Liebesgeschichten ohne Kitsch? Geht das? Ja - und wie. Lesen Sie unsere Geschichten- Sammlung "Honigfalter", das meistverkaufte Buch im Schreiblust-Verlag.
âWie haben Sie Walter eigentlich kennen gelernt?â Die Ă€ltere, sehr elegante Dame saĂ mir im CafĂš gegenĂŒber, zĂŒndete sich eine Zigarette an und bestellte zwei GlĂ€ser Sekt.
Ich seufzte. âAuf dem Friedhof. Er saĂ auf einer Bank in der NĂ€he des Abschnittes, wo sich das Grab meines verstorbenen Mannes befindet, und war umringt von mehr oder weniger betagten Damen. Sie lachten und redeten derart laut, dass ich sie bereits am hinteren Zuweg hören konnte.
Ich schnappte Wortfetzen auf:
`Sie Charmeur!ÂŽ
`Noch ein Witz! Bitte.ÂŽ
`Komplimente kommen bei den Damen immer gut an!ÂŽ
Kaum, dass ich mich genĂ€hert hatte, sprang er auf, ging flott auf mich zu, machte eine tiefe Verbeugung und hauchte mir einen Kuss auf den HandrĂŒcken . `Sie sind herzlich eingeladen, sich zu uns zu gesellen.ÂŽ, sagte er und lĂ€chelte mich an.
Die Damenriege verstummte und alle blickten in unsere Richtung.
Er zwirbelte an seinem Schnauzbart, hielt mir seine Hand entgegen und stellte sich mir vor.â
âJa, ja, das Zwirbeln am Bart.â Sie kniff ihre Augen zusammen.
âAlso. Er legte seinen Unterarm galant unter meinen, fĂŒhrte mich zur Sitzbank, sĂ€uberte die FlĂ€che mit seinem Taschentuch und bat mich, Platz zu nehmen. Sofort drĂ€ngten ihn die anderen, er möge noch einen Witz erzĂ€hlen. So herzhaft wie an diesem Nachmittag hatte ich seit, seit ... â
âSeit dem Tod Ihres Mannes haben Sie nicht mehr so ausgelassen gelacht?â
âGenau. AuĂerdem war Hubert eher ein ernster, besonnener und korrekter Mensch.â
âUnd Walter war das Gegenteil. â
Ich nickte. âUnd nach der Zeit der Trauer empfand ich mein Lachen ĂŒber Walters charmanten Humor wie eine innere Befreiung. Ich fĂŒhlte mich beschwingt und wir verabredeten uns zum Tanztee.â
âZum Tanztee? In ihrem Alter?â
Ich musste lachen. âWarum nicht? Immerhin habe auch ich die sechzig ĂŒberschritten. Die Musik war gut und er tanzte wie ein junger Gott. An diesem Nachmittag habe ich mich, wie man so schön sagt, mit Haut und Haaren in Walter verliebt.â
âSie haben ihn geheiratet.â
âEr hatte es eilig gehabt. Wir sind ĂŒberstĂŒrzt nach Las Vegas geflogen wie zwei aufgescheuchte Teenager.â
* * *
Walter hat bereits um sieben den Rasen gemĂ€ht und um acht das Auto gewaschen. Wie immer stehen auf dem FrĂŒhstĂŒckstisch frische Blumen und die Brötchen duften mit dem Kaffee um die Wette. Und weil Walter sich ausgehbereit angekleidet hat, frage ich: âUnd wo geht âs heute hin?â
Er zwirbelt an seinem Bart und rĂŒckt, stets gentleman-like, seine Krawatte zurecht. âHeute ist Montag.â
âUnd?â Ich stehe auf und stelle das Geschirr in die SpĂŒle. Er ist mir behilflich.
âMontag hast du mit der WĂ€sche zu tun und ich gehe zum Trödelmarkt.â
âDer auf der Galopprennbahn?â
âNein.â Er umarmt mich. âSo langsam könntest du es dir merken. Montags ist Trödel auf der Trabrennbahn, dienstags auf der Galopp, am Mittwoch auf dem ALDI-Parkplatz, aber das ist ja nur der kleine und am ... â
Ich befreie mich. âIst schon gut. Du und dein Trödel.â Ich streife ihm ĂŒbers krause Haar. âAber ich bitte dich instĂ€ndig, dass du keine Kleberollen, NĂ€gel, Schrauben, Druckerpapier, Weingummis und Klopapier mitbringst, weil nicht nur der Abstellraum aus allen Fugen kracht.â
Mein Mann zieht seine buschigen Brauen hoch. âNur Arme und Blöde kaufen teuer.â Er blickt auf seine Armbanduhr. âIch muss los. Nur der frĂŒhe Vogel fĂ€ngt den Wurm.â
Ich gehe in den Keller und bestĂŒcke die Waschmaschine.
In der linken Ecke unseres Waschraumes stapeln sich zehn Kartons KĂŒchenkrepp bis zur Kellerdecke.
âZehn Kartons ĂĄ zwanzig Packungen zu dem Preis, Moni, so gĂŒnstig kann dir das kein Discounter anbieten.â Die rechte Raumecke ist ausgefĂŒllt von unzĂ€hligen Kartons mit diversen Kleinigkeiten, `die man, meine Liebste, immer gut gebrauchen kann.ÂŽ
Und wieder zog er, wie ein Zauberer, einen StrauĂ herrlichster Rosen hinter seinem Jackett hervor und ĂŒberreichte sie mir. âDu bist die erste Frau, die weiĂ, wie sie mich zu nehmen hat. Man trifft selten tolerante Frauen.â
Wie waren glĂŒcklich, keine Frage.
Trotzdem waren mir die unzĂ€hligen Kartons mit Druckerpatronen, Rasensaat, Unkrautvernichter, Wechselbohrköpfen, GeschirrspĂŒler und Auto-Pflegemittel inzwischen ein Dorn im Auge. Mein Auto stand bereits lange auf der Einfahrt, weil auch die Garage aus allen NĂ€hten platzte und ich, zwischen WĂ€scheaufhĂ€ngen und BĂŒgeln, vergebens versuchte, ein System in das Durcheinander zu bringen.
Als Walter heute heimkommt und fĂŒnf Kartons mit Schleifenband aus seinem Auto auslĂ€dt, platzt mir der Kragen.
âWillst du mir weismachen, dass du in dem Chaos einen Ăberblick darĂŒber hast, wo du was gehortet hast? Du tust ja so, als wenn es morgen nichts mehr zu kaufen gibt!â
Er zieht seelenruhig sein Sakko aus und setzt sich an den KĂŒchentisch. âIch habe immer gefunden, was du brauchtest. Alle Kartonagen sind sĂ€uberlich gestapelt und beschriftet.â
Ich schöpfe die Kartoffelsuppe auf unsere Teller. âUnd um fĂŒnf Kisten Schleifenband zu kaufen, benötigst du einen kompletten Vormittag?â Manchmal kam Walter auch erst in den Nachmittagstunden heim und hatte lediglich eine Kiste Joghurt mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum unter dem Arm.
âIch war noch auf dem Friedhof gieĂen.â Er lockert seine Krawatte. âHm. Da hat meine gute Fee ja wieder was Leckeres gezaubert.â
Ich stutze. Die Gruft war jetzt, Anfang MĂ€rz, doch noch mit Tanne abgedeckt.
âBei LIDL hatten sie Primeln im Angebot. Du hast den Prospekt, der im Briefkasten steckte, ja wieder in den MĂŒlleimer geworfen. â Sein vorwurfsvoller Blick trifft mich bis ins Mark.
Ich setze mich und schĂŒttele den Kopf. âPrimeln lohnen nicht, weil die nur so eine kurze BlĂŒhzeit haben. NĂ€chste Woche hat ALDI StiefmĂŒtterchen. Die blĂŒhen lĂ€nger.â
Walter zieht wieder seine Brauen hoch. âBei ALDI? âUnd warum weiĂt du das und ich nicht?â
Er steht auf und haut derart mit seiner Faust auf den Tisch, dass die Teller scheppern und ich mich vor Schreck bekleckere.
âWeil du den Prospekt auch weggeworfen hast!â, liefert er die ErklĂ€rung lautstark nach.
Ich keife zurĂŒck, dass er sich ab sofort nicht mehr an der Gruft vergreifen soll. In Zukunft wĂŒrde ich wieder selbst zum Friedhof fahren und mich darum kĂŒmmern.
âAber ich habe es doch nur gut gemeint. Der Friedhof liegt auf dem Weg, wenn ich vom Trödel zurĂŒckfahre.â Seine Stimme ist nun sehr sanft.
Ich sage ihm, dass ich enttĂ€uscht bin ĂŒber seinen lauten Tonfall.
Er greift ĂŒber den Tisch und streichelt meine Hand. â âtschuldigung, Moni, hast ja recht. Morgen wird mein Warenlager gelichtet, denn ich habe auf dem Friedhof ein paar Leute getroffen, die freuen sich, wenn sie mir gĂŒnstig was abkaufen können.â Er legt mir eine Art Bestell-Liste vor. âUnterm Strich bleibt sogar noch ein Plus ĂŒbrig.â Wieder zwirbelt er an seinem Bart. âManche Leute freuen sich, wenn sie ein SchnĂ€ppchen machen können.â
* * *
âWar die Hochzeit in Las Vegas schön?â
âKitschig schön.â Ich machte eine kleine Pause. âWie es halt ist, wenn die rosa Wolke voller Geigen hĂ€ngt. Er hat mich in den Mittelpunkt gestellt. Ich habe mich gefĂŒhlt wie eine Königin.â
Sie rĂ€usperte sich. âUnd im Bett?â
Ich stellte ihr die Gegenfrage.
âGut fĂŒr sein Alterâ, antwortete sie kurz. âUnd wann sind Sie ihm auf die Schliche gekommen?â
âIch bin ihm eines Tages hinterhergefahren.â
âUnd da haben Sie festgestellt, dass ... â, sie stockte und drĂŒckte ihre Zigarette im Ascher aus.
âDa habe ich festgestellt, dass Walter nicht nur auf dem Trödelmarkt nach SchnĂ€ppchen sucht, sondern auch auf dem Friedhof oder beim nachmittĂ€glichen Seniorentanz, wo ich euch beiden dann ja auch gefolgt bin.â
Die Kellnerin brachte den bestellten Sekt.
âUnd was machen wir nun mit diesem SchnĂ€ppchenjĂ€ger?â, fragte mein GegenĂŒber und erhob ihr Glas.
âDen werden wir zum Nulltarif bei Ebay anbieten. EinschlieĂlich Warenlager.â
Sie lĂ€chelte. âGute Idee. Walter, das SuperschnĂ€ppchen.â
Ich streifte mir den Ehering vom Finger. âProst!â
âProst!â