auf dem Weg, wenn ich vom Trödel zurückfahre.” Seine Stimme ist nun sehr sanft.
Ich sage ihm, dass ich enttäuscht bin über seinen lauten Tonfall.
Er greift über den Tisch und streichelt meine Hand. “ ‘tschuldigung, Moni, hast ja recht. Morgen wird mein Warenlager gelichtet, denn ich habe auf dem Friedhof ein paar Leute getroffen, die freuen sich, wenn sie mir günstig was abkaufen können.” Er legt mir eine Art Bestell-Liste vor. “Unterm Strich bleibt sogar noch ein Plus übrig.” Wieder zwirbelt er an seinem Bart. “Manche Leute freuen sich, wenn sie ein Schnäppchen machen können.”


* * *

“War die Hochzeit in Las Vegas schön?”
“Kitschig schön.” Ich machte eine kleine Pause. “Wie es halt ist, wenn die rosa Wolke voller Geigen hängt. Er hat mich in den Mittelpunkt gestellt. Ich habe mich gefühlt wie eine Königin.”
Sie räusperte sich. “Und im Bett?”
Ich stellte ihr die Gegenfrage.
“Gut für sein Alter”, antwortete sie kurz. “Und wann sind Sie ihm auf die Schliche gekommen?”
“Ich bin ihm eines Tages hinterhergefahren.”
“Und da haben Sie festgestellt, dass ... “, sie stockte und drückte ihre Zigarette im Ascher aus.
“Da habe ich festgestellt, dass Walter nicht nur auf dem Trödelmarkt nach Schnäppchen sucht, sondern auch auf dem Friedhof oder beim nachmittäglichen Seniorentanz, wo ich euch beiden dann ja auch gefolgt bin.”
Die Kellnerin brachte den bestellten Sekt.
“Und was machen wir nun mit diesem Schnäppchenjäger?”, fragte mein Gegenüber und erhob ihr Glas.
“Den werden wir zum Nulltarif bei Ebay anbieten. Einschließlich Warenlager.”
Sie lächelte. “Gute Idee. Walter, das Superschnäppchen.”
Ich streifte mir den Ehering vom Finger. “Prost!”
“Prost!”


© anne zeisig , ENDversion

Letzte Aktualisierung: 16.10.2012 - 19.17 Uhr
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