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Bewegung | Juli 2013
Der Untergang der Empire
von Klaus Freise

Die Sonne schien jeden Lufthauch über der H.M.S. Empire zu verbrennen, der Pazifik spiegelte die Hitze. Das Pech schmolz zwischen den Spannten. Über vierzig Grad unter Deck und dreißig auf dem Vorschiff ließen einen fauligen, von Pech und Tod bestimmten Gestank aufsteigen, der jeden Atemzug zur Qual machte.
Über einen Teil des Achterdecks war Segeltuch gespannt. Darunter saß auf einem grünen, mit Samt bezogenen Stuhl eine Gestalt, deren Tatkraft und Energie mit jedem Schweißtropfen, der von dem kahlen Schädel perlte, dahinschmolz.
Der Dreispitz lag neben einer Flasche Portwein und einigen Briefen. Captain Fleedwood öffnete langsam die Augenlider, als er das Geräusch von Schritten hörte.
"Ah, der junge Master Plankett. Sehr schön, kommen Sie. Nur keine Scheu."
Tobey Plankett stellte das kleine Pulverfass neben dem Stuhl ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
"Sir, Captain. Ich bitte Sie, wollen Sie nicht mitkommen? Es ist doch noch Platz, Sir. Wir könnten die Inseln erreichen."
Der flehende Blick des Sechzehnjährigen überflog die Szene. Vor ihm saß ein Mann in weißem Leinenhemd, bis zum Bauch aufgeknöpft. Die Augen tief in den Höhlen versunken, die Wangen eingefallen, die Haut von der Sonne gegerbt.
Dieser Mann hatte Plankett, fast zwei Jahre am Leben erhalten und war jetzt nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Rüschen an seinen Ärmelenden raschelten, als Captain Fleedwood den Jungen heranwinkte. Seine fiebrig glänzenden Augen wanderten über das Schiff. Als Tobey neben ihm stand, ergriff er dessen Handgelenk und zog ihn an sich.
"Siehst du das mein Junge?", flüsterte der Captain. Schwer atmend entzündete er den Rest einer Zigarre in seinem Mundwinkel. Tobey beugte sich weiter herab, um den Captain besser verstehen zu können, wobei er Pulverspur und brennende Zigarre immer im Auge behielt.
„Sie lebt nicht mehr“, fuhr Fleetwood fort.
„Sir?“
„Die Empire, sie stirbt. Kein Blut strömt mehr durch ihre Taue und Seile. Kein Muskel bewegt die Blöcke und Rollen. Kein Atem bläht die Großsegel und Fock.“ Seine knöcherne Hand umklammerte Tobeys Handgelenk wie ein Schraubstock, als er kaum hörbar flüsterte:
„Ich sterbe mit ihr.“
Schweißgebadet tastete er nach den Briefen am Boden.
„Hier mein Junge, Eure Ernennung zum Offizier.“ Die Rüschen raschelten erneut und dieses Mal umspielte ein leichtes Lächeln seine Mundwinkel.
„Aber Sir, ich … “, mit zitternden Händen ergriff Tobey die Papiere. Ein Schreiben mit dem Siegel der Admiralität fiel ihm ins Auge. Er faltete es auseinander und las Worte, die ihm die Tränen in die Augen trieben. „ … mit sofortiger Wirkung des Kommandos enthoben.“ Der Brief war vor sechs Monaten datiert worden.
Captain Fleetwood sah an ihm vorbei in die Ferne.
„Ja, mein Junge, versagt. Ich habe versagt. Keine Prise aufgebracht, keine Kugel abgefeuert. Die Mannschaft in Stürmen und an Fieber verloren, ihre Leichen den Haien vorgeworfen.“
Speichel und Schweißtropfen flogen von seinen Lippen, als er rief:
„Ich bin es nicht wert dieses Schiff zu führen. Ich habe die Männer in den Beibooten zu Tode rudern lassen, um aus dieser gottverdammten Flaute zu kommen. Wie viele sind denn noch übrig nach zwölf Tagen mit einem Becher Wasser pro Mann und einer Handvoll verfaulter Äpfel, nun wie viele?“
Erschrocken wich Tobey ein paar Schritte zurück und stammelte:
„Nur Dr. Defoe, Kent, Forester, O`Brian und Melville.“
Erschöpft sank Fleedwood zurück und schloss die Augen.
„Nehmt das Logbuch, die Papiere und da ist noch ein Brief, dieser hier.“ Er zog einen Umschlag aus seinem Hemd und warf ihn Tobey kraftlos vor die Füße. Asche von der Zigarre fiel neben die Pulverlunte.
„Hier, wickelt alles in das Wachstuch ein und bringt ihn meiner Frau in Bocastle, wenn Ihr Plymouth lebend erreicht. Werdet Ihr das für Euren Captain tun?“ Mit diesen Worten wedelte er mit der Hand. Rüschen raschelten ein letztes Mal.
Die Zigarre glitt aus seinen Fingern.
Tobey riss die Augen auf. Drückte das Paket an sich und so schnell seine Beine ihn noch trugen, stürmte er zur Reling, stürzte sich kopfüber in die flache See. Noch während er sich über die Bordwand des Beiboots zerrte, prustete er:
„Fort, nur fort von hier. Rudert um euer Leben.“
So schnell ihre geschwächten Körper es zuließen, rissen die Männer an den Rudern.
Vom Achterdeck der Empire stieg eine Rauchfahne auf, die sich auf die Stufen des Niederganges zubewegte. Das Beiboot war kaum eine viertel Meile entfernt, als eine gewaltige Explosion das Heck der Empire zerriss. Das Achterdeck war eingehüllt in eine Wolke aus Holzsplittern und Feuer.
Der Großmast zerplatzte. Unter Krachen und Zischen fingen die Segel des durchgetrockneten Schiffes Feuer. Seile und Taue, Blöcke und Spriegel zersplitterten. Mit einem langanhaltenden Knirschen neigten sich die anderen Masten auf das Vorschiff und wurden von den Flammen verschlungen. Brennende Trümmer prasselten auf die spiegelglatte Wasserfläche.
Die Männer hatten das Rudern eingestellt. Tobey stand mit Tränen in den Augen auf und hielt seine zerfetzte Mütze an die Brust gedrückt, während er seufzte: „Oh Captain, mein Captain.“
Das Bugspriet mit dem goldenen Löwenkopf versank als letztes gurgelnd, während sich dampfende Wellen kreisförmig ausbreiteten.
Dr. Tippet zog das kleine Segel empor. Der verdampfende Feuerball brachte eine kleine Brise, als nur noch ein paar Kisten und Planken an die Empire erinnerten. Die anderen spannten eine Plane über das Bootsdeck. Tobey saß auf einer kleinen Kiste am Ruder. Nach zwei Tagen erreichten sie fast verdurstet die Solomon Inseln.
Tobey Plankett überbrachte den letzten Brief seines Captains an Mrs. Fleedwood. Den anderen behielt er bis zu seinem Lebensende unter Verschluss.

Letzte Aktualisierung: 17.07.2013 - 13.54 Uhr
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