Honigfalter
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Bewegung | Juli 2013
Die dringliche Botschaft
von Elmar Aweiawa

Johannes Riemann, der erfolgreiche Geschäftsmann und allseits gefürchtete Patriarch seiner Firmengruppe, ließ es sich nicht nehmen, persönlich an dieser eminent wichtigen Sitzung teilzunehmen. Alle anderen Termine sagte er umgehend ab und nahm die weite Anreise aus Deutschland gerne in Kauf. Immerhin ging es um Außenhandelsrestriktionen, die eine ruinöse Wettbewerbsverzerrung darstellten. Wenn es ihm gelang, die anderen Teilnehmer der Konferenz davon zu überzeugen, dass es in ihrem eigenen Interesse war, die Beschränkungen zu lockern, machte sich die Reise nach New York doppelt und dreifach bezahlt.

„Deshalb schlage ich vor“, beendete er seine Rede, „die Zölle auf Importe der angeführten Warengruppen zu halbieren. Davon werden in erster Linie die amerikanischen Märkte profitieren.“
Er hatte sein Bestes gegeben, mehr konnte er nicht tun. Selbstbewusst entfernte er sich vom Rednerpult und ging zurück zu seinem Platz im Plenum. Der verhaltene Applaus verunsicherte ihn nicht. Auf Applaus kam es nicht an. Seine Argumente mussten im Stillen wirken.
Gerade als er Platz nahm, näherte sich ihm ein Angestellter des Hotels.
„Herr Riemann, es ist eine Botschaft für sie eingetroffen. Sie liegt am Empfang bereit.“
„Danke, ich werde gleich kommen.“

Trotz dieser Aussage nahm sich Herr Riemann die Zeit, den nächsten Redner anzuhören. Wenn Thompson auf seine Linie einschwenkte, war der Erfolg der Mission so gut wie gesichert.
Als feststand, dass Thomson genau dies tat, wartete Herr Riemann das Ende der Ausführungen nicht ab. Es war an der Zeit, sich um die unerwartete Botschaft zu kümmern. Schnell trank er seinen Kaffee aus und eilte zum Empfang. Als er seinen Namen nannte, überreichte ihm die hübsche Angestellte einen Umschlag, auf dem lediglich sein Name stand. Er bedankte sich höflich und ließ seine Augen einige Augenblicke länger als nötig auf ihrer wohlproportionierten Gestalt ruhen. Durchaus einige Anstrengungen wert, wenn ich zehn Jahre jünger wäre und Zeit erübrigen könnte, ging es ihm durch den Kopf.
Eilig riss Herr Riemann den Umschlag auf und las den Zettel, auf dem nur wenige Worte standen.

Er hatte noch nicht ganz zu Ende gelesen, als eine erstaunliche Veränderung mit ihm vorging. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht und der Zettel in der Hand begann zu zittern.
„Bitte rufen Sie mir ein Taxi, ich muss unverzüglich weg“, instruierte er die junge Frau am Empfang und eilte mit großen Schritten auf sein Zimmer. Hektisch schmiss er die Kleider in den Koffer, ließ in der Eile sogar seinen iPod liegen.
„Ist das Taxi denn noch immer nicht gekommen?!“, beschwerte er sich an der Rezeption.
„Wenn sie es in einer halben Stunde schaffen, zahle ich Ihnen den dreifachen Fahrpreis“, spornte er den Taxifahrer zu äußerster Eile an. Die Fahrt zum JFK wurde zu einer Tempoorgie, bei der das Taxi fast zu Schaden kam. Nur dank der Umsicht eines Truckfahrers konnte ein gefährlicher Unfall vermieden werden. Schweiß stand auf seiner Stirn, als Herr Riemann den kalkweißen Taxifahrer entlohnte. Nicht einmal das Wechselgeld nahm er in Empfang, so eilig hatte er es.

Mit seiner natürlichen Autorität und einem größeren Geldbetrag gelang es ihm, noch ein Flugticket für den bereits abgefertigten Flieger nach Frankfurt zu ergattern. Kaum hatte er seinen Platz eingenommen, rollte das Flugzeug zur Startposition, und so befand sich Herr Riemann bereits wenige Minuten nach seinem Eintreffen auf dem Flughafen in der Luft.

Die lange Flugzeit stellte seine Geduld auf eine harte Probe.
„Warum habe ich mir nie einen Privatjet zugelegt? Das wäre sinnvoller gewesen als dieses blöde Hochhaus in Singapur“, ging es ihm durch den Kopf. An Schlaf war nicht zu denken, zu sehr beschäftigte ihn die Nachricht, die ihn so plötzlich hatte aufbrechen lassen. Auch wenn er keinen Absender ausfindig gemacht hatte, die außerordentliche Dringlichkeit war evident. So saß er auf glühenden Kohlen und stürmte zum Ausgang, noch ehe die Anschnallzeichen erloschen waren.
Den Gang zur Gepäckausgabe sparte er sich, und so stürmte er als Erster durch die Passkontrolle und auf den Ausgang des Flughafens zu.

Direkt vor dem Eingang wartete bereits der telefonisch angeforderte Fahrer seiner Firmengruppe auf ihn.
„Thomas, hol alles aus dem Benz, was in ihm steckt. Noch nie in meinem Leben hatte ich es eiliger. Hier sind tausend Euro. Sie gehören dir, wenn du keine Ampel und keine Geschwindigkeitsbegrenzung kennst.“
„Okay Chef, wo geht’s denn hin?“
„Nach Wiesbaden. Ich werde dich dort dirigieren. Und jetzt gib Gas!“

Die innere Aufregung seines Fahrgastes übertrug sich auf Thomas und er fuhr, als sei der Leibhaftige hinter ihm her.
„Gut so, Thomas, du hast es drauf“, lobte Herr Riemann ihn für seine riskanten Überholmanöver. Mehr als die versprochene Belohnung trieb den Fahrer die unglaublich präsente Eiligkeit vorwärts, die seinen Chef einhüllte. Die Wichtigkeit dieser Mission war so eklatant, dass eine weniger gefährliche Fahrweise sich von selbst ausschloss. Zudem war Thomas ein selbstsicherer Fahrer, dem es Spaß machte, ans Limit zu gehen und sein fahrerisches Können unter Beweis zu stellen.

„Dort vorne geht es links ab, dann etwa einen Kilometer geradeaus“, dirigierte Herr Riemann den Fahrer, als sie die Stadtgrenze von Wiesbaden erreichten. Hier hatte Herr Riemann seine Kindheit verbracht, war durch die Stadt gestromert und kannte jeden Winkel. Je tiefer sie in Wiesbaden eindrangen, desto mehr wunderte sich Thomas über die Anweisungen. Sie näherten sich einem Randbezirk, in dem es ganz sicher keine geschäftlichen Besprechungen für einen Firmenchef von Herrn Riemanns Kaliber gab. Doch selbstverständlich stellte er keine Fragen, sondern brachte Herrn Riemann nach dessen Anweisungen zum Nordtor des Stadtparks.

Ohne zu warten, bis die Räder zum Stillstand gekommen waren, öffnete Herr Riemann die Autotür.
„Warte hier“, befahl er Thomas und stürzte los in Richtung Parkeingang. Der Zweitausend-Euro-Mantel, den er über dem Arm trug, rutschte herunter und landete im Schmutz der Straße. Ohne dieses Missgeschick im Geringsten zu beachten, hastete er weiter, und als er den Augen seines Bediensteten entschwunden war, rannte er los, wie er es seit fünfzig Jahren nicht mehr getan hatte. Wie von Furien gehetzt näherte er sich der in der Nachricht bezeichneten Ecke des Parks, und als ihn nur noch eine Baumgruppe von der anvisierten Bank trennte, wurde er endlich ruhiger und bremste seinen Schritt so ab, dass er wieder zu Atem kommen konnte.

Als er die Bäume umrundet hatte, sah er, dass sein Rendezvous bereits auf der Bank saß und ihn erwartete. Der dunkle Umhang irritierte ihn, vor allem, weil er nicht erkennen konnte, wer sich darunter verbarg. War es ein Mann? Oder eine Frau?
Erst als er unmittelbar vor der Bank stand, erkannte er, was auf dem freien Platz neben der schwarzen, hageren Gestalt lag. Was um alles in der Welt hatte eine Sense hier verloren?


© aweiawa, 2013
Version 2

Letzte Aktualisierung: 27.07.2013 - 18.43 Uhr
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