Liebesgeschichten ohne Kitsch? Geht das? Ja - und wie. Lesen Sie unsere Geschichten- Sammlung "Honigfalter", das meistverkaufte Buch im Schreiblust-Verlag.
âVergiss es! Diese Frau ist eine Nummer zu groĂ fĂŒr dich!â Herbert genehmigte sich einen groĂen Schluck Bier.
Wolfgang hob sein Rotweinglas an und drehte es vor seinen Augen hin und her.
âSeit wann trinkst du ĂŒberhaupt Wein?â, fragte sein Freund und kippte einen Schnaps hinunter. âZur Verdauung. Die Scheinshaxe war etwas zu fettigâ, erklĂ€rte er.
âAber wenigstens vom Bioschweinâ, sĂ€uselte Wolfgang. âBiologisch natĂŒrlich wie die attraktive Köchin.â
Er stierte zum Tresen, wo das Objekt seiner Begierde gerade ein Glas Wasser trank. Gut stand ihr das weinrote Koch-Outfit zu den strohblonden langen Haaren. âDie Frau hat Klasse, das musst du zugeben.â Wolfgang nippte am Wein.
âHm, fĂŒr âne Frau so um die FĂŒnfundfĂŒnfzig nicht ĂŒbel.â Herbert bestellte sich einen zweiten KrĂ€uterschnaps. âAuf einem Bein kannste schlecht stehen.â Ihre Oberweite schĂ€tzte er auf ein D-Körbchen. Sah alles noch knackig aus.
âIch wetteâ, sinnierte Wolfgang, âdie Frau kann man nur mit einem erstklassigem Rotwein und einem kultivierten GesprĂ€ch beeindrucken.â
âOder Schampus?â, schlug der Freund vor.
âNeee.â
âWie? Nee?â
âRotwein, ân frisches Baguette und eine geschmackvolle KĂ€seplatte. Dazu Weintrauben.â
âIst das nicht ân bisschen zu einfach fĂŒr eine Frau vom Fach?â
âMensch! Ăberleg doch mal genau! Die Lady kocht den lieben langen Tag Bio am heiĂen Herd! So eine Frau sehnt sich nach UrsprĂŒnglichem und UnverfĂ€lschtem, wenn sie Feierabend hat.â
âAber sie steht bestimmt nicht auf ân mittelmĂ€Ăigen Rentner.â
Wolfgang knuffte seinen Freund in die Seite und zeigte auf seinen HosenreiĂverschluss. âIch und MittelmaĂ? Von wegen!â Er zwinkerte ihm zu. âBist ja nur neidisch auf meine heimliche Flamme.â
âNee, bin ich nicht. Hab keine Lust mehr zum SĂŒĂholzraspeln und mich verbiegen mĂŒssen. Das ist mir zu anstrengend.â
Wolfgang nippte abermals am Weinglas. âEin Tinto aus Spanien. Halbtrocken mit beerigem Abgang und leicht pelzigem Gaumen.â Er stellte das Glas auf den Tisch. âHat einen Hauch von Heidelbeermarmelade. Schau dir die Farbe an! Schwarzrot!â
âHast wohl einen Kurs bei einem Weinkenner absolviert, um der Holden zu imponieren?â
âSomelier.â
âSo-me-lier? Spanisches Weinanbaugebiet? So weit ich informiert bin, haste dir seit Jahren keinen Urlaub mehr leisten können von deiner mickrigen Rente.â
âSomelier nennt man einen Weinfachmann. Da war kĂŒrzlich eine Sendung im Fernsehen, dort haben sie Weine getestet. Und da habe ich mir ein bisschen was gemerkt.â
âUnd das alles wegen der blondierten Köchin?â
Nun goss Wolfgang den Rest Rotwein in einem Schluck hinunter. âHelene, Gott habe sie selig, war auch eine gute Köchin.â
âSuchste âne HaushĂ€lterin?â
Er schluckte. âWas fĂŒrs Herz soll es sein. Jede Frau sehnt sich nach menschlicher WĂ€rme. Ich muss sie halt mit einem niveauvollen tiefgehenden GesprĂ€ch ĂŒberzeugen.â
âWolfgang!â Herbert stupste seinen Freund an die Stirn. âDieser Frau kannste nicht mit HerzenswĂ€rme, sondern mit akademischen Graden auch auf dem Konto importieren! Und du mĂŒsstest zum Dichter und Denker werden. Wie diese Feingeister frĂŒher.â
âHast du âne Ahnung, wie romantisch ich sein kann! AuĂerdem waren die meisten Dichter arme Gesellen.â
âMir egal. Dieser Frau gehört der Schuppen hier. Die sucht keinen armseligen Rentner, der sein weinseliges Halbwissen bei Radio-Emscher-Lippe gegoogelt hat.â
âMan googelt im Net und nicht im Fernseher.â
âMir auch egal. Ich will nur nicht, dass du enttĂ€uscht wirst. Aus einem abgewrackten Gaul kannste halt kein Rennpferd machen.â
âUnd ich bin der Gaul? So siehst du mich?â
âJau! Guck dich an!â
Wolfgang sah an sich hinunter. âSoll ich etwa was von Lagerfeld anziehen?â
âSo Ă€hnlich vielleicht?â
Die Blicke der Bio-Köchin und seine trafen sich.
Na klar!
Er war doch nicht blöd!
So ein Funkeln hatte damals auch Helene in ihren Augen, als sie ihn angeschaut hat. Und Helene hatte sogar Mittlere Reife gehabt.
Aber die Familie hatte er mit seiner HÀnde ehrlicher Arbeit ernÀhrt.
* * *
Nun saĂ Wolfgang also seiner Traumfrau in der âWeinstube zum fröhlichen Landsmannâ gegenĂŒber, und der Anzug hatte ein Vermögen gekostet.
âIch hĂ€tte Sie ja fast nicht wiedererkanntâ, stellte die Bio-Köchin namens Maria-Lena fest und schob sich eine Weintraube zwischen ihre weinroten Lippen.
âWenn ich mit meinem Freund Herbert unterwegs bin, bevorzuge ich eher das Legere.â Er nahm ihren HandrĂŒcken und hauchte einen Kuss darauf. âAber wenn ich mich in niveauvoller Gesellschaft befinde, trage ich gerne Gediegenes.â
Sie stieĂen an.
âPrösterchen!â, sagte sie. Ihr Busen wippte leicht, weil sie gluckste.
âAuf unser Wohlâ, prostete er und hielt ihr einen Vortrag ĂŒber den Wein, der leicht nach Schiefer mundete und âmit einer wunderschönen Frau genossen, die Phantasie eines jeden Lyrikers beflĂŒgelt.â Dann hielt er ihr den KĂ€seteller hin. âAuĂen liegt der Pikante und je weiter man sich nach innen voran isst, umso sĂŒĂer wird er.â Nahm ein StĂŒck und hielt es ihr an die Lippen.
Maria-Lena schnappte zu. âHm. Lecker.â
âDas dachte ich mir, dass das eine Abwechslung ist, wenn man den lieben langen Tag in der heiĂen KĂŒche steht.â
Wolfgang stĂŒtzte seinen Kopf auf die HĂ€nde und blickte in ihre grĂŒnen Augen. Die Zeit war reif fĂŒr Romantik.
âDein Antlitz entzĂŒcket mich und entfĂŒhrt mich in den Garten Eden, wo die satten, reifen Trauben meinen Gaumen kitzeln und liebkosen.â Er holte tief Luft und versuchte sich zu erinnern. âTrauben, die ich allzu gerne von deinen Lenden naschen wĂŒrde im Mondeslicht, welches hell steht am Firmament und dessen Schein deine wohlgeformten HĂŒften diffus umschmeichelt.â Er nahm abermals ihre Hand und kĂŒsste sie. âSei meine blonde Mondfrau nĂ€chtens! Und meine Sonne bei Tag, mein Stern in der dunklen einsamen Nacht, wo das Laken zerwĂŒhlt und das Kissen trĂ€nennass.â Er holte tief Luft. âIst. TrĂ€nennass ist. Willst du mein Lager und deine KochkĂŒnste mit mir teilen, auf dass wir Eins werden?â
* * *
âDa haste aber ganz schön dicke aufgetragenâ, meinte Herbert. âUnd was ist nach deinem GesĂŒlze passiert? Lag sie dir ergeben zu FĂŒĂen?â
Wolfgang goss sein Bier in einem Zug hinunter. âEin Desaster!â
âWenne Holzhacker bist, kannste kein Feingeist werden!â
âSie hat mir eine geklebt und geschrien, dass ich mich ĂŒber eine einfache SpĂŒlkraft lustig machen wĂŒrde, um sie ins Bett zu kriegen. Als sie wĂŒtend aufstand, verkringelte sich ihre lange MĂ€hne im Garderobenhaken und blieb dort hĂ€ngen. Da ist sie dann ohne Jacke wutschnaubend hinaus gelaufen mit kurzgeschorenen Grauschopf.â
âSie ist SpĂŒlkraft im Bio-Ristorante und die MĂ€hne war eine PerĂŒcke?â
Wolfgang nickte. âUnd vorher hat sie noch gesagt, dass wir nicht zueinander passen wĂŒrden, weil ich zu gebildet sei wegen der Weinkenntnis und der Poesie. Sie aber lieber ân Bier trinken wĂŒrde und Groschenromane mag, anstatt BĂŒcher von Goethe.â Er lieĂ den Kopf hĂ€ngen und starrte auf das leere Bierglas in seinen HĂ€nden.
Helmut schob ihm einen Schnaps hin. âDann ist die Brust bestimmt auch nicht echt.â
âIch mag sieâ, flĂŒsterte der Abgewiesene zerknirscht.
âDu stehst auf Silikoneinlagen?â
Wolfgang leerte das Schnapsglas und streckte sich. âIch stehe auf innere Werte! Aber so leicht gebe ich mich nicht geschlagen.â Er deutete zum Tresen, wo Maria-Lena gerade damit begonnen hatte, GlĂ€ser abzuspĂŒlen.
âWolfgang, lass es gut sein.â Der Freund legte seine Hand auf Wolfgangs Unterarm.
Aber der erhob sich flugs und eilte zu Maria-Lena.
âSo, so! Du glaubst also, ich sei gebildet und niveauvoll? Aber da hast du dich grĂŒndlich getĂ€uscht. Du wĂŒrdest dich wundern, was von mir ĂŒbrig bleibt, wenn ich erst mal alle meine Ersatzteile beiseite lege! Ein Nichts bleibt ĂŒbrig!â
Sie sah ihn erstaunt an.
Er nahm ihr ein Glas aus der Hand, deponierte sein Gebiss darin, fasste sich beherzt auf den Oberkopf, zog sein Toupet hoch, drapierte es neben das Glas, riss sich das Hemd aus der Hose und schob es hoch. âDasch ischt die Narbe von meiner HĂŒft-OP! Schieht auch nicht gut ausch, und mein Knieâ, er raffte das Hosenbein empor, âischt eine Protheschee, die bei Wetterwechschel höllisch weh tut, da ischt an Tanschen und Bumschen nischt zu denken!â
Wolfgang wischte sich den SchweiĂ von der Oberlippe und setzte sich auf den Barhocker. âVowegen Niveauâ, bekrĂ€ftigte er erschöpft und setzte sich das Toupet wieder auf. Allerdings falsch herum. âUnd PlattfĂŒsche habe isch ausch und mein RĂŒcken ischt morsch.â
Maria-Lena prustete laut und bekam einen Hustenanfall.
âLasch misch nur ausch! In der Neun hatte isch in Mathe âne Vier und in Bio âne FĂŒnf, deschhalb haben schie mich ausch nur bei der SchtĂ€dtischen GĂ€rtnerei haben wollen.â
Herbert stĂŒrzte herbei, nahm das Gebiss aus dem Glas und hielt es seinem Freund vor den Mund. âBist du verrĂŒckt geworden?â
âVerrĂŒckt? Isch bin verliebtâ, antwortete der und setzte sich seine Dritten ZĂ€hne wieder ein, âverliebt und nicht perfekt.â
Sein Freund zuckte mit den Schultern. âTut mir leid, aber so kenne ich Wolfgang ĂŒberhaupt nicht. Bei der StadtgĂ€rtnerei war er aber die letzten Jahre in der Verwaltung tĂ€tig!â, versuchte er, den Auftritt seines Freundes abzumildern.
Maria-Lena trank einen Schluck Wasser, legte ihre Hand auf Wolfgangs HandrĂŒcken, lĂ€chelte ihn an und flĂŒsterte ihm ins Ohr. âWenn ich mein HörgerĂ€t eingelegt habe. Wiederholst du dann das alles fĂŒr mich noch einmal?â
Anne Zeisig, Version ZWEI
Letzte Aktualisierung: 10.11.2013 - 18.44 Uhr Dieser Text enthält 9663 Zeichen.