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Feuer und Flamme | August 2013
Honig für Oshun
von Birgit Haase

„Wie sagte der Anführer der Stepford´schen Männer? Ihr seid doch bloß sauer, weil wir zuerst darauf gekommen sind!“, kommentiert Adriana den gerade mit ihren Freundinnen gesehenen Film, in dem Männer ihre Frauen zu willenlosen Puppen umfunktionieren. „Was, wenn wir wirklich zuerst darauf gekommen wären? Wie würdet ihr euren Mann programmieren?“

„Vielleicht so, dass er ihm übertragene Pflichten in einem planbaren Zeitrahmen erfüllt und nicht, wenn ich sie irgendwann entnervt selbst erledige, beleidigt anmerkt, dass ER das doch habe übernehmen wollen?“, überlegt Ana, womit sie schallendes Gelächter erntet.

„Das kenne ich“, wirft Eva, die Dritte im Bunde, ein. „Aber viel wichtiger wäre mir ein Mann, mit dem ich endlich mal wieder guten Sex haben könnte.“

„Hört, hört“, ruft Adriana, während sie genüsslich an ihrem Cocktail nippt. „Ein ähnlicher Gedanke ist mir auch schon durch den Kopf geschossen. Erstklassiger Sex, aber ohne notwenigerweise fremdgehen zu müssen, sondern mit dem eigenen Herzallerliebsten.“

„Doch wie stellt man es an, den eigenen Mann aus dem Alltagstrott einer langjährigen Beziehung herauszuholen, wo das Höchste der Gefühle ein Quickie vor dem Frühstück ist?“, fragt Eva.

„Das Einfachste wäre vermutlich ein offenes Gespräch, findet ihr nicht?“ Ana schaut fragend in die Runde.

„Um Himmels Willen“, ruft Adriana aus und verdreht die Augen. „Wenn ich es wagte, Rafael auch nur anzudeuten, dass der Sex mit ihm etwas Aufmunterung vertragen könnte, würde sein Ego irreparablen Schaden davon tragen.“

„Wie wäre es mit ein wenig übernatürlicher Hilfestellung?“, wendet sich Ana an ihre Freundinnen.

„Was meinst du damit?“, fragen diese wie aus einem Munde.

Ana beginnt, ihre spontane Idee zu erklären, und während Eva Bedenken hegt, ist Adriana Feuer und Flamme, so dass die Frauen beschließen, dass sie die Probe aufs Exempel machen soll.

*
Yolanda sitzt auf einem Schemel, der allen physikalischen Gesetzen trotzt und unter ihrem Gewicht noch nicht zusammengebrochen ist. Sie stützt sich mit den Ellenbogen auf ihren massigen Schenkeln ab, hält den Kopf nachdenklich zwischen ihren Händen und bläst den Rauch ihres Zigarrenstummels, den sie in einen Mundwinkel geklemmt hat, durch den anderen Mundwinkel in den halbdunklen Raum. Hinter der Iyalocha, der Hohepriesterin, deren tiefschwarze Hautfarbe einen starken Kontrast zu ihrer schneeweißen Kleidung bildet, befindet sich ein Altar. Auf ihm sind Gefäße angeordnet, die mit verschiedenenfarbigen Tüchern dekoriert und mit Insignien der unterschiedlichsten Art umgeben sind.

Yolanda deutet auf eine Kupferschale, die mit Pfauenfedern geschmückt und mit Kupfermünzen gefüllt ist. Den Deckel der Schale bildet eine fünfzackige, goldene Krone, die mit einem goldfarbenen Tuch drapiert ist.

„Das ist Oshun, die Göttin, die unter anderem für die Liebe zuständig ist“, erklärt sie den drei Frauen, die im Schneidersitz vor ihr sitzen und ihr mit großen Augen zuhören.

„Oshun kann sich, der Legende zufolge, aufgrund ihrer atemberaubenden Schönheit vor Verehrern nicht retten. Ihre Mutter verspricht sie demjenigen Verehrer, der ihren Namen erraten kann, der aber ist so geheim, dass nicht einmal Orunmila, der Gott des Orakels und der Weisheit, ihn in Erfahrung bringen kann. Dank einer List erfährt Elegua, der Botschafter der Orishas, und über ihn Orunmila Oshuns Namen, woraufhin letzterer sie heiraten darf. Oshun aber verliebt sich bald darauf in Changó, den Gott des Donners und der Blitze, aber auch der Männlichkeit. Für ihn verlässt sie Orunmila“, berichtet Yolanda und fragt die drei Freundinnen etwas schulmeisterhaft: „Warum erzähle ich euch das?“

„Weil Oshun diejenige ist, deren Aufmerksamkeit ich mit Opfergaben auf mich zu lenken versuchen muss?“, fragt Adriana.

„Ja, auch das“, nickt Yolanda bedächtig. „Aber viel wichtiger ist zu bedenken, dass weder die Liebe noch die Göttin berechenbar oder gar bestechlich sind. Sie sind eigenwillig, kapriziös und wankelmütig, sie lassen sich nicht überlisten, und wer sich einmal mit ihnen einlässt, ist ihnen ausgeliefert. Überlege dir also gut, ob du Oshun huldigen und ihre Hilfe erbitten willst.“

„Ich bin bereit und will mich auf das Abenteuer einlassen“, antwortet Adriana.

Yolanda greift daraufhin nach einer Holzschale, wirft die darin befindlichen Muscheln auf die vor ihr liegende Bastmatte und vertieft sich in das entstandene Muster. Nach einigen Momenten tiefer Meditation klärt sich ihr Blick langsam.

„Ich weiß nun, welcher Weg zu gehen ist. Aber ich werde mich mit dem Babalao, meinem Kollegen, beraten müssen. Es sind einige kostspielige Vorbereitungen zu treffen, weshalb eine großzügige Spende der Sache bestimmt dienlich sein wird“, bemerkt Yolanda beiläufig, woraufhin Adriana ein Schmunzeln nur mühsam unterdrücken kann und ihre Geldbörse zückt.
*

„Glaubt Ihr wirklich an diesen Hokuspokus?“, fragt Eva mit skeptischem Blick auf die Zutaten, die auf Adrianas Küchentisch ausgebreitet sind.

„Es ist es zumindest wert, ausprobiert zu werden“, behauptet Adriana, während Ana damit beginnt, die Instruktionen von dem Zettel abzulesen, den Yolanda ihnen gestern zugesteckt hat.

„Schreib den Namen Deines Liebsten auf ein Papier, falte es und durchbohre es mit 5 Stecknadeln.“

„Erinnert ihr euch an die Hexen von Eastwick, die Jack Nicholson mit einem Voodoo-Püppchen um die Ecke bringen, in das sie Stecknadeln bohren?“ besteht Eva auf ihren Bedenken.

„Wenn du schon nicht hilfst, dann sei wenigstens still“, knurrt Ana entnervt und liest weiter die Anweisungen vor, wie Adriana mit den Ingredienzien zu verfahren hat.

„Lege das Papier auf den Boden einer großen Kaffeetasse, bedecke es mit Honig, braunem Zucker und Kandis. Den Rest der Tasse fülle mit Speiseöl auf und hänge 5 Baumwolldochte hinein. Zünde die Dochte an und lasse die Mischung über 5 Tage hinweg brennen.“

„Fertig!“ Adriana betrachtet aufgeregt ihr Werk und entzündet ein Streichholz, das sie an die Dochte hält, um das Zauberwerk in Gang zu setzen. „Nun gibt es kein Zurück mehr.“

„Der vorletzte Teil der Anweisungen gefällt mir am besten“, schmunzelt Ana und beginnt erneut vorzulesen. „In der fünften Nacht nähere Dich Deinem schlafenden Liebsten und sprich fünfmal die folgenden Worte: Yeiyé kari imbamoro ofi kereme ogwá meri kokuasi agó. Was würde ich darum geben zu wissen, was diese Worte bedeuten“, lacht sie.

„Das werden wir vielleicht herausfinden“, entgegnet Adriana und bringt Eva mit einem eindringlichen Blick zum Schweigen, als diese erneut zu einem Protest ansetzt.
*
Vorsichtig tastet sich Adriana durch das dunkle Schlafzimmer, in dem gleichmäßige Atemzüge darauf hindeuten, dass Rafael tief und fest schläft. Zärtliches Verlangen liegt in Adrianas Stimme, als sie beginnt, die Zauberformel fünfmal zu sprechen.

*
Unbekleidet steigt Adriana aus dem Meer und schüttelt sich die Wassertropfen von Haut und Haar. Im sanften Lichtkegel des Vollmondes hat sie ein rituelles Bad genommen und steht nun kurz vor Vollendung aller Anweisungen, die zur Erfüllung ihres Wunsches auszuführen waren. Suchend schaut sie sich nach ihrer Tunika um, die sie zum Baden abgestreift hatte. Vergeblich; es ist nichts zu finden, womit sie ihre Blöße bedecken könnte. Stattdessen entdeckt sie einige Fußspuren, die sich vom Strand entfernen, und als ihr Blick diesen folgt, sieht sie in einiger Entfernung ein flackerndes Licht, das durch den Dünenbewuchs hindurchscheint. Auch hört sie von Ferne Trommelrhythmen, die an diesem einsamen Strand eine gespenstische Wirkung haben und Adriana unaufhaltsam in ihren Bann ziehen.

Um nicht in ihrer Nacktheit entdeckt zu werden, schleicht sie sich vorsichtig näher an die Licht- und Geräuschquelle heran und verbirgt sich, als sie die Szenerie nun klarer vor sich hat, hinter einem Ginsterstrauch.

Zwei Dutzend Meter vor ihr brennt ein Feuer, dessen Flammen in die Höhe lodern und die Luft vor Hitze flirren lassen. Wie eine Fata Morgana nimmt sich die Männergestalt aus, die hinter diesem Feuer hockt und zwei Bongotrommeln in einem immer frenetischeren Rhythmus schlägt. Der kräftig gebaute, nackte Oberkörper sowie das Gesicht sind mit roter und weißer Farbe bemalt.

Adriana traut ihren Sinnen kaum. Ist es wirklich Changó, der Gott der Männlichkeit, der dort leibhaftig nur wenige Meter vor ihr ein Ritual vollzieht und in ihr ein unbeschreibliches körperliches Verlangen entfacht, gegen das sie sich vergeblich zu wehren versucht?

Mit einem letzten wilden Schlag endet das Getrommel und macht einer beängstigenden Stille Platz, die kurz darauf von einem lauten Knistern unterbrochen wird, als Adrianas Tunika, die sie im Feuerschein wiedererkennt, in die Glut geworfen wird, wo einige Synthetikfasern kleine Explosionen entfachen. Deutlich kann sie die rezitierten Worte hören: „Yeiyé kari imbamoro ofi kereme ogwá meri kokuasi agó.“

Adriana stockt der Atem, als sie die Worte vernimmt und Changó auf sich zukommen sieht. Fast ist sie versucht, sich hinter ihrem Strauch noch kleiner zu machen, in der Hoffnung, er möge sie nicht finden. Aber ihre Lust und Leidenschaft sind spätestens seit der Zauberformel übermächtig. Als er sich ihr unaufhaltsam nähert, bemerkt sie, dass er, abgesehen von der Bemalung, ähnlich unbekleidet ist, wie sie selbst, was sich deutlich durch sein hoch aufgerecktes Geschlecht bemerkbar macht. Sie löst sich aus ihrem Versteck und schreitet ihm, wie magisch angezogen, entgegen, um die unvermeidliche Vereinigung mit ihm zu vollziehen.

Gerade noch schießt ihr durch den Kopf, dass sie die Warnung der Hohepriesterin vor der Unberechenbarkeit Oshuns vielleicht nicht so bedenkenlos hätte in den Wind schlagen sollen, als sie willenlos in Changós Arme sinkt. Nicht jedoch, ohne zuvor noch mit unendlicher Erleichterung zu bemerken, dass dessen Hand ein ihr nicht unbekannter Ehering schmückt.
*
Nicht weit entfernt in einer Bar stoßen Yolanda und der Babalao mit breitem Grinsen auf den Erfolg einer lukrativen Geschäftsverbindung an.

V.2

Letzte Aktualisierung: 20.08.2013 - 21.47 Uhr
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