Burgturm im Nebel
Burgturm im Nebel
"Was mögen sich im Laufe der Jahrhunderte hier schon für Geschichten abgespielt haben?" Nun, wir beantworten Ihnen diese Frage. In diesem Buch.
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Halb und halb | Dezember 2013
Der heilige Gral
von Ingo Pietsch

Ein eisiger Wind peitschte über die Anhöhe irgendwo an der Grenze zwischen Israel und Syrien.
Zusammen mit Schnee und Dunkelheit, war es fast unmöglich in die richtige Richtung zu gehen.
Trotzdem fanden die beiden dick vermummten Gestalten im Schein einer Taschenlampe den richtigen Weg.
So schnell sie konnten, zwängten sie sich durch dichtes Unterholz und an kahlen Baumstämmen vorbei.
Der knöcheltiefe Schnee erschwerte das Laufen.
Mit einem Mal standen sie vor einer steinernen Hütte, die an einer Felswand errichtet worden war.
Die Fenster waren mit Holzläden verschlossen. Die Tür besaß keinen Griff; ließ sich von Außen nicht öffnen.
Ein Feuerball war in weiter Ferne unten am Hang zu sehen. Einige Sekunden später hallte der Donner der Explosion an der Felswand wider.
Instinktiv duckten sie sich.
Das war ihr von Kugeln durchsiebter Geländewagen gewesen.
Einer der beiden hämmerte hektisch mit dem Taschenlampengriff gegen die Tür.
Jeden Moment konnten die Verfolger hier sein.
Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete sich die Tür einen Spalt und ein Lichtstreifen aus Kerzenlicht schien nach draußen. Ein warmer Schwall Luft schlug den beiden entgegen.
Eine alte Frau mit tiefen Falten stand gebückt in der Tür. Sie trug ein langes dunkles Gewand und ein Kopftuch, dass ein Großteil ihres Gesichtes verbarg. Am Meisten überraschten die beiden aber die klaren blauen Augen, die so gar nicht zu der Alten passten.
Die Zeit schien stehen zu bleiben.
Schließlich zogen sie sich die Schals vom Kopf und der Mann sagte freundlich und völlig außer Atem auf Deutsch: „Hallo! Ich bin Christian Laubner und das ist Rebecca Schulz. Wir müssen ganz dringend mit Ihnen reden!“
Rebecca übersetzte ins Hebräische.
Die Alte zögerte, ließ sie aber hinein.
Die Hütte bestand nur aus einem Raum, aber ein Vorhang ließ erahnen, dass dahinter noch mehr war.
Überall, auf Regalen, Fensterbrettern und Kommoden, standen Gestecke mit brennenden Kerzen. Aus Holz, mit Blättern, Tannenzweigen, Palmwedeln oder Steinen.
Hier drinnen war es gemütlich, wenn auch ein bisschen stickig. Die Wände waren so dick, dass man den Sturm draußen nur erahnen konnte.
Ein einfacher Tisch und mehrere Stühle standen in der Mitte des Raumes. Die Frau bedeutete ihnen, sich zu setzen und holte einfache, aus Ton gefertigte Becher.
Sie füllte sie mit einem stark riechenden Kräutertee.
Christian und Rebecca wärmten ihre Hände an den Bechern.
Müdigkeit überfiel das Paar, da es endlich ein paar Minuten Ruhe hatten. Die Strapazen der letzten Wochen hatten ihre Spuren hinterlassen.
Christian sah erschöpft aus: Seine Augen lagen tief in den Höhlen, er trug einen Dreitagebart und seine sonst gegelten Haare standen in alle Richtungen.
Rebecca dagegen wirkte entspannt und ausgeruht. Ihr Teint war wie immer fast Schneeweiß, aber ihre Wangen glühten ein wenig und die Sommersprossen waren fast unsichtbar geworden. Ihr lockiges rotes Haar hatte sie zu einem strengen Zopf zusammengebunden.
Als Pärchen passten sie gut zusammen, wenngleich sie nur Arbeitskollegen am Museum waren.
Christian war Experte für Christliche Reliquien und Rebecca sprach mehrere Sprachen fließend.
„Hören Sie“, sagte Christian ohne Umschweife, denn ihm wurde wieder bewusst in welcher Gefahr sie sich befanden. „Wir werden verfolgt. Es geht um Leben oder Tod. Sie müssen uns helfen. Wir sind auf der Suche nach dem Gral. Unten im Dorf hat man uns an Sie verwiesen.“ Eigentlich war es Isaak Goldstein gewesen, ihr Verfolger, der mit seiner bewaffneten Bande die Bewohner unter Druck gesetzt hatte. Christian hatte sie nur belauscht.
Rebecca übersetzte.
Die Frau sah sie ungläubig an.
Christian irritierten die Augen immer noch. „Becher, so groß.“ Er hielt die Hände ein Stück auseinander. „Jesus Christus.“
„Jeschua!“ Sie nickte.
Christian sah Rebecca grinsend an. „Ich wusste es. Hier sind wir richtig!“
„Sie den Gral hier nicht finden“, sagte die Alte mit rauer Stimme in gebrochenem Deutsch.
Die beiden Wissenschaftler starrten sie mit offenen Mündern an.
Christian fand zuerst die Sprache wieder: „Wir müssen uns beeilen! Wenn sie irgendetwas wissen, sagen Sie es uns. Es kommen gleich ein paar ganz böse Typen, die nichts Gutes wollen.“
„Wieso sprechen Sie unsere Sprache?“, wollte Rebecca von der Einsiedlerin wissen.
„Ich habe gelebt vor langer Zeit in Kloster in Schweiz.“
„Kein Gral?“, versuchte Christian in Erfahrung zu bringen.
Jetzt war es Rebecca, die das Gespräch führte. „Aber einer der alten Dorfbewohner sagte, dass sie schon hier wohnten, als er geboren wurde. Sie müssen steinalt sein.“
„Nach menschlichen Maßstäben ich das auch bin. Ich fühlen, dass vertrauen Ihnen ich kann.“
Sie schlug ihr Kopftuch zurück und zog ihr Gesicht wie eine Maske herunter. Darunter war das Antlitz einer jungen Frau Anfang zwanzig. „Die Haut sich ständig erneuert. Ich nicht kann sterben.“
„Also der Gral“, hakte Christian nach. Die Zeit drängte.
„Nicht wie Sie denken.“ Die Frau stand auf und ging gemächlich an eines der Regale. Sie hob einen Kerzenkranz hoch, der wie ein Vogelnest aussah. Dornenzweige waren zu einem Kranz geflochten.
Christian hielt den Atem an. Er ahnte, was die Frau in den Händen hielt.
„Haben Sie sie geerbt?“, wollte Christian wissen.
„Nein“, die Frau schüttelte den Kopf. „Jeschua hat persönlich sie mir gegeben. Kurz nach seiner Auferstehung.“
„Maria Magdala?“, fragte Rebecca ehrfürchtig.
„So ich einst hieß.“
„Aber wie kann es sein, dass Sie noch leben?“ Christian interessierte der Gral nicht mehr, er war jetzt fasziniert von der Dornenkrone.
„An ihr sich befindet das Blut Jeschuas. Ich mich habe gestochen daran. Seitdem ich nicht altere mehr. Werde nicht krank, kann nicht verhungern oder verdursten. Bin nur Hälfte noch Mensch.“
„Hören Sie, wir müssen schnell von hier verschwinden. Unser Goldstein ist kein Freund vieler Worte. Er wird sich die Krone mit Gewalt nehmen.“
Maria öffnete die erste Schlaufe von ihrem Gewand. Der ganze Hals war von fast verheilten Narben übersäht.
„Ich nicht kann sterben“, sagte sie traurig. „Ich nicht haben Angst.“
Rebecca standen die Tränen in den Augen. Sie versuchte sich nicht fortzustellen, was dieser Frau widerfahren war.
„Aber die Templer mich immer beschützen. Sie wussten, bei mir sicherstes Versteck.“
Es hämmerte an der Tür. „Wir wissen, dass ihr da drinnen seid!“, rief eine barsche Stimme.
„Goldstein!“ Christian sah sich bestürzt um. „Wir sind hier drinnen gefangen.“
Maria verstaute die Krone in einem Ledersack. „Ich nicht bin hilflos.“ Sie zog einen Minisender aus der Tasche ihres Gewandes und aktivierte ihn.
Sie ging zum Vorhang und riss ihn herunter: Dahinter befand dich ein Stollen, der in den Fels führte. „Kommen Sie!“
Maria Magdala nahm eine Fackel und ging vor. Dann zog sie einen Hebel und hinter ihnen fielen Steinblöcke von der Decke und verschütteten den Gang.
„Wir abgeholt werden am Ende des Tunnels, wenn Templer sind da.“
„Und was passiert dann mit uns?“, fragte Rebecca, die sich bei Christian untergehakt hatte.
„Ich nicht wissen. Dass die Templer entscheiden. Aber sie nie haben jemanden leben lassen, der zuviel wusste …“

Issak Goldstein war damit beschäftigt voller Wut Töpfe mit seinen schweren Stiefeln zu treten. Seine Söldner versuchten den Durchgang freizulegen. Wieder war er zu spät gekommen und wieder waren sie ihm einen Schritt voraus.
Was er nicht wusste: Sie hatten schon das Turiner Grabtuch heimlich austauscht und die Reste vom Kreuz versteckt.
Goldsteins Smartphone klingelte.
„Und, hast du den Kelch gefunden?“, wollte ein Mann mit freudvoller Stimme wissen.
„Nicht ganz. Sie sind uns entkommen.“
Die Männer hatten aufgehört zu buddeln und blickten Goldstein an.
Der hörte den Mann am Telefon tief atmeten. Einer der Söldner fasste sich an die Brust und brach röchelnd zusammen.
Der Mann sprach weiter: „Das Grabtuch: Eine Fälschung. Das Holz vom Kreuz: Von Bauern verfeuert. Ich will diesen Kelch. Enttäusche mich nicht noch einmal! Eine Milliarde Euro und ich erfülle Dir alle deine Wünsche.“ Das Gespräch war beendet.
Goldstein war blass geworden.
„Boss, Sie sehen aus, als hätten Sie mit dem Leibhaftigen gesprochen.“
Die anderen trugen den Toten nach draußen.
„Das habe ich auch.“ Goldstein meinte es so, wie er es sagte. „LOS! Weitermachen!“

Letzte Aktualisierung: 16.12.2013 - 06.57 Uhr
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