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Halb und halb | Dezember 2013

Nixe da!
von Helga Rougui

Schon immer hatte der Prinz von einer Meeresprinzessin geträumt, einer Wasserjungfrau, der Lieblingstochter Poseidons, die den Schiffbrüchigen aus einem Sturm an den Strand trüge, ihn wiederbelebte, sich sterblich in ihn verliebte und nicht mehr von seiner Seite wiche um den Preis ihres Fischschwanzes. Er stellte sich vor, wie in den intimsten Stunden ihre Beine sich zurückverwandelten und wie sie beide im Schloß in einem eigens konstruierten Meerwasserbecken in den Wellen zärtlich umeinanderkreiselten.

Als es an der Zeit war, ging der Prinz auf eine lange Seereise. Und es kam so, wie er es sich ersehnt hatte: Schiffbruch, Sturm, Strand, Beatmung, Liebe auf den ersten Blick, Heirat, Schloß, Pool und Schwanz. Ähm, also Fischschwanz der göttlichen Prinzessin beim Feuchtgebietgeturtel.

Aber die böse Rosa Seehexe konnte dem Idyll so gar nichts abgewinnen. Wenn es ihr schon nicht gelungen war, den Meeresgott von seinem Thron zu stoßen, konnte sie doch wenigstens seiner Tochter Knüppel zwischen die Beine werfen, an die sich diese während ihres Lebens auf dem Land ganz gut gewöhnt hatte.

Trotzdem liebte die Prinzessin die Stunden, in denen sie wieder in ihrer ureigenen Gestalt das Zusammensein mit ihrem Prinzen genießen konnte.
Wieder einmal war es Samstagabend: Zeit für das wöchentliche Bad sowie für ein Nümmerchen der königlichen Schwimmrevue.
Der schlanke Körper der Gattin Royale tauchte ein in die künstlich angelegte, sahnige Meeressuppe, die an diesem Abend nicht grünlich, sondern pinkrosa schimmerte.
"Mal was Neues. Hübsch", dachte der Prinz, der bereits in den Wellen dümpelte. Er sah seine Frau wie ein silbernes Fischlein an sich vorbeizischen und freute sich auf den Moment ihres Auftauchens. Da brach sie auch schon unter großem Gepruste durch die Wasseroberfläche, und ihr Gemahl, der die Arme weit geöffnet hatte, um sie in selbige zu schließen – ließ diese abrupt sinken und öffnete dafür seinen Mund sperrangelweit.
Schock! Schwere Not!
Die Diener, die stets hinter einem Vorhang mit gewärmten Handtüchern bereitstanden und seinen erstickten Hilferuf hörten, bevor er im Wasser versank, retteten ihn mit Not und Mühe, hatten sie doch weder Flossen noch Fischschwanz zur Verfügung, um sich in dem ihnen fremden meeresähnlich aufgepeppten Element adäquat zu bewegen.
Endlich lag der Prinz am Rand des Beckens. Er lebte, Gottseidank. Man brachte ihn in seine Gemächer und zu Bett, wo er umgehend einschlief.

Am nächsten Morgen beauftragte er denjenigen seiner Sklaven, der von Geburt an stumm war, mit einigen besonderen Aufgaben. Jeden Abend sei eine große Schüssel mit Fischfutter in das Wasser des Pools zu streuen. Einmal in der Woche sei ein Wasserwechsel im Pool vorzunehmen. Einmal im Monat seien frische Algen dem Wasser hinzuzufügen. Ansonsten sei die Tür zur Schwimmhalle stets verschlossen zu halten.
So geschah es.
Nach und nach vergaßen die Menschen die wunderschöne Prinzessin, die einst im Schloß mit dem Prinzen gelebt hatte. Dieser aber vergaß sie nie.

Und auch nicht den Zauber der Rosa Seehexe, der nicht unten, sondern oben gewirkt hatte.

Letzte Aktualisierung: 21.12.2013 - 18.49 Uhr
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