Ganz schön bissig ...
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Stadtleben | November 2012
Downtown
von Ute Jürgens

"Liebe deine Stadt" - pah! Dieser Schriftzug direkt neben der Haupteinfallstraße, auf der ich täglich im Stau stehe, kommt mir jedes Mal vor wie eine dieser überflüssigen, bestgehassten mütterlichen Ermahnungen. "Fahr vorsichtig!" oder "Setz eine Mütze auf, es ist kalt!" Ja, Mami…
Meine Stadt lieben… liebt meine Stadt denn mich? Ist das hier überhaupt "meine" Stadt? Ich hab das Gefühl, sie wollte mich nie. Der Winter, in dem ich hierhergezogen bin, war total verregnet. Eigentlich nur konsequent, dass ich nach ein paar Monaten einen Wasserschaden in der Wohnung hatte. Nicht konsequent waren leider die Renovierungsbemühungen meines bekloppten Vermieters, weshalb die Feuchtigkeit blieb und einen prima Nährboden für eine Pilzkolonie bildete. Von wegen "et hätt noch immer joot jejange"! Das Einzige, was gegangen ist, war ich.
Diesem Umzug folgten noch vier weitere, für die die Stadt allerdings nichts konnte. Zumindest nicht direkt. Wir zogen zusammen, wir trennten uns… Neulich hab ich irgendwo gelesen, dass die Scheidungsrate auf dem Land deutlich niedriger ist als in der Stadt.

"Don't hang around and let your problems surround you
There are movie shows downtown."

Ja genau, warum zu Hause sitzen und Probleme diskutieren, wenn es doch so viel Ablenkung gibt in der Stadt! Ich bin ja auch ziemlich schnell über die Trennungen hinweggekommen, das muss ich zugeben. Sabine hat sich mit diesem "Salsero" getröstet und ich bin in´s Fitness-Studio gegangen. Praktisch, die haben hier rund um die Uhr geöffnet! Hat mir körperlich sicher nicht geschadet, die Muckibude; den Mädels auf den Ringen hat´s auch gefallen. Mann, damals mit Klaus-Dieter bin ich echt jeden Abend um die Häuser gezogen… war schon ´ne geile Zeit!

"Just listen to the music of the traffic in the city
Linger on the sidewalk where the neon signs are pretty
How can you lose?"

Mit Ulla habe ich dann die Kultur entdeckt. Ulla war Schauspielerin. Da macht man sich ja gar kein Bild von, was das für ein hartes Brot ist! Von wegen Glanz und Glamour. Ohne Nebenjobs kommen die alle nicht über die Runden. Trotzdem engagieren die sich - Wahnsinn. Ich hatte gar keine Ahnung, wie viele unabhängige Theater und Kleinkunstbühnen es hier gibt! Na ja, wie auch; früher war ich ja bestenfalls mal zu Weihnachten mit den Eltern im Schauspielhaus - "Junge, wir kommen dich wieder besuchen; dat war letztes Jahr so schön inne Oper!". Na, da tut man den alten Herrschaften halt den Gefallen.
Seit das aus ist mit Ulla war ich auch nur noch einmal im Theater. "Der Gott des Gemetzels". Teuflisch gutes Stück; hat mir für die nächsten Jahre gereicht.
Mit Claudia und Herbert war ich neulich sogar im Tanztheater; Pina Bausch, in Wuppertal. Aber das war auch nichts für mich. Mittendrin hat mich irgendwas gepackt und ich musste heulen - das war vielleicht peinlich! Warum, hab ich bis heute nicht kapiert. Aber seitdem meide ich Theater aller Art.

"When you're alone and life is making you lonely
You can always go - downtown."

Ich gehe jetzt wieder öfter in die Stadt abends, aber eigentlich weiß ich gar nicht, was ich da will. Kino alleine ist doof und für die Disco bin ich inzwischen offenbar zu alt. Als ich neulich ´ner schnuckeligen Blondine einen ausgeben wollte, meinte die doch glatt "nee danke, lass mal, Papi". Dabei bin ich immer noch ganz gut in Form! Früher war das irgendwie einfacher.
Ich suche wohl was, meinte Klaus-Dieter, aber was, konnte er mir auch nicht sagen. Ja klar, der einsame Steppenwolf, ahoooo! Drauf geschissen.

"And you may find somebody kind to help and understand you
Someone who is just like you and needs a gentle hand to
guide them along."

Ab und an treffe ich mich wieder mit Sabine. Ihr Salsero ist ihr wohl auf der Nase ´rumgetanzt und da hat sie ihn ´rausgeschmissen. Resolut war sie ja schon immer, die Sabine. Die weiß, was sie will! Mit Sabine kann man richtig gut reden; besser als mit Klaus-Dieter. Das hätte ich gar nicht gedacht. Okay, früher haben wir auch so gut wie nie geredet. Das heißt, ich nicht. Sabine wollte ja immer - aber ich hab einfach nicht verstanden, worum es ihr ging und warum man alles so breit auswalzen muss. Entweder es ist okay oder nicht; wenn nicht, kippste ein Bier drauf und schläfst ´ne Nacht drüber, dann geht's wieder. Aber im Moment ist gar nichts okay bei mir, egal wie viel Bier ich da drauf kippe. Heute war die letzte Fahrt ins Büro. Auf dem Beifahrersitz hab ich ´ne Kiste mit den privaten Dingen, die sich in fünfzehn Jahren so angesammelt haben. Unsere Abteilung ist geschlossen; Zeiten werden härter, wir müssen den Gürtel enger schnallen - der ganze Blabla. Nicht, dass das mein Traumjob gewesen wäre, das sicher nicht. Aber die Kollegen waren echt in Ordnung, und das Geld auch.
Dass ich mit Mitte Vierzig bei der Arge schon als schwer vermittelbar gelte, hätte ich auch nicht gedacht.

Sabine meint, für irgendwas wird´s schon gut sein, "wirst sehen". Ich find das echt fair von ihr: Obwohl sie ´nen guten Job und alles hat und ich nicht, gibt sie mir nie das Gefühl, ein Loser zu sein. Gestern Abend haben wir darüber geredet, wie ich früher immer davon gefaselt habe, dass ich tief im Herzen ein Musiker bin; so einer mit Whisky in der Stimme und Texten, die irgendwo zwischen Melancholie und Ironie pendeln. Ein kölscher Leonard Cohen; also, die Richtung irgendwie. Ich fand das auch so, aber trotzdem habe ich das selber nie so ganz ernst genommen. Aber gestern habe ich die Gitarre wieder ´raus geholt und es war ein total schöner Abend. Der schönste seit langem.
Sabine meinte ganz nebenbei, dass bei ihr im Veedel ein Proberaum leer steht. Ich glaube, den gucke ich mir nächste Woche an. Den Ruschi könnte ich auch mal wieder anrufen und den Wuttke… Die Musikszene ist eigentlich ziemlich cool in dieser Stadt, finde ich.

"Everything's waiting for you."

Letzte Aktualisierung: 28.11.2012 - 09.15 Uhr
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