Mainhattan Moments
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Susanne Ruitenberg und Julia Breitenöder haben Geschichten geschrieben, die alle etwas mit Frankfurt zu tun haben.
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Auferstehung | September 2013
Titelfrage
von Barbara Laimer

„Ja, von mir aus, auch gut. Dann eben Auferstehung. Ist ein super Titel.“ Ich telefonierte mal wieder mit Holger, meinem Verlagslektor. Die Katze umschnurrte meine Beine, rund um Katze und Beine wickelte sich das Telefonkabel, denn ich verweigere Schnurlostelefone. Zumindest so viel bin ich dem Anrufer schuldig, dass ich die Wege des Gespräches nachvollziehen kann anhand der Verwicklungen des 10-Meter-Kabels durch die vollgeräumte Wohnung. Ich bückte mich, in einer Hand den Telefonapparat haltend, den Hörer unters Kinn geklemmt, um mit der freien Hand das derzeitige Lieblingsspielzeug der Katze aus dem Kabel zu lösen, und fing mir prompt einen Hieb ein.

„Mistvieh!“, brüllte ich und leckte an meinem blutigen Handrücken. „Nein, ich meine nicht dich, Holger, nur das verdammte Katzenvieh.“ Über den Apparat hinweg warf ich dem aus dem Zimmer stolzierenden Tier einen bösen Blick zu. Ich setzte mich zum Schreibtisch und suchte unter den Papierstößen zwei mit gleicher Höhe, sodass ich das Telefon gerade darauf abstellen könnte.

„Wo wir gerade dabei sind“, unterbrach ich Holgers Ausführungen zu meiner unausgereiften Handlungslinie, „ich hätte da eine Bekannte, die wirklich hübsche, also grafisch meine ich, ansprechende… Was? Ich weiß, dass du verheiratet bist, ich rede von Illustrationen.“ Da ich eine ebene Fläche für das Telefon ausfindig gemacht hatte, konnte ich mir nun eine Zigarette anzünden. Ich rauche nicht besonders viel, nur zu den Gelegenheiten, wo es ratsam erscheint, die innere Mitte zu halten und, selbst wenn sie an einer Nahtstelle brüchig werden sollte, dies durch den Dunst zu kaschieren. Es ist schön zu wissen, dass ich keine Schwierigkeiten damit habe, den Rauch einzuatmen und alle Lungenbläschen und Blutgefäße mit diesem Tun im Einklang sind.

„Wieso teuer? Ein paar kleine Schwarzweißzeichnungen mit den verlassenen Holzkreuzen wären doch schön. Vielleicht bei einem Bildstock oder vor einer Kirche. Wo sich die Leser eben gleich denken, da sollte doch normalerweise einer drauf hängen.“ Der warme Rauch erfüllte mich innen und außen und da ich vereinbarungsgemäß bei offenem Fenster rauchte, zog er ins Zimmer und legte sich wie ein Nebel über den Weg, den das Telefonkabel bereits zurückgelegt hatte. Von der Katze keine Spur.

„Das verstehe ich nicht. Wie kann es religiöse Gefühle verletzen, wenn er sich doch nur an die Regeln hält? Er soll von den Toten auferstehen, also kann er auch vom Kreuz steigen, oder nicht?“ Ich sah aus dem Fenster und konzentrierte mich auf das Grün der Birke. „Schau, Holger. Es sind Holz-Kreuze mit einer Holz-Leiche, Leichnam, von mir aus. Das Holz war auch einmal ein Baum! Alles ist beseelt.“

Die Katze hatte den Weg hinaus gefunden und spazierte vor meinem Fenster durchs Gras. „Nein, ich bin nicht Buddhist geworden. Darum geht es doch gar nicht!“ Die weiß-schwarz gestreifte Rinde der Birke anstarrend, ließ ich den Rauch aus meinem Mund ausströmen und wünschte, ich wäre Buddhist. In diesem Zen-Moment wusste ich, dass das Thema erledigt war. Holger würde die Geschichte nicht kaufen, ob mit Illustrationen oder ohne. Ich griff zu der weißen Porzellantasse mit kaltem schwarzen Kaffee, denn ich trinke ihn schwarz, um einen besseren Kontrast zum Weiß der Tasse zu haben und mich daran zu erinnern, dass ich die Küche mit kleinen quadratischen weißen und schwarzen Kacheln auslegen wollte, wenn ich denn einmal dazu käme.

„Holger“, sagte ich da, ganz ohne nachzudenken, in mir so geordnet gekachelt und um mich die Hülle aus Rauch, „er könnte Ringe pressen lassen, der Protagonist, du weißt schon, der die Holzleichen, Leichname, ja, gestohlen hat und aus der Asche diese Diamantringe… Warum sollte das makaber sein? Die Leute machen das mit echten… Entschuldige, ich wusste nicht, dass du isst.“

Die Katze riss bei dem Versuch, die Birke zu erklimmen, Stücke der gestreiften Rinde ab. Dann hing sie jämmerlich auf halber Höhe und konnte nicht mehr weiter. „Inge!“ rief ich durchs Fenster hinaus in der Hoffnung, meine Frau könne mich hören, doch es kam keine Antwort. Die Katze hing jetzt an dem Baum, alle Viere von sich gestreckt, im Holz verhakt. „Holger“, sagte ich in den Hörer, die Zigarette ausdämpfend, „ich muss aufhören und die Katze vom Baum holen.“ Ich stand auf und sprach vorgebeugt weiter. „Wir könnten doch mal wieder zu viert zu Abend essen.“

Ich wollte schon auflegen, da hörte ich ihn undeutlich noch etwas sagen. „Was? Ach so, Wiedergeburt, ja das geht auch. Du meinst wegen der Diamantringe, also doch die Ringe, na eben, wusste ich doch, dass dir das gefällt. Also bis dann. Ciao, Holger!“ Ein Sonnenstrahl fiel auf das Halsband der Katze. Die Strass-Steinchen funkelten. Lächelnd ging ich hinaus in den Garten.


© Barbara Laimer, September 2013, V2

Letzte Aktualisierung: 17.09.2013 - 20.00 Uhr
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