Ganz schön bissig ...
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Winterabend | Dezember 2012
Ich geh mit meiner Laterne…
von Ingo Pietsch

Laterne

Total erledigt und durchgeschwitzt kämpfte ich mich die Treppe zum Haus hoch. Ich freute mich tierisch auf eine heiße Dusche und das Fußballspiel heute Abend!

Hinter Wohnungstür lauerten jedoch die sechsjährige Lena und der zweijährige Paul: Komplett mit Jacke und Stiefel bekleidet und einer Laterne in der Hand.
Ich schlug mir an die Stirn, hatte völlig vergessen, dass heute das Laternenfest der ersten Klasse war. Paul musste ich mitschleifen, weil meine Frau mit den beiden Großen Schuhe kaufen wollte. Offiziell. Wahrscheinlich suchte sie eher für sich selbst welche.
Egal, bevor ich mir darüber noch weitere Gedanken machen konnte, wurde ich mit knurrendem Magen und zwei höchst motivierten Kindern (das wird ein Spaß!) wieder zur Tür hinaus geschoben.

Paul wollte, wie immer, nicht in den Buggy. Natürlich kamen wir deshalb zu spät.
Auf dem Schulhof begrüßte uns der hiesige Posaunenchor, der uns lautstark Laternenlieder entgegenschmetterte. Der Chor spielte auch bei allen Festlichkeiten und Jubiläen, so dass es mich nicht wunderte, als ein Bekannter sagte: „Ich komme mir vor, wie auf einem achtzigsten Geburtstag!“

Ich fror und war müde. Zudem machte sich mein Magen wieder bemerkbar.
Es gab noch eine Begrüßung durch die Klassenlehrer und der Marathonlauf konnte beginnen.

Paul, der wieder der Meinung war, er müsse alleine laufen, verschwand nach einigen Sekunden im dichten Gedränge. Aber zum Glück lichtete sich das Feld schon nach wenigen Minuten. Ich fing ihn wieder ein und platzierte ihn im Buggy. Normalerweise schlief er längst um diese Zeit, zum Glück. Dadurch wurde er müde und blieb endlich still sitzen.

Die Feuerwehr und Polizei sicherten die Straßen ab und ständig musste ich die Kinder, und mich selbst auch, ermahnen, nicht ins Blaulicht zu sehen und zu erblinden.

Im Dauerlauf ging es einmal quer durchs halbe Dorf, dann bis zum Waldrand hoch zum Schützenhaus, von dem man einen herrlichen Ausblick ins Tal genießen konnte – wenn man vom Blaulicht die Sehfähigkeit noch nicht verloren hatte.

Das unfreiwillige Training fürs Sportabzeichen wurde hier oben durch eine erneute kulturelle Vorführung unterbrochen. (Das Blasorchester war still und heimlich über eine Abkürzung hierher gekarrt worden.)

Mit Laterne, hechel, hechel, Laterne, ging es im Eiltempo wieder zurück.
Leider konnten wir trotz des Infrablaulichtes nicht genau erkennen, in was wir alles, auf dem von Hunden gern genutzten Feldweg, so hineintraten.

Es begann leicht zu Nieseln und ich war froh, dass wir schon vor Jahren auf Elektro-Leuchtstäbe umgestiegen waren. Kerzen gingen immer wieder aus und Finger erlitten Beinaheerfrierungen, weil das Feuerzeug streikte. Die Kinder weinten und ich war am Ende mit meinen Nerven. Außerdem war auch schon mal eine Laterne in Flammen aufgegangen. Was zwar schön anzusehen ist, aber ruckzuck eine Massenpanik auslöst.
Immer wieder schielte ich zu den Papas mit Net-Phones, die heimlich das Spiel mitverfolgten, mir aber freundlicherweise den Spielstand durchgaben.

Auf dem Schulhof gab es dann noch Würstchen und Brezeln. Ich bekam die Reste von den Kindern ab. Brezeln machen ja so satt!

Zum Schluss artete das besinnliche Fest noch in einer Laternenstabschlacht aus, bei der die Stäbe als Knüppel fungierten. Einer unserer Stäbe zerbrach, beim Zweiten verflüchtigte sich die Glühbirne. (Nie Ersatzglühbirnen und -Batterien vergessen!)

Was man den Organisatoren hoch anrechnen muss: Der Kinderpunsch wurde dieses Jahr nicht mit dem Glühwein vertauscht!

Pünktlich zum Schlusspfiff waren wir wieder zu hause.

Laterne, Laterne

Eine Woche später

Wieder ein anstrengender Tag, wieder ein Fußballspiel, das ich gerne gesehen hätte.

Martinssingen. Überraschenderweise war meine Schwägerin mit ihren Kindern zu Besuch gekommen. Also gingen wir, wohlgemerkt wir, mit acht Kindern auf die Piste.
Trotz meiner warnenden Worte, dass sich alle warm anziehen sollten, hörte natürlich keiner auf mich.
Die ersten Schneeflocken fielen vom Himmel und waren schön anzuschauen im Straßenlaternenschein.
So gab es schon nach einigen Minuten rote Ohren und Nasen und klamme Finger. Zum Glück hatte ich ausreichend Handschuhe und Mützen mitgenommen, was allerdings nicht verhinderte, dass wir gleich wieder umkehren mussten, weil die Hälfte der Kinder schon beim zweiten Haus aufs Klo musste. Komisch, als ich vorm Losgehen gefragte hatte, hatte keiner ein Bedürfnis verspürt.

Als wir wieder zur Gruppe aufgeschlossen waren, durfte ich mit der anderen Hälfte umkehren.

Eigentlich hatten wir mit den Kindern besprochen, dass sie sich auf ein Lied einigen sollten, bevor sie klingelten. Leider ergab das ziemlich häufig ein Kanon aus zwei unterschiedlichen Stücken.

In manchen Häusern ging das Licht sogar aus, wenn wir läuteten. Und manche Leute waren sogar so dreist, dann noch zu rufen: „Keiner zuhause!“

Hier im Ort sind die meisten aber sehr freundlich und nicht selten bekamen die Kinder zwei oder mehr Teile.

Was ich toll fand: Eine Nachbarin, die selbstgebackene Waffeln verteilte.
Da fragte mein Großer: „Hast du nicht was anderes?“

Ein andermal, als es Clementinen gab, sagte er: „Die mag ich nicht!“
Wir ernteten entsetzte Blicke der netten alten Frau.
Und mein Sohn legte noch nach: „Aber meine Mama isst die gerne, deswegen nehme ich sie trotzdem mit!“

Das lag möglicherweise daran, dass ich den Kindern eingetrichtert hatte, alles zu nehmen, sich nicht zu beschweren und dankbar zu sein.

Das mit dem Danke-Sagen klappte dann doch nicht so gut, weil man mit vollem Mund nicht sprechen kann. Zum Glück waren die Süßigkeiten bis zur nächsten Tür aufgegessen.

So wie Weihnachten kommt auch das Martinisingen jedes Jahr völlig unerwartet: In den Supermärkten gibt es gigantische Süßwarenaufbauten mit Hinweisschildern, ja den Martins-Tag nicht zu vergessen und der Überschrift: Von freundlichen Zahnärzten empfohlen!

Und trotzdem verteilen gerade ältere Leute in ihrer Not, weil ja sonst nichts anderes da ist, Weinbrandbohnen oder MonCheri.

Was auch Tradition hat: Ein kleiner Schluck für die Begleitpersonen. Man friert nicht mehr und hat weniger Stress.

Einmal wurden wir deswegen sogar von einer Horde grölender Muttis mit ihren Töchtern überholt. Die Mütter sangen an der nächsten Tür sogar lauter, als ihre Kinder.

Abendbrot fiel natürlich aus. Dafür Rucksack voll, Bauch voll, Jacken vollgeschmiert.

Zuhause wurde alles aufgeteilt und gewettet, wer am meisten eingesammelt hatte.

Mama bekam natürlich das Obst.

Mit den Süßigkeiten bastelten wir, wie jedes Jahr, einen Adventskalender.

Aber das Schönste an diesem Abend war, dass die Kinder sofort einschliefen. Und ich, der sich das Fußballspiel aufgenommen hatte, vor dem Fernseher auch.

Rabimmel, Rabammel, Rabumm

Letzte Aktualisierung: 23.12.2012 - 15.33 Uhr
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