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Bewegung | Juli 2013

Still geboren
von Dagmar Hospes

Heute habe ich an dich gedacht, warum? Eine tiefe Trauer hat mich plötzlich ergriffen.
So tauchst nun du meine kleine Katy in meinen Gedanken auf, du und all die still geborenen Kinderseelen die nicht bei uns geblieben sind. Sie haben ein großes Sternengrab.
Meine Gedanken sind ganz plötzlich bei dir und deinem sterben. Katy du wurdest gezeugt, man hat dich gefühlt, um dich geweint. Was ist dann geschehen, ein großes Unglück? Du solltest nicht leben und was haben wir getan, wir haben über dein Schicksal entschieden.
Ja das tun wir, weil wir die Macht haben, etwas zu beenden was nicht gut sein kann, ein Leben mit Krankheit. Viele Seelen sind dann traurig von uns gegangen, obwohl sie vielleicht doch besser bei uns geblieben wären.
Nun stehen deine Eltern vor einen großen Scherbenhaufen. Du warst eine Totgeburt.
Vielleicht hättest du gelacht, wärst glücklich gewesen, aber wir haben entschieden, dass du nicht glücklich sein kannst, nur deshalb durftest du nicht leben.
Wir wussten, dass du nie laufen und springen kannst, diese Bewegung solltest du nie spüren, aber du solltest unsere Herzen bewegen. Deine Eltern aber haben deine Bewegungen schon gespürt und dich mit ihren Händen ertastet und gefühlt. Jeden kleinen Stoß, jeden Purzelbaum, jeden Schluckauf, hat deine Mutter war genommen und es war ihre Freude.
Katy wir haben um dich geweint. Du wurdest geboren, aber du warst schon tot, bevor wir dich überhaupt sahen. Schmerzen musste deine Mutter trotzdem ertragen, dein Vater hat viele Tränen zusammen mit ihr vergossen. Vergesst nicht die Väter, denn auch sie haben etwas verloren.
Und ich war in der Ferne bei deiner Geburt und gleichzeitig in deinem Tod dabei. Deine kleine Seele, ich habe heute an sie gedacht, intensiv und ich weiß nicht warum. Ich sollte ein Gebet sprechen, aber ich kann nur an dich denken. An alle still geborene Kinderseelen.
Hast du dort oben wenigstens einen Engel, wenn du hier schon so alleine in den Tod gehen musstest? Einen Trost habe ich, deine Eltern haben dich noch im Arm gehalten als du zu uns kamst.
Sie haben dir einen Namen, ein Grab und einen Stein gegeben. Ein großer Trost, das Einzige was wir von dir haben.
Warum beschäftigst du mich? Weil ich mit deinem Vater geweint habe und die Zeit der Trauer um dich manchmal noch so präsent ist? Dein Leben hat fünf Monate gedauert.
Und das war in einem schönen geschützten Raum. Du bist geschwommen in der Wärme deiner Mutter.
Allein dieser Gedanke ist der Schönste den es an dich gibt, es ist der einzige Trost, dass es dir wenigstens dort gut ging. Als dich die Kälte erwartet hat, da hast du nicht mehr gelebt, dafür bin ich aber auch doch irgendwie dankbar. Du brauchtest nicht den Kampf des Lebens führen, den du vielleicht gehabt hättest, wenn du zu uns gekommen wärst, aber dein Lachen werden wir auch nicht hören.
Wir vermissen dich und die Vorwürfe bleiben. Die Frage was wäre besser gewesen? Bleiben oder gehen, dass ist immer wieder die Frage die sich uns allen stellt. Andere haben für dich entschieden. Lasst uns aber das werdende Leben bewahren, denn es ist ein Geschenk.
Ob es gut war wissen wir nicht so genau, es ist nur ein einziges gutes Gefühl geblieben.
Katy wo du heute bist, da geht es dir gut. Wir aber vermissen dich immer, so wie alle Eltern ihre in Stille geborenen Kinderseelen vermissen.

Version 2

Letzte Aktualisierung: 19.07.2013 - 08.36 Uhr
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