Das alte Buch Mamsell
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Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
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Winterabend | Dezember 2012
Alle Jahre wieder
von Andrea Will

Es ist der 24. Dezember. Wieder geht es um das Finale, den Weihnachtstag. Während die Frauen das Essen zubereiten, den Baum schmücken und die letzten Geschenke verpacken, wird der Rest der Familie nach Draußen verbannt. Alle Jahre wieder. Obwohl man sich hoch und heilig verspricht, dass es nächstes Jahr anders sein wird.
In Kindertagen war es bei mir auch so. Was habe ich sehnsuchtsvoll darauf gewartet, dass man endlich in das abgeschlossene Zimmer durfte. Die Klingel bedeutete, dass das Christkind gerade dagewesen war.
Heute war das anders. Die Zeiten sind vorbei. Alles existiert nur in meiner Erinnerung. Fast alle Personen sind gestorben und ich sitze alleine in einem Altenheim. Geheiratet habe ich nie. Heute ist hier auch eine Weihnachtsfeier. Wir sitzen zum Kaffee zusammen, singen Weihnachtslieder und jeder erhält ein kleines Geschenk vom Haus. Danach geht jeder allein in sein Zimmer. Die meisten werden ins Bett gebracht. Und andere noch mobile Bewohner so wie ich, können noch aufbleiben.
Es ist nichts im Fernsehen außer den üblichen Wiederholungen. Santa Claus und der kleine Lord. Die beiden könnte ich sogar schon mitsprechen. Lesen? Dazu habe ich keine Meinung. Dabei ist mein kleines Bücherregal mit ausgewählten Werken bestückt. Ich habe sie mir gekauft und gedacht, wenn ich im Alter Ruhe habe, könnte ich sie lesen. Doch nun sind meine Augen so schlecht, dass ich das nicht mehr kann. Und nur Musik hören ist mir einfach zu langweilig. Mir fehlt das Knacken und Rauschen der Platten von damals. Als Kind saß ich oft Stundenlang vor dem Abspielgerät und wartete darauf. Die guten alten Zeiten. Was haben wir uns da auf Kleinigkeiten gefreut. Heute dagegen artet es aus. Die Werbung in der Zeitung wird immer dicker und vor allem auf Kinderwünsche zugeschnitten.
Wissen die Leute überhaupt, warum man Weihnachten feiert? Was ist nur daraus geworden? Das eigentlich damit ein besonderer Mensch geehrt wird, dessen Geburtstag wir feiern Jesus.. „ Hallo Du da oben. Hättest du dir das zu träumen gewagt, wie man deinen Ehrentag hier unten auf Erden begeht?“
Ich schlage die Zeitung auf:
Bitte Lieber Gott:
Mach mein Bankkonto fett
Und mich schlank!
Und bitte nicht wieder in der falschen Reihenfolge!
Das ist doch mal was anderes. Ich lache und lasse die Zeitung auf meine Oberschenkel gleiten. Und ich fange an nachzudenken, welche Sachen, ich nächstes Jahr nicht mehr tun wollte.
Doch es fiel mir nichts ein. Ich rauche nicht. Ich trinke wenig. Ich habe eher Untergewicht. Mein Zimmer ist so, wie ich es mir vorstelle. Ich bin gerne allein. Ich bin ein glücklicher Mensch.
Es klopft an meiner Tür. Und die Auszubildende des Altenheims kommt herein.
„Hallo Frau Schanze, die Weihnachtsfeier geht in einer Stunde los. Soll ich Ihnen noch bei etwas helfen?“
„Nein Danke. Ich werde hier in meinem Zimmer bleiben. Ich mag den ganzen Trubel nicht und höre lieber von hier zu. Ich lasse meine Türe etwas auf.“
„Aber es ist doch Weihnachten! Der Tag, an dem man nicht alleine in seinem Zimmer sitzen sollte. Es kommen doch die anderen Heimbewohner und ihre Angehörigen. Wir werden jede Menge Spaß haben.“
„Den habe ich hier auch. Ich bin gern alleine. Glauben Sie mir.“
„OK Frau Schanze. Bis bald. Sie klingeln wenn Sie etwas brauchen?“
„ Ja mache ich.“
Dann geht sie hinaus.
Vielleicht wird sie mich eines Tages verstehen. Ich mag diese Hektik und das alles drum herum nicht mehr. Die ganze Arbeit. Sitze lieber in meinem Zimmer, trinke ein Glas Sekt und höre die Geräuschkulisse von draußen. Das reicht mir. Im Fernsehen sehe ich mir die Weihnachtsgeschichte an. Und in diesem Moment ist es, als seien all meine verstorbenen aus meiner Kindheit bei mir und wir feiern unser Weihnachten. Endlich. Da ist auch wieder ein vertrauter Ton. Das Knacken der Schallplatte. Wie hatte ich es vermisst.
„Frohe Weihnachten allen Menschen !“

Letzte Aktualisierung: 18.12.2012 - 08.37 Uhr
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