Der Tod aus der Teekiste
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Jagd | Oktober 2012
An Marvin
von Eva Fischer

Hi Marvin!

Du hast mich heute Vormittag im Neanderthal Museum gesehen. Der coole Typ, der locker bei euren olympischen Spielen im Gewichtheben eine Goldmedaille abgestaubt hätte. Wenn man ihn in einen Anzug zwängt, sieht er aus wie Brad Pitt.
Okay, so groß wie unser Boss bin ich noch nicht.

Ich heiße übrigens Fuchs, weil meine Haare in der Sonne so rötlich glänzen wie die meines Namensvetters. Schneehase findet sie sexy. Schneehase ist meine Freundin. Mein bester Freund heißt Bär. Ich bin einen Kopf kleiner als er, was aber nicht heißt, dass ich weniger Hirnmasse habe.
Wir leben alle zusammen in einer Großfamilie: meine Eltern, Geschwister, jede Menge Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen.
Wenn der Winter kommt, haben wir ein Problem, denn wir kennen keine Supermärkte oder Mc Donald’s, wo man sich eben mal einen Hamburger reinziehen kann. Unser Frischfleisch müssen wir uns schon selbst besorgen.
Dazu gehen wir im Herbst auf die Jagd. Das ist jedes Mal ein großes Ereignis, dem wir genauso entgegenfiebern wie ihr Halloween.
So etwas muss natürlich vorbereitet werden. Deshalb treffen sich die Ältesten in einer Vollmondnacht, um alles genau zu planen. Unsere Anwesenheit ist dabei nicht erwünscht,
aber wir verstecken uns hinter den Bäumen, um zuzuhören. Unsere Mütter drücken ein Auge zu. Schließlich wollen sie später auch einmal stolz auf uns sein.

Schneehase hat sich im Mondlicht an mich gekuschelt. „Du bringst mir doch ein Stück Elfenbein mit, damit ich mir eine schöne Halskette machen kann“, wispert sie mir ins Ohr. Meine große Schwester hat auch schon ihre Wünsche angemeldet. Sie will Fell haben für ihre neuen Winterstiefel.
„Man kann die Beute nicht verteilen, bevor sie erlegt ist“, knurre ich zurück. „Außerdem weißt du, dass es nicht so einfach ist, etwas an den strengen Augen der Ältesten vorbeizuschmuggeln.“
„Mein schlauer Fuchs schafft das schon“, strahlt sie mich an.
„Psst“, bekunde ich ihr zu schweigen, denn unser Boss Elch hat das Wort ergriffen.

„Wolf hat ausgekundschaftet, dass eine Herde Mammuts auf dem Weg zum großen Gewässer ist. Wir werden ihnen in sicherem Abstand folgen, denn wir müssen uns nicht unnötig in Gefahr begeben.“
Eber streckt anklagend seinen Armstumpf in den Nachthimmel. Bei der letzten Jagd wurde er von einem Wildschwein angegriffen. Mit Mühe und Not konnte er dem Tier entkommen. Der Arm wurde schwarz, so dass sich unser Doc zu einer Amputation entscheiden musste.
„Mammuts sind fast drei mal so groß wie wir. Können wir nicht besser wieder Wildschweine jagen gehen“, schlägt Eber deshalb vor.
„ Mammuts sind unsere Chance“, hält Wolf dagegen.
„Wenn wir eins erlegen, dann haben wir nicht nur genügend Fleisch zum Essen für den ganzen Winter, sondern auch Baumaterial für unsere Hütten. Die Frauen haben Nähgarn für Kleidung und Behälter, um Wasser und Körner zu transportieren. Ihre sind schon ziemlich löchrig.“
„Und hast du auch schon eine Idee, wie du den Riesentieren zu Leibe rücken willst?“, wirft Eber spöttisch ein.
Unbeirrt fährt Wolf fort.
„Wir folgen ihnen und trennen das schwächste Tier von der Herde. Dies treiben wir in die Enge und mit zwanzig Mann und zwanzig Speeren erledigen wir es. Wir haben gute Waffen und sind flinke Jäger.“
„Pah, das mag ja bei Wildschweinen klappen, aber für Mammuts taugt dein Plan nicht,“
entgegnet Eber.
„Ruhe!“, donnert Elch und nimmt ihn streng ins Visier.
„Ich erkläre hiermit die Mammutjagd zur Chefsache.“

„Klar, Elch will als unsterblicher Held in die ewigen Jagdgründe eingehen. Viel Zeit bleibt ihm bis dahin eh nicht mehr.“
Das ist Bär, der sich neben mir zu Wort meldet. Er möchte gern eines Tages Elchs Nachfolger werden.

Obwohl es noch nicht sicher ist, ob wir mit zur Jagd dürfen, übe ich die nächsten Tage Speerwerfen. Bär kriegt das besser hin als ich, aber ich ziele auch zusehends weiter. Schneehase kommt angeflitzt und bringt mir den Speer zurück. Ihren glänzenden Augen entnehme ich, dass sie ihn am liebsten auch werfen möchte. Dabei ist sie eine ausgezeichnete Kleintierjägerin. Die Großwildjagd ist allerdings reine Männersache.

Bär und ich sind ziemlich enttäuscht, als wir erfahren, dass wir dazu eingeteilt sind, den Männern den Proviant zu tragen. Für die Jäger werden die letzten verwertbaren Essensreste zusammengekratzt.
Die Frauen winken uns zu, wünschen uns Jagdglück. Unser Doc hat vor unserem Aufbruch noch ein bisschen Jagdzauber in der heiligen Höhle veranstaltet, das heißt, er hat bis zum Umfallen bei Feuerschein vor unserem Jagdbild getanzt. Das soll uns magische Kräfte verleihen.

Nun sitzen wir mitten im Wald und bewachen die Lebensmittel, während die anderen sich auf die Suche nach der Mammutherde begeben haben.
Bär ist richtig sauer und reißt morsche Äste von den Bäumen.
„Wir sind doch keine Kinder mehr“, schimpft er. „Ich zähle schon über 100 Vollmonde. Wie soll ich jetzt beweisen, dass ich besser Speer werfen kann als dieser Wichtigtuer Wolf?“
Während die Äste sich langsam auf dem Boden stapeln, kommt mir eine Idee.
„Was hältst du davon, wenn wir eine Falle bauen?“
„Willst du jetzt auf Hasenjagd gehen oder was?“, brummt Bär.
„Na ja, besser als hier dumm rumsitzen, oder?“
Bär ist schließlich einverstanden und gemeinsam buddeln wir ein gewaltiges Loch. Der Boden ist erstaunlich locker, so dass wir rasch vorankommen.
Dann legt Bär die Äste drüber, während ich mich auf die Suche nach Moos begebe. Als ich mich bücke, schlingen sich zwei Arme um meine Taille. Schneehase! Sie legt die Finger auf meinen Mund und bedeutet mir zu schweigen. Wenn sie die Jäger hier erwischen, dann erwartet sie eine fürchterliche Strafe. Aber Schneehase kann sich wie ihr Namensvetter vollkommen ihrer Umgebung anpassen. So ist sie alsbald verschwunden und ich frage mich, ob ihr Erscheinen nicht nur eine Sinnestäuschung war.
Voll beladen mit Moos kehre ich zu Bär zurück. Möglichst geschickt verteilen wir es auf den Ästen, damit keiner die Falle erkennen kann. Dann prüfen wir aus welcher Richtung der Wind kommt, damit die Tiere uns nicht wittern, und klettern auf einen nah gelegenen Baum. Leider tut sich nicht viel. Ein paar Rehe huschen vorbei, ohne unserem Kunstwerk Beachtung zu schenken.
Bär droht schon einzunicken, als wir aus der Ferne ein Geschrei hören. Das können nur unsere Jäger sein..
Auf einmal kommt die Erde unter uns in Bewegung, so dass wir fürchten jeden Augenblick vom Baum zu fallen. Rums. Zwei Stoßzähne donnern gegen den Baumstamm, dringen ein und bleiben stecken.
Was ist das für ein Vieh? Von der Größe her könnte es ein Hirsch sein.
Bär springt behände vom Baum, greift nach einem Speer und sucht das Tier ins Herz zu treffen.
Der aufheulende Schmerzensschrei des Tieres mischt sich mit dem lauter werdenden Gebrüll der Jäger.
Während Bär den Speer herauszuziehen sucht, schreit Wolf:
„Aus der Schusslinie, du Depp! Du vermasselst uns noch die Jagd. Warum bist du nicht bei den Frauen geblieben, du kleiner Hosenscheißer?“
Das Tier dreht abrupt den Kopf, schaut in Richtung der menschlichen Stimme, und registriert erstaunt, dass es sich wieder bewegen kann und dass Wolf ganz offensichtlich nicht sein Freund ist. Es nimmt Anlauf, um mit aller Wucht auf ihn zuzustürmen. Doch ehe es sein Ziel erreicht, versinkt es im Erdboden.
Blitzschnell erkennt Wolf seine Chance und versetzt dem Tier den Todesstoß.
Stolz präsentiert er seine Beute den ankommenden Jägern.
Elch klopft ihn anerkennend auf die Schultern.

„Du weißt schon, dass das unsere Falle war, in die das Tier hineingetappt ist,“ meldet sich Bär zu Wort. Bärenstark, wie mein Cousin gegen die Alten auftrumpft. Ich erwarte, dass wir nun beide für unsere Eigenmächtigkeit vom Boss zusammengeschissen werden.
Doch zu meinem Erstaunen kommt Wolf auf uns zu, schüttelt uns die Hände und sagt:
„Gut gemacht, Jungs! Aus euch können doch noch brauchbare Jäger werden. Bei der nächsten Jagd könnt ihr das unter Beweis stellen.“
„Und ein Teil der Beute gehört uns“, wage ich nun meinerseits mutig geworden vorzupreschen.
Wolf runzelt die Stirn.
„Ich will nur ein Stück von dem Stoßzahn. Meine Freundin möchte sich eine Elfenbeinkette daraus machen.“
Elch grinst. „Na, ich glaube, diesen Wunsch können wir unserem Rotschopf erfüllen. Was meinst du, Wolf?“

Die Frauen jubeln uns zu, als wir mit unserer Beute zu unserem Lager zurückkehren. Schneehase lächelt mich verschwörerisch an.
Das erlegte Mammut ist noch ziemlich klein.
Für ein größeres Tier bräuchte es andere Helden. Ich denke da an Bär und mich. Nächstes Mal vielleicht.


„Marvin, warum gehst du nicht ins Bett? Was machst du da?“
„Schularbeiten für Geschi. Wir müssen einen Aufsatz über eine Mammutjagd schreiben.“
„Und, bist du bald fertig?“
„Gleich, Mama.“

Letzte Aktualisierung: 14.10.2012 - 11.38 Uhr
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