Diese Seite jetzt drucken!

Selbst gemacht | März 2013

Wenn man nicht alles selbst macht ...
von Susanne Ruitenberg

Der Wahrheitsgehalt vollmundiger Ankündigungen entspricht in der Regel dem des Horoskops in der Super-Illu.
Ich hätte es wissen müssen.
Insofern ist alles meine Schuld.

Wann hat Heinz aus der Versandabteilung je etwas fehlerfrei hinbekommen? Er, der beharrlich Frankreich mit Frankfurt verwechselt und Ersatzteile für horrende Frachtgebühr nach Australien schickte.
Weil da ‚Austria‘ stand.
Ich hätte es selbst in die Hand nehmen müssen.
Die Planung, das Timing, die Durchführung, eben alles.

Ohne Zweifel wäre der Chef in dem Fall jetzt tot und läge nicht mit Knochenbrüchen und einer Stinkwut im Krankenhaus.
Ich meine, wir waren ja alle dafür. Uns war klar, dass er über kurz oder lang die Firma ruinieren wird. Und sein Sohn, der so geniale Ideen hat, darf nur die kleine Filiale leiten. Weil der Alte nicht aufgeben will. Nein, er klebt am Sessel wie ein korrupter Politiker, der nicht zurücktritt, egal, wie viele gefälschte Doktortitel oder Schmiergeldzahlungen ans Licht kommen.
Beschlossen haben wir es gemeinsam. Heinz aus dem Versand, Werkstattleiter Egon und meine Wenigkeit, der ich fürs Kaufmännische zuständig bin. Wir wollten lediglich den Erbfall eine Winzigkeit beschleunigen. Schließlich wäre dem Sohn nicht gedient, wenn seine Firma platt oder von der Konkurrenz geschluckt ist, sobald der Alte endlich die Radieschen von unten betrachtet. Ganz davon abgesehen, dass auch wir keine Lust verspürten, auf der Straße zu stehen. Die Jüngsten sind wir nicht mehr und bei allem Gejammer über Fachkräftemangel - wer weiß, ob wir noch was Gescheites fänden.

Als Heinz etwas von einer tollen Idee herumtönte, glaubten wir ihm und ließen ihn machen.
Oh törichte Entscheidung!
Hätten wir doch nur nachgeprüft, was er plante!

Seine »todsichere« Methode bestand darin, den Chef mit der Hiobsbotschaft ins Lager zu locken, es wären teure Steuerungssysteme abhandengekommen. Geizig und misstrauisch, wie der Senior ist, ließ er sich nicht zweimal bitten.
Heinz hatte vorher im Regal einige Schrauben gelöst und just, als der verhasste Alte sich vorbeugte, um sich selbst ein Bild zu machen, trat Heinz einen Schritt zurück und zog unauffällig an der lockeren Verstrebung.
Der Plan war, den Ahnungslosen zwischen herabfallenden Regalbrettern und Gerätschaften platt wie eine Bettwanze und somit zum Ex-Chef zu machen.
Vielleicht hätte das sogar funktioniert.
Wenn Heinz nicht immer so flüchtig gucken würde.
Statt unter die Kugeln für die Lager hatte er den Chef vors Fach mit den Kugelschreibern gelotst, die von der letzten Werbeaktion übrig waren. Die wogen natürlich nichts und nur das herabfallende Regalbrett zertrümmerte ihm einen Arm und ein Bein.
Ich sag ja, ich hätte den Alten selbst umbringen müssen.


©Susanne Ruitenberg
Version 2

Letzte Aktualisierung: 27.03.2013 - 17.30 Uhr
Dieser Text enthält 2779 Zeichen.


www.schreib-lust.de